Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
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M 32. Samstag, den 26. Februar 
16. 
—AöC— — 
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Deutsches Reich. 
München, 22. Febt. Der Gesetzentwurf über die provi⸗ 
sorische Steuererhebung verlangt für die Regierung die Ermächtig— 
unz, die direckten Steuern für das erste Quartal 1876 in der 
für die vorige Finan periode festgesetzten Höhe zu erheben, sodann 
die Zuschüsse, Alterszulagen uud Sustentation, welche Geistlichen 
und Schullehrern für die vorige Finanzperiode in widerruflichet 
Wise gewährt waren, ebenfalls bis 31. März pro rata auszu⸗ 
zahlen, desgleschen die Theuerungs- und Pensionszulagen, welche 
den pragmatisch angestellien Staatedienern, den nichtstabilen Bedien— 
teten, den vor dem Januar 1872 in Ruhestand versetzten Staats⸗ 
heamten und Bedieunsteten, sowie den Witiwen und Waisen der vor 
diesem Zeitpunkt in Activität verstorbenen oder in Ruhestand getre⸗ 
tenen Beamten und Bediensteten für die vorige Finanzperiode ge⸗ 
vährt waren. 
Muünchen, 23. Febr. (Abgeordnetenkammer.) Abg. Frey⸗ 
zag verliest seine Interpellation betreffs der Reschseisenbahnen. 
Minister v. Pfretzschner erklärt, dieselbe in einer der nächsten Siß⸗ 
angen beantworten zu wollen. — Am Freitag ist Präsidentenwahl. 
Braf Harry von Arnim hatte sich, wie die „Dresde er 
stachtichteä? erfahren, in tiefsten Geheimniß von Florenz nach 
Berlia begeben, um seinen, wie er fürchtete, todtkranken Sohn noch 
einmal zu sehen. Man vermuthet, daß die Bitte des Grafen Ar— 
nim um einen Geleitsbrif nach den bestedenden Gesetzen nicht 
gewährt werden konnte, daß aber die Polizei Ordre erhalten hat, 
den Aufenthalt Arnim's zu ignoriren. Der Graf ist übrigens be⸗ 
reits von Berlin abgereist und hat die frohe Hoffnung mitgenom⸗ 
men, daß sein Sohn nicht mehr in Lebensgefahr sich befindet. 
Uebrigens hat das Kammergericht auf das Gesach des Grafen Ar⸗ 
nim, die Vollstreckuug der gegen ihn erkannten Haft seines leiden⸗ 
den Zustandes wegen auszusetzen, demselben, wie die Volksz. mit⸗ 
heilt, im Gegensatz zum Stadtgericht eine dreimonatliche Frist 
gewähct. 
Die Ernennung des Grafen Otto v. Stotberg⸗eWerni—⸗ 
zgerode zum deutsschen Votschafter in Wien, ist, der Berliner 
„Montags⸗Zectung“ zufolge, das Werk des Fursten Bismarck. 
Man hatte ursprünglich die Absicht, dem General v. Schweinitz 
vieder einen hohen Militär zum Nachfolger zu geben, und die 
Wahl schwankte hin und her, bis der Reichskanzler mit seinem 
Vorschlage dazwischentrat. Die Konfeteazen Bismarc's mit dem 
zeutschen Kaiser galten in der letzten Woche ausschließlich dieser An⸗ 
gelezenheit. — Der Graf gehörte — wie die Schl. Pr. bemerkt 
— im Reichstage zur „deutschen Reichsspartei', der „Boilschafter⸗ 
raktion“, welche belanntlich auch die Boischafter in London und 
Paris gestellt hat, zum großen Mißvergnügen der diplomatischen 
Zunft. So sind nunmehr die wichtigsten diplomatischen Posten, 
dondon, Paris, St. Petersburg und Wien mit unzünftigen Diplo— 
naten besetzt, nach dem Grundsatze des Fütsten Bismarck, seine 
„Diplomaten zu nehmen, wo er sie finde.“ 
Ausland. 
Paris, 22. Febr. Heute sind aus den 532 Wahlkreisen 
Frankreichs alle Ergebnisse bis auf die vier aus den Coloniten be⸗ 
'annt. Von den 108 Stichwählen, die statt finden werden, dür⸗ 
en die Republikaner laut dem Moniteur mindestens auf die Häfte 
rechnen, das Vechältniß zwischen ihrer Majotität und den Fractio- 
nen der Minorität wird im Gangen dasselbe bleiben: die Repusbit 
vird nach Beendiguug der Stichwahlen von runden 300 bis 310 
Deputirten auftichtig gewoslt und untecstützt werden. Das ist die 
Frucht der eugheczigen Politik Buffet's und des Elhsee, welche de 
Verfassung zuerst nicht zu Stande und dann nicht zu Kräfte kom⸗ 
nen jassen wollte, aber alles that, was dazu gehott, um das Ge⸗ 
zentheil zu bewulen. 
Bien Pubplic bringt folge de Min'sterlsse: Dufaure, Siegel— 
zewahrer und Viceprasident des Consells; Decates, Auswärtiges; 
Leon Sah, Finauzen; Leon Renault, Minsster des Iunern; Wai— 
on, Unterricht; General de Cifscih, Krieag; Admiral Montaignac, 
Marine. Im Falle sich auch Herr de Meaux zurückzieht, würde 
Herr Caillaur den Ackerbau übernehmen und die öffentlichen Ar⸗ 
zeiten Herr Kraußz. 
Paris, 24. Febr. Das „Journal officiel“ meldet: Der 
Jalizmin'ster Dufaure ist vom Marschall Mac Mahon mit der Vice⸗ 
präsidentschaft im Ministerium, an Stelle Buffets beauftragt wor—⸗ 
den und wird interimistisch auch das Miristerium des Inneren 
derwalten. (Dufaure gehoöͤrt zu dem liberalen Theil des Ministe⸗ 
rums.) Der Minister des Ackechaues und des Handels, Vicomte 
de Meaux, welcher ebenfalls seine Entlassung gegeben hat, verbleibt 
provisforisch im Amfe. 
Madrid, 28. Febr. König Alphons hat sich nach San 
Sebastian begeben. Die Carlisten concentriren sich auf Alsasua 
und Zumarraga, nahe bei der Eifenbahn. Don Carlos hält sich 
in der Nahe von Alsasua auf. Ein unter dem Borsitz des 
önigs abgehaltener Kriegsrath hut beschlossen, die nach Alsasua 
geflüchteten Carlisten von allen Seiten anzugreifen. General Primo 
»e Rivera marschirt auf Zumarrago. 
Vermisujt es. 
F Nach der „Pf. V.“ ist der neue Aloͤppel für die Kaiser⸗ 
zlocke auf dem Eisen- und Stahlwerk der Gebr. Gienanth geschmiedet 
vorden und hat ein Gewicht von 1002 Kilogramm. 
F München, 19. Febr. Das Milikärbezirksgericht Mün⸗ 
hen hat heute wieder einen Unteroffizier wegen unglaublich roher 
Mißhandlung seiner Untergebenen mit einer wohlverdienten Strafe 
zelegt. Oderjäger Haas (9. Jägerbataillon in Passau) behandelte 
icht ihm zur „Abrichtung“ übergebene Rektuten ungesähr so, als 
yb er acht Stück Vieh unter den Händen gehabt hätte. Er pumpte 
hnen Geld ab und be,ahlte sie dafür täglich mit Ohrfeigen. Der 
Rekrut Kellermaier allein erhielt voa ihm nlcht weniger als 25 
Maulschellen. Nebenbei hatte der Herr Oberjäger auch die schöne 
Bewoqnheit, seinen Rekruten ins Gesihht zu spuken. Beim theore⸗ 
ischen Unterricht schlug er den Leuten die Dienstesvorschriften so 
ins Gesicht, daß das Buchh in Trümmer ging, nannte sie Auer⸗ 
»chsen u. dergl. mehr. Zuweilen stellie er auch unfläthige Fragen, 
die ihrer Natur nach unmöglich von den Rekruteun beantwortet wer⸗ 
den konntsen. Wegen Nichtbeantwortung einer solchen Frage stellte 
daas u. A. mit dem Rekruten Kellermaier folgedes Verfahren 
an: Kellermaier mußte zehnmal hinter einander sich folgend ermaßen 
selbst beschimpfen: „Ich, der Rekcut Kellermaier, bin ein Rindvieh 
und deßhalb schreie ich Ruh!“ Nachdem der Sktlave diesen Befehl 
gehoccht halte, durfie er noch 10 Minuten in der Siellung der 
„Kniebeuge“ verweilen. Die Rekruten wagten nicht, sich zu be⸗ 
schweren, weil sie noch schlimmere Mißhandlung fürchteten. In 
hdeutiger Verhandlung entschuldigte Haas sein infames Betrazen da⸗ 
nit, daß ein anderer Oberjäger seine Rekruten voch „viel mehr“ 
nißhandelt hätte. Haas wurde zu 2 Jahren 6 Monat Gefängniß 
und zur Degradation verurtheilt. 
F Gemäß Art. 12 des Gesetzes vom 28 Mai 1852, die 
dandräthe betr., hat die Erneuerung der Landralhswahlen im Monat 
März l. J. stattzufinden. Demnach beauftragt das Staatsministe⸗ 
ium des Innern d'e Kreisregierungen, alle ersorderlichen Vor⸗ 
zereitungen deratt zu treffen, daß die Wahl der Landräthe für die 
rächste Wahlper ode rechtzeitig und ungestört vollzogen werden kann. 
Ddas Wahlergebniß ist am Schlusse. des künftigen Monats dem 
Ministerium anzuzeigen. 
München, 22. Febr. Die Gesammtziffer der Bevölke⸗ 
ungszahl des Könngsreichs Bayern nach dem Rasultake der Volks⸗ 
ählung vom 1. Dezember 1875 beträgt 4.970. 000 Seelen (gegen 
1,852,015 im Jahre 1871.) 
F Die Bevörkerung von Elsaß-Lothrirngen hat nach vor⸗ 
äufiger Zusamme nstellung am 1. Decht. v. Is. 1,829,408 Ein- 
vohner gehabt. Am 1. Dechr. 1871 warcau es 1,549 738 ge⸗ 
pesen. was eine Abnahme von 20,330 Aöpfen ergiebt. BDie Be⸗ 
»ore ung non Strabbutg hat un 8602 Ktöehe zu enommen; bei 
Ptetz kommt die Abnahne zum Thell davon her, daß d.r Garnison