mitlelnden Nägden gesehen, auf welchen als Randbemerkung ver⸗
zeichnet steht, daß jeder derselben in Pofen 10 und in Berlin 25
Sgi. (zusammen also 8 Mark 50 Pfa.) als Zehrgeld ausgezahlt
wurden. — Bei dieser so karglichen Summe, bei vier!äziger Fahrt
in IV Wagenktlasse und bei so großer Kälte darf man sich gewiß
nicht wundern, wenn den armen Maͤgden — trotzdem sie sich schon
anierwegs durch Berkauf von Kleidungsstüchen eiwas Geld ver ⸗
schafft hatien — in Bingerbrück alle Mittel zu weiterem Fortkom⸗
men fehlten, und wenn sie fich deshalb an ihre detreffenden Dienst⸗
herren delegraph'sch um Uebersendung von Geld wandten, damit sie
Jie Reise vbeeudlgen konnten. Man darf sich bei einer solchen Be⸗
handiung der Leute aber auch nicht wundern, wenn manche der
engagirten Dienstboten unterwegs fich anderweitig verdingen, oder
Ernwenn fie die nölhigen Mittel besitzen — wieder in die Heimath
jurücklehren, wie dies auch bei einer an den Hen. Bürgermeister A.
in K. abgesandten Magd der Fall war. — Wenn sich die Agenlea
zür Reise⸗ und Agenturkosten pro Kopf 54--60 Mark zahlen lassen,
wvahrend das Faährgeld IV. Classe bis Bingerbrück nur etwa 12
Maͤrk beträgt, so löante man von ihnen wohl eine mens venwür⸗
digere Pehandlung der Leute erwarten, die fern von der Heimath
cin besseres Loos erwarten. Gegen die Beschaffung voa land—e
virths vaftlichen Arbeitein aus Gegenden, in denen Ueberfluß an
zegselben ist, läütt sich gew'ß nichts einwenden, aber man darf wohl
exiwarten, daß die Art und Weise des Bezugs mit den Humanitäts ⸗
hestrebungen unserer Zeit nicht in schreienden Widerspruch geräth.
7 Speyer, 17. Febr. Laut Berfügung königl. Regierung
der Pfalz vom 15. ds. Mis. dürfen die Jahresprüfungen an den
Volkeschulen für das Schutjahr 1875 auf 1876 nigt vor dem 6.
Martz begonnen werden und müssen bis längstens 12. April vollen⸗
det sein. Ep. 3.)
fMünchen, 14. Febr. Neuestent sind hier außer falschen
20 Pfeunig⸗ Stücken auch falsche Marl-Stücke aygehalten worden.
Diefeiben bestehen aus Zinn, sind in Fotmen nach echten Studcer
degossen und mit Quedfilber abgerieben, wodurch si quf der Ober⸗
Jäche ein Zinnanalgam gebildet hat und die Münzen ein fettiges
Aufühlen erhalten haben. Außerdem ist die Unechtheit zu erkennen
an der graulichen Farbe, dem rundlichen stumpfen Gepräge, nament ⸗
lich der Schrist, den stumpfen Kerben am Rande im Vergleiche zu
enen der echten Stücke, dem Mang⸗l eines Klanges und ihrer Bieg⸗
samkeit. Ueber den oder die Vecsertiger ist bis jetzt nichts
vekannt. (Abdz)
F Mänqchen. Hier wurde vor einigen Tagen ein junger
Bahnbeamter von drei Hunden angefallen. Er ging Nachts gegen
io Uhr nach Hause; als er gegen die Adelgundstraße einbog, bra⸗
hea drei Hunde aus dem Seitenwege heraus und stüczten heulend
ber ihn ber. Wehrlos, nicht einmal mit einem Stod bewaffnet,
ward er im Augenblicke zu Boden gerissen. Im nächsten Momente
uühlte er aber auch schon durch den dicken Ueberrock die scharfen
Zaͤhne e'nes der Thiere und zugleich auch sah er, daß d'e beiden
mnderen Hunde sich ebentalls über ihn hermachten. Es blieb ihm
nichts übrig, als mit den Ellenbogen das Gesicht zu schüßzen und,
soweit der Schreck nicht die Stimme erstickte, um Hülfe zu schreien.
Nach Verlauf von circa 8 Miiauten kamen gluͤcklicherweise zwei
Bendarmen, die sofort von ihren blanken Waffen Gebr uch mach-
ten. Die Hund:e fielen nun über ihre Angreifer her und nur müg
sam gelang es, nach manchem Hiebe, sie abzutreiben. Darauf jag⸗
en sie dem englischen Garten zu,, wo einer davon am andern Tag,
Nachmittiags 8 Uhr, das Viergespann des Herrn Baron von Eich-
hhal, der gerade sprzieren fuhr, augriff. Den hinteten Pfirden ge-
iang es dirch Ausschlagen ihres Feindes ledig zu werden; nicht
io gelang es dem einen der Vorderpferde, an dessen Hals der
hund bing und daßsselde durch kiefe Bisse schwver schhädigte. S. M.
ʒet Konig lick siß bei dem jungen Mann nach dessen Befinden
zxkund gen. Dem didwolligen Ueberzieher derd ankte dieser, daß die
ZBestien nur seinen Rock und seine Hose zerfetzten und nicht ihn,
uud daß er, wenn auch mit tiefgehenden, so doh hoßentlich folg⸗
losen Bissen davongegangen ist. Die drei Hnnde find ein gefangen
und erschossen worden.
Frankfurta. M., 15. Febr. Ein schredlichee Vor⸗
jall ereignete si vor einigen Tagen in dim benachbarten Rödel⸗
heim. Fin Mizger ist von einem Besitzer zum Schlachten bestellt
uͤnd gimmt jener seine zwei KHinder, einen Knaben und ein Mädchen
pon 6 his 8 Jahren mit zur Arbeit. Zur Frühstückszeit begiebt
sich deg Metzger in die Wohnung dik Besitzers. feine beiden Kinder,
nichtz Böses ahnend, gauf dem Hofe zurüchlassend. Naqh Verlauf
iner lurzen Zeit kommt sein Söhnchen gesprungen und erzählt ihm,
daß er auch geschlachtet hade“ und' fübrt seinen Vater voll Freude
zuf den Hof, wo sich ihm ein fhiedlicher Anblik bietet. Mit
einem grozen Shläshtermesser hatte der Kleine seiner Sch vester den
Hals iotal durchschnitten und den Unlerleib aufzeritzt. Der Met
jer, sprachlos vor Schred, siößt in seinee Wuth den Kleinen mit
olcher Kraft von sich, daß dieser mit zerschelltem Kopfe an der
Wand des Hauses zusammenbricht. Der unglückliche Mann soll
vem Wahnsinn verfallen sein.
Berlin. Eine Geschichte aus dem Geheimrathsviertel.
Dder Herr Justizrath L., der vor einem Jahre seiaem etwas langen
JZunggesellenleben Valei gesagt hatte, ward seit den Flitterwochen
jon seiner niedlichen kleinen Frau gebeten, sich doch seinen häßlichen
‚ollen Kinndart abzurasiren. ... „Du würdeßt dann noch eine
nal so zung aussehen, liedes Männchen!“ — Aber beste Agnes,
ch habe mich so an den Bart gewöhnt und furchte auch, mich ohne
Jart zu erkälten.“ — „So lasse Deir so ein paar hübsshe eng-
ische Coteletten st hen, so wie Dem Protege, der Assessor, der
äglich mit Dir konferrren kommt, sie trägt, das würde Dich eb n⸗
alls verjidugen!“ — „Wir wollen es uas überlegen.“ — Aber
er Justizraih übecdachte ez sich so lange, daß darüber der Wintker
»erging und die Bollsaison kam, und der Bart noch immer nicht
nit dem Messer berührt war, notz wiederholter Ermahnung der
Frau Justizräthin. NRm letzten Sonatag war es dem Heren Ju⸗
dizrath erst in Folge dis schmollenden Gesichts und einiger schnööden
Auspielungen auf stühere Aufmerksamkeit in Erinnerung gekommen,
aß heute jr dec Namenstag seinet „Agnes“ sei. Statt des Nach⸗
niltagschläfchens begibt er sich also auf einen Spaziergang besorgt
in schönes Bouqtet und überlegt dang, womit er wohl noch seine
chmokleade kleine Frau versoͤhnen könnte. Da kommt ihm an dem
Schaufenster eines Corffeurs eine Idee. Er läßt sich also beim
Zattkünstler der voll u ihm zur Gewosnhett gewordene Bart
tußen und nur ein Paar Koreletten stehen, — geaau wie der
unge Assessor sie trägt. So wandert er denn in der Dämmerung
„vetjüngi“ nach Hause und klingeit an der Thüre seiner Woh—
aung. Die kleine Justizräthin öffaet selbst und fällt in dem halb-
unkeln Entree ihcem mit dem Vonquet bewaffneten „verjüngten“
Bemahl um den Hals und küßt ihn, ehe er noch zu Wort ge⸗
sommen ist. — „Aiso gefalle ich Dir so?“ frägt schmunzelnd
iber den ungewohnien zärttlichen Empfang der Justizrath. Mit
einem Schrei fährt darauf die Gattin erschredt zurück und bricht
in der Verwirrung in die verräher schen, eutschuldigenden Worte
us: „Ich glaubte, es wäre der Ass ssor!“ — In dem Bekann ten
reise des Justizraths zerbricht nan sit, abee seitdenm den Kopf,
veshalb wohl der Assessor plößlich bei den Justirath in Ungnade
Jefall n und warum er niemals mehr, um zu „ko seriren,“ in die
Beletage des Hauses an der Potsdamerstraße lommt, welche dustiz
rat h8 bewohnen.
fxBerlin. In einem Salon der Jerusalem rstraße lassen sich
zie vier kleinsten Menschen der Zeit als musikalische Künster be⸗
pundern. Ihr Führet, Prinz Colibri ist kein Mi. ho h, der kleine
tjcherkesse Iwan wird sogar auf einem Präsentirteller gezeigt, und
die beiden Damn der ee haben in einem Capuchon Plaß.
F Ein schlechtet Spaß und seine Folgen. Ein zu den dunk⸗
en Existenzen zählender Herr H.. welhhen der T'iel „Direltot“
als einziger Nahhiaß aus der zu Grube getrogenen Gründunzs⸗
»eriode geblieben war, hatte, ausgestattet mit einer bestechenden
Persönlichteit, es verstanden, das Hecschen deer Tochter wohlfituirter,
er besseren Gefellsthaft angehörender Eltern zu erobern. Die an⸗
üuglich dieser Vernindung nicht geneigten Eitern wurden schleßlich
urch die Bitten ihres einzigen Tochterchens umzestimmt und der
Dircctor a. D. war jetzt eifrig bestrebt, den Bund mit dem Gold ⸗
is hchen mögzlichst bald zu schließen. Am letztversiossenen Milwoch
bar große Besellschaft bei ben Eltern der Braut, wozu auch der
Zräitigam Einladung erhalten harte. Auf dem Wege dorthin
vird derselbe von einem Bekannten aufgefordert in der, dicht neben
»m Hause der zukünftigen Schwiegereltern befindlichen Stamm⸗
neipe einen Schoppe u trinken. Vereitwilligst wird acc ptirt,
nan trifft noch mehrere Bekannte und bald herrscht an dem
ztammtisch d'e lebhafteste Unterhaltung. Einige der Bekannten
»es Directors hatten in Ecfahrung gebrecht, daß das, das Haupt
esselben bedeckende üppige schparze Haar nicht dort wurzele,
Indern aus den kunstfertigen Händen eines Perrückenmachers dorthia
ersetz sei und, schon lange hatten die Spaßvögel getrachtet, dem mit
einem üphpigen Haarwuchs Renommirenden einen Schabernak zu
pelen: sie benutzen die günstige Gelegenheit, während der Direkior
n eifrigem Gesproͤch begriffen ist, den inneren Rand seen 8 Hutes
nit Klebestoff zu bestreichen. Nichts Boöͤses ahnend setzt bald da⸗
auf der Gefoppte feinen Cylinder auf und begibt sich in das
debenbauz zuu siner Braut. Diese hatte ihn kommen gesehen,
zfinet selbst die Korridorlhür und schreitet Arm in Arm mit ihm
in das Znmer, wo ein großer Theil der Gäste schon versammeit
st. In der geöffneten Taur nimnt det Bräutigam seinen Hut
ib, verbeugt sich kunstgere ht und traut seinen Ohren nicht, als
hin Seitens der Versam nellen ein homerisches Gelächter entgegena⸗