Full text: St. Ingberter Anzeiger

Ht. Ingberler AAnzeiger. 
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der St. Inm berter Anzeiger (und das mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatti, mit der Dienstags⸗, Dounnerstags⸗ und Sonnta 
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Sonntag, den 291 Januar 
1815 
Xòä 
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Dentiches Reich. J 
Berhin, 22. Jan. Reichsstag. Das VLandsturmgesctz 
vurde in dritter Lefung bei namentlicher Abstimmung mit 198 
jegen 84 St'mmen angenommen. Dagegen stimmten nur das 
Fenirum, die Sozialdemokraten, die Essüsser und der Ab-eordnete 
Sonnemann. Eine Resolution Dauncker's auf gesetzliche Regelung 
er Unterstützung für die Familien von Lundwehrmäunern wurde 
benfalls angenommen? — Das Gesetz üder die Ausübung der mi⸗ 
itärischen Controle über die Personen des Begarlaubtenstandes 
wurde ohne Debatte in dritter Lesung genehmigt; desgleichen die 
Befetzesvorlage über den Arkauf des Radz will'schen Grundstückes 
zür das Reich und der Auslieferungsvertrag wit Belgien. 
Beelt hbĩn, 22. Jan. „BörsenZeitung“ und „Vöoͤrsen⸗ 
Fourier“nelden, da, der Rücktritt Cauphausens nach Schluß des 
Reichstages wahrscheinlich ist. 
Spanien. 
Madrid, 22. Jan. Tie Karlisten bedrohen, falls Za— 
auz beschossen würde, mit Bewalttheten die dortigen Deuischen, 
den Kapitän Zeppelin und einige Matrosen der Brigg „Gustav.“ 
Die Regierung nimmt deßhalb mit Rücksichh auf die Deutschen 
ind die Lebensgefährdung derselben Anfand, gegen Zarauz vor— 
ugehen. 
Barce!ona, 21. Jan. 3000 Catlisten unter Tristani 
ind Moret nahmen gesterm im Sturm das 6 Meilen von hier 
entfernte Grarollers, begingen viele Grausamkeiten und führten 
ämmtliche Miiglieder des Gemeinderaths weg. Eis heißt, daß 
die Carlisten einen Handstreich auf Barcelona vorbereiteten, welches 
sie unter Mitwirkung der Republikaner zuj nehmen hoffen. 
Englaͤnd 
London, 12. Jan, Vie deutsche Panzerfregatte „Kaiser, 
welchr 53000 Tonnen Gehalt und 1100 Pferdekraft hat, machte 
estern ihre erste Probefahrt bei Naplin Sands, Die deutschen 
Tommissäre waren zugegen, zu deren willkommener Zufriedenheit 
has Schiff mit voller Kraft ftündlich 14,56, mit halber Kraft 
12,70 Knoten zurücklegte. 
p— Gesetzte alte Kaufleute in Bosion beklagen sich darüber, 
daß die we'blichen Post Clerks sie unnütz warten lassen, während sie 
mil den jüngern Männern coquettiren. Einer der Beschwerdeführer 
zibt an, er habe auf die Auslieferung seirer Briefe so lange 
warten müssen, bis der ihm voraufgehende Bursche dem auf⸗ 
merksam zuhörenden weiblichen Clerk eine genaue Schilderung 
ämmtlicher Damen Toiletten auf einem in der vorhergegangenen 
stacht stattgehabten Balle geliefett habe. 
r Eine unbeknante Beschützertin. Wenige Tage vor Aus- 
vruch des deuisch⸗französischen Krieges im Jahre 1870 gingen in 
der Gr. Friedrichstraste in Berlin zwei Pferde mit einer glänzenden 
Equipage darch, der Kutscher hatte die Zügel fallen lassen. 
Die tasenden Th'ere bogen in die Karlsiraße ein, ein großes Un⸗ 
glück drohte — da warf sich vor der Kaserne ein junger Mann 
Hen scheuen Pferden in die Zügel und brachle, nachdem er einige 
Schritte gesaleist worden war, das Gespann zum Stehen. Schnell 
zffncte sich der Kutschenschlag und eine noch zieml'ch junge Dame 
prang über den Triit hinweg auf die Straße. Dankerfüllt drückte 
ie dem jungen Manne die Hand, kaum vor Schreck eines Wortes 
nächtig; gleichzeitig aber machte die sich schnell ansammelnde Men— 
Je sie verlegen, und nachd em sie sich nach der Adresse ihres Retters 
;rkundigt und demselben no chmals die Hand gedrückt, setzte sie sich 
in eine nahestehende Droschkle und verschwand; auch die Equipage 
iuhr davon, und wen'ge Minuten später stand der junge Mann 
allein gegen das eiserne Gitter des Kasernenhefes gelehnt, der eben 
rlebten Szene wie eines Traumes gedenkend. Die Zeit schritt 
»amals schnell und shhon nach 14 Tagen befand sich Theo dor 
Balke, so hieß der junge Mann, vor den Spich rer Höhen. Schon 
hier, beim Beginn deutscher Heldenthaten, machte ihn eine feindliche 
Kugel, welche ihm durch die Wade drang, kampfunfähig und er 
wurde nach Bingerbrück gebracht, wo er vier Monate lag, 
nach welcher Zeit er als Inbvalide in die Heimath entlas⸗ 
sen wurde. 
Schon während seines Lazarethlebens, noch mehr aber während 
der Rekon valescenz, machte sich ihm eine gütige Fee bemerkbar, 
denn ihm wurden außergewöhnliche Aufmerksamkeiten erwiesen, und 
es kamen ihm Gelder und Präsente zu, die das besondere Interesse 
eines Andern für ihn ahnen ließen. Für B. der eine bescheidene 
Stellung als Privat-Sekretär nach dem Kriege dei dem Grafen 
Z. angenommen hatte, hörten diese Einkünfte nicht auf. Da wurde 
vor wenigen Wochen eine einträgliche Kommunal-Stelle einer größern 
Ztadt in Schlesien ausgeschrieben, B. bewarb sich um dieselbe wurde 
edoch in wenigen Tagen davon in Kenniniß gesetzt, daß eine 
aution von 2000 Thlr. gestellt werden müßte. So weit reich!e 
das Vermögen des jungen Mannes nicht, und schon verzichtete er 
zuf diese Aussicht für seine Zukunst, als er am Neujahrstage eine 
Zuschrift des Magistrats jener Stiadt empfing, in welcher ihm 
nitgetheilt wurde, daß seiner Anstellung nichts entgegenstehe, da die 
.000 Thlr. bereits für ihn eingezahlt worden wären; gleichzeitig 
nit diefem Bescheide erhielt B. ein verschlossenes Billet an seine 
Adresse. Als er des erbrach, las der erstaunte junge Mann: 
Meinem kühnen Erretter aus großer Gefahr bleibe ich, so lange 
ch lebe, eine dankerfüllte Schuldnerin. Gedenken Sie der Karl— 
itraße und des Monats Juli 1870.“ 
ermichae xco. 
Kaiserstatern, 28. Jan. Vor einer sehr zahl 
ceichen Auditorium (es moözen wohl an 400 Personen zugegen 
Jewesen sein) hielt gestern Abend Gerh. Rohlfs den angekündigten 
Vortrag über seine Ressen in Afrika, insbesoroere seinen RNufent 
halt in Marokko, dir Uebersteigung des großen Atlas und die Er— 
orschung der Sahara⸗Oasen Draa, Tafilet und Tunt, der die 
Zuhörer fast zwei Stunden lang in gespannter Aufmerksamkeit 
hielt. 
(Ksesl. 3.) 
FNeustadit, 20. Jan. (Pf. V) Der Verwaltungsrath 
des pfälz. Lehrerwa'senstiftes vertheilte in seiner gestrigen S'tzung 
1162 fl. Unterstützungs zelder an 1165 Waisen. Die niddrigste 
Unterstützuag, die eine Familie erhielt, beträgt 8 fl., die hödhste 
80 fl. Das Waisenstift zählt jetzt 843 Mitglieder.F 
— Die vom verstorbenen Kuͤrfürsten von Hessen dem Kaiser 
Franz Josef vermachten zwölf Isabellen⸗Schimmel sind, wie man 
aus Prag meldet, am 21. dieses mit dem Zuge nach 
Wien abgegangen. Man schätzt den Werth der Pferde auf 
24,000 Thaler. 
FGas Gewicht eines Sternes.) In einer der letzlen Si— 
zungen der Pariser Akademie der Wissenschaften wurde das Ge— 
wicht eines winzigen, mit unbewaffnetem Auge kaum sichtbaren Ge— 
stirnes im Sternbilde des Ophiuchus bestimmt; die Berechnung hat 
Tamille Flammarion angestellt, nach welcher dieses Sternchen drei⸗— 
mal schwerer als die Sonne und eine ganze Million schwerer als 
die Erde wiegt. Dieses Sternchen treibt in einer Entfernung von 
pierundfünfzigtausend Nilliarden fran zösischer Meilen; eine Kano⸗ 
nenkugel, welche 6 Jahre brauichen würde, um zur Sonne zu ge— 
anger, müßte 8400,000 Jahre fliegen, um durch den Raun zu 
ommen, der uns von dem Sterne trennt, den Flammarion jüngst 
gezogen hat. 
Jllustrirte Jagdzeitung, Organ für Jagd, Fischerei 
und Naturkunde. Herausçegeben von W. H. Nitzsche, 
Kgl. Oberförster. — Leipzitg, Verlag von Heinrich Schmidt. 
— No. 8 dieser unterhal tenden und belieblen Jagdzeitung 
isi erschienen und enthält: Zur Vogelschutzfrage v. Freiherrn 
o. Droste-Hülshoff. — Aus Thüringen. — Ein Fürstensitz 
m Urwald, mit Illustration. — Ein starler Hirsch. — 
Zusammenstellung des Wildes, welches in den Königl. 
Preuß. Hofjagden erlegt wurde u. s. w. u. s. w. — Preis 
e halbjährlich in allen Buchhandburgen und Ponp— 
instalten.