Full text: St. Ingberter Anzeiger

vallt. Lie Braut ebenfalls verwundert, sieyt ihren Zukünftigen 
fragend an, und sinkt mit einem lauten Schrei auf ein unweit 
tehendes Sopha. Die Veranlassang zu dieser Fceuden⸗ und 
Trauerscene ist der Kopf des Beäutigams; dessen Perrücke klebt 
im Hut und in der Sfichen Beleuchtung der Gasflammen des 
Kronñleuchters strahlt sein vollständig kahler Schädel ihm aus dem 
ris-a-vis befindlichen Trumeau entgezen. Da packt Ent'etzen den 
Barhäuptizen und wie von Furien gejagt stürzt er zur Wohnung 
hinaus. — Das nackte Haupt des Bräutigams hat auf das Herz 
der Braut so erkältend gewirkt, daß trotz aller bis jetzt angewen⸗ 
deten Mittel noch kein Temperaturwechsel herbeigeführt ist. 
x Ueber die Affaire betreffs der Herausforderung eines Offi⸗ 
iers dea 2. Garde Keq. durch einen französischen Offizier wird aus 
Paris gemeldet, daß der betreffende Kapitän nicht mehr der altiven 
Armee angehört und als ein sehr cxaltirter und unzurechnungsfähi— 
ger Mensch bekannt ist, dem selbst im letzten Kriege von der Re⸗ 
Jierung in Tours ein gewünschtes Kommando m'cht bewilligt wurde. 
Die franzoͤsische Armee hat jede Verantwortung für das Auftreten 
des betr. Offiziers abgelehnt usd die franzoͤsische Rezierung hat 
zleich nah dem Bekanniwerden des Vargangs durch die Botschaft 
in Berlin, ohne daß eine Reklamation deutscherseits erfolgt war, 
den Fall entschuldigen und als die Thal eines Ueberspaasten be⸗ 
zeichnen lassen. 
fk Dresden, 14. Febr. (Ein Leben für einen Thaler 
Jewagt und verloren.“) So konnte man, schreiben die „ODr. 
Nacht.“ vorgestern Nachmittag auf der hiesigen Augustusbrücke aus 
rufen. Es ging zu dieser Zeit ein Herr über die letztere, als ihm 
an der Seite des Blochhauses und kurz vor diesem vom Winde sein Ch⸗ 
inder über das Geländer auf das Eis des Stromes eatführt wurde. Un⸗ 
muthig, blickte der Mann in die Tiese und vermaß sich, Denjenigen 
welcher ihm den Hut wiederbringen würde, mit einem Thaler zu 
delohnen. Da erbietet sich ein Soldat zum Waquiß; er eilt durch 
das Blockhausgäßchen und geht auf dem Cise hin, um den Hut zu 
rteichtn. Ploͤtztich aber bricht der Kühne, noch ziemnlech fern vom 
Gegenstinde seres Sterbens durch das Eis und verllert dabei 
feine Mütze. Muthig hält er sich an dem Raude fest und strengt 
asle seine Kräfte an, um sich aus dem Wasser auf das feste Eis 
emporzuarbeiten. Es töat sein Hülferuf, doch vergebens, kein 
Reiter naht, und endlich verlossen den armen Jüngling die Kräfte. 
Er sinkt unter, um niemals wieder in die treuen Augen der Sei⸗ 
nigen zu blicken. Gestern Vormiltag ist sein Leichnam in der 
Naͤhe der Ernhruchsstelle von Fischern auf zefunden und aus dem 
Wasser gezogen worden. Man bvrachte den Leichnam ins Miilitär⸗ 
hosptal. 
Gus dem Tagebuche eines weltlichen Kreis⸗-Schul-Inspel⸗ 
ors.) Vom Niederrhein. „Jüngst unterzoz ich die obere Madchen ⸗ 
tlasse zu N. der ersten Rebision. Als einige Detailfragen aus dem 
nach dem vorliegenden Lehrberichte zuletzt behandelten Pensum der 
vaterländ'schen Geichichte äuß rst dürftig beantwortet wurden, deschloß 
ich, mich auf Haupifragen zu beschräaken. Aber auch hiermit ging 
et mit nicht desser. Auf meine Frage, wann Preußen ein König⸗ 
reich geworden, erfolgte anfänglich keine Aatwort, so daß ich die 
seble mit dem Zasahe, dies werde und müsse doch ein jedes Schul⸗ 
tind wissen, wiederholte. Statt einer Anwort gab's jetzt all ge neine 
sichtbare Berlegenheit, welcher schließli h die Lehrerin (8 war keine 
Anfängerin mehr) durch die Worte: Herc Jispektor, das weiß ich 
selbst nicht! ein drastisches Ende madte.“ 
7 (Der Kurhut von Hessen Kass.!) Bekaantlich wurde auf 
den Sarg des veistorbenen Kurfürsten von Hessen Kassel statt des 
aͤchten Kurhutes ein solcher aus der Rqunsite kammer des Peager 
Laͤndestheaters gelegt und in den kaiserlichen Keronschatz in Berlin 
abgeliefert. Die hierüber auf Anordnung der Berliner Regierung 
mil Eifer gepflogenen Recherchen führten, wie wit vernehmen, zu 
dem Resultate, daß sich der echte Kuchut augenblicklich in einem 
hocharistolratischen Gebäude in Wien befindet. Die Herausgabe 
an das Hofamt in Berlin wurde en'scheden verweigert und es 
bleibt abzuwarten, os die Berliner Regierung den Prozeßweg be⸗ 
—E 
Zaisers Wilhelm soll die Einschlagung dieses Wege? nicht ent⸗ 
prechen. (R. W. T.) 
rUnerhofftes Wiederseben. Enem Postpader⸗ 
zehilfen zu Regensburg ging neulich aus einer großen Anahi zur 
Abgabe an die Adressaten bestimmter Posistücke verschiedenster Art 
ein an einen dortigen Weindäadler adressirtes Geldpeicket mit 600 
Mark auf unerklärliche Weise zu Verlust. Vergeblich waren die 
eifcigsten Nachforscuungen, der Bedienstele mußte sih bereits auf 
Ersotz'eistung gefoßt machen, als Flötßlich aus Ludwigshafen die 
Nachricht eintraf, daß dosesbst das verschwundene Packet auf gefunden 
worden sei — im Bauche eines Rehbodes! Der Posßpackergehilfe 
hatte diesen gleichzeitig mit dem Gelde auf leinem Wagelchen trans⸗ 
protitt, dais Padet war zufällig in das Innere des Bockes ge⸗ 
raihen und der letzitere mit dem goldenen Juhalte an einen Metz 
ger abgeliefert worden, welcher das Reh sofort an einen Geschäfts⸗ 
sreund in Ludwigshafen versendet hatte. 
Folgende Warnung vor hollandischea Mehlialschera wird 
jon der „E. Z.“ veröffemlicht: „Gemäß Mitihilung des Präasi⸗ 
denten des landwirthschafilichen Vereins für Rheiupreußen werden 
von der Firma des Heeremans u. Com. iu Rotterdam den Mühlen- 
eghern der Rhinprovinz unter der Bezeichnung zogenaamd 
Funstmeel of Kunstwit“ (sogen. Kunstmehl oder Kunstweiß) 2 
Broben einer we ßen mehlför nigen Substanz zugesandt, welche bei 
Abnahme von mindestens 1000 Kilo zum Preise von 8,80 resp. 
7,50 M. pro 100 Kilo geliefert werden soll. Nach der Unler⸗ 
uchung der landw'rthsch. Versuchsstation zu Bonn ist dieses Kunst 
nehl, nichts anderes ais Gypz. Die Verwendung desselben Sei⸗ 
ens der Möller und Baäcker warde letztere mit dem Strafzgesetzbuche 
in Conflikt bringen·“· 
“ We aus dem englischen Blaubuch er—chtlich ist, stellt sich 
der genaue Preis, welchen der Vicelönig von Egyhpten für seine 
176.6802 SueyKanal Akttin erhielt, auf 3,976,682 L. 2 S. 6P. 
Die Provision des Hauses Rothschild, zum Satze von 2 pCt., 
beträgt 99, 414 L. 11 S. 1 P. Kleine weitere Ausgaben erhöhen 
das Kaufgeld auf die Summe von 4,080,000 8. 
(Selbstmord eines Bankiecs.) Ein erschütierader Unglücke⸗ 
'all ereignete sich am 10. Februat in Livorno. Herr Naphael 
Sortia, einer der ersten Banktera der Siadt, wurde zur Hochzeit 
eines Sohnes auf der Municipalltät erwartet und begad sich abch 
rrüher in Geschäftsangelegenheiten zum Banlier Rignano. Während 
des Gespräches mit ihm erhiell er ein Telegramm, dessen Inhait 
n sichtlich in Bestürzung versetzte, doh gab er auf Befragen nur 
ur Antwort: Es ist nichts.“ Er entferne sich jedoch, trat in ein 
Haus der Via Seristoti und setzte sicy rittlings auf ein Fenster des 
zierten Stockes. Den unten Vorübergedenden rief er noch zu: 
Beansatevit“ (Wricht aus!) und stürtte sich im nächsten Augen⸗ 
blick auf die Sttaße, wo er zerschmettert liegen blieb. Soria war 
35 Jahre alt und läßt zehn Kinder zurück. Er wäar ein allgemein 
geachlteter Mann, und man keunt bis jeßt noch nicht die Urfache, 
velche ihn zu einem fo verzweifellen Schritte trieb. 
Ueber den schon erwähnten in Antwerpen gemachten ver⸗ 
zrecherischen Versuch, ein Scheff in die Lust zu sprengen, berichtet 
zie Opinlon d'Nubers“, daß einer der Feuerleute bereits im Be⸗ 
zriffe siand, auf einer Kohlenschaufel eines der Pulverpakete ins 
Feuer zu werfen, als er zufälligerweise den Gegernstand bemerkie, 
velcher auf der Schaufel lag. Er rief seine Kameraden, welche 
anter den Kohlen nachsugten und noch sechs andere Pakete fanden, 
vovon eines mit einer Lunte versehen war. Das Schiff, auf wel⸗ 
hem sich d'es ereignele, war zur Ueberfahrt na h Amerila bestimmt 
und hatte mit Einschluß der Bemannung 150 Personcu an Bord. 
F Der Einfluß des Klinias und des Wetles auf auser Ner⸗ 
denleben ist bei Weitem größer, als es Viele wissen und glauben. 
xs sind darüber interessante Beobachtungen gemacht worden und 
jenag Beispiele gegeben, welche die Thatsache außer Zweifel stllen. 
In Afrika, wean die Negenzeit vorüber ist, ergreift die Reisenden 
aft e'ne uerllärliche Melancholie und ein solches Heimweh, daß 
diese Empfidungen nur mit Mühe auf die Dauer ertragen werden 
lönnen. Einen gleichen Einfluß übt das Klima von Kamischatka 
auf Reisende aus, welche anfangs entzüdt find über die gesunde 
duft, die angenehme Gegend und bald darauf sich in ihrem Ge⸗ 
nüthe so bedrückt fühlen, daß nur schnelle Abreise vom Selbstmorde 
ibhallen kann. Kitthez sagt, daß Admiral Krusenstern, ein tapferer 
„oldat, beim Anblick der Kamtschula Birke bitte rlich geweint ha⸗ 
ven soll, während Admiral Price, nachdem er seine Truppen auf 
Jerer-Palewiet gelandet hatte, sich eine Kugel durch den Kopf 
choß. Cyarles Dickens wurde von gleichen Empfindungen heimge⸗ 
acht, als er auf Isle of Wgigt ia Bonchureh wohnte. Eine Er⸗ 
lärunz ist, daß ein Uebermaß von Sauerstoff in der Luft die Le⸗ 
ensgeister zu stark anregt und e ze deprimirende Reattion die 
Folge ist. 
fPhiladelphia, 13. Fobr. Für die internationale Aus⸗ 
t UIung ünd deuscheiseits bis jetzt unzesähr 1100 Ausstener ange⸗ 
neldet. Gegen 1000 Aussteller gehören der Industrie, die übrigen 
zen verjschiedenen Kunstzweigen an. England mit 800 Ausstellern 
deht bis jetzt hinter Deutschland zut üd, wahrend der England ein⸗ 
geräumte Ausstellungsraum den Deutlchland zugewiesenen übersteigt. 
stach nunmehriger Bestimmung sind den deutschen Ausstellern in 
er Jury 12 Plätze eingeräumt. Nach Abtheilungen find deut- 
cherseits am zahlre chifen dertreten die Buchdruckerei und der Buch⸗ 
und Kunstverlag mit 140 Aasstellern. Die Vereinigung der Aus⸗ 
deller chem schet Fabtilate zählt 70 Ausfteller, die Bergwerks ⸗ In⸗ 
»ustrie 42. Elberfeld ist durch 91 Aussteller vertreten, Aachen⸗ 
Burtscheid. d irch 8, Gladbach durch 20, die Vereinigung der schwarz 
wälder Uhrenaussteller durch 25, die Musikinstrumenten⸗Fabrica dion