St. Ingberler Anzeiger.
— ——
Der St. Iugberter Anzeiger und das (2 mal wvbchentlich mit dem Hauptblatte verbundene Unlerhaltungeblatt. (Sonntags mit illustrirter Bei-
lage)h, erscheint wochentlich viermalz Dieustag, Oonnerstag, Samstag uud Sonutage Der Abonnemertoprois beirägt vierieljährlich
Mart 20 R.⸗Pfg. Auzeigen werden mit 10 Pfg.r von Auswärts mit 15 Pfr. fur die viergespaltene Zeils Blatlschrift. oder deren Raum. Neelamten
mit 30 Pfg. pro Zeile berechnet.
aun
M 55. .. Donnerstag, den 6. April 7—7 1876.
*
7
2321 28
Deutsches Reich.
Aus München, 29. Märtz wird bayerischen Blättern geschrie⸗
ven: Aus der Sitzung des Finanzausschufses der Kammer am 28.
». M. vernimrit man, daß der Abg ordnete v. Schloer als Ref⸗rent
wber die Staasteisenbahnen d'e Verwaltung derselben in allen
Theilen einer sehr einschnreidenden Kritik unterwurf. Schioer's Refe⸗
at wird in- Drink gelegt werden, auf die weiteren desfallsigeü
Ausschußverhandlungen ist man fehr gespannt. —
Mäünchen, 2. April. In dir Sitzung der Akgeordneten⸗
ammer vom 30. Marz ist zwischen dem Minister Pfeufer und dem
Ibgeordneten Oberapp ⸗Urath Schmidt (Zweibrücken) ein Wortkampf
nitftanden. Minister Pfeufer erzahlte eine Aneldote, welche geeiznet
var, auf die politische Selbsiständigkeit und die Intelligenz der
pfalzjer ein ungünstiges Licht zu werfen und die Provinz la cerlich
uu machen, wie denn auch das ganze Haus auf Kosten der Pfalzer
n ein unbändiges Gelachter ausgebrochen ist. Der Abgeordnete
Schmidt erwiderie deim Minister: „Unsere Vauern in der Pfalz
nd gescheidter und gesetzetklundiger als mancher Landkommissar ge⸗
vesen ist,“ und machte dem Herrn Minister überdieß ganz energisch
den Standpunklt klar.
In gieicher Weise hat der Abq. Ph. Schmidt (Ka serslautern)
dem Vinister ganz entschieden Vorwürfe über seine Aeußerungen
zegen die Pfalz ins Gesicht gesagt.
Munchen, 2. April. Ein Artikdel in der liseralen Spelerer
geizung*, die Affäre zwischen Min ster v. Pfeufer und Abgeordneten
berapelirath Schmidt betreffend, hat um des darin gegen letzteren
igeschlagenen herben Tones willen sehr peinlich berührt. Herr
Sqhmidt ist Vorstand des „Pfälzer Klubs,“ erfreut sich der unge⸗
heiltea Achtung nicht alle'n der pfälzischen, sondern auch aller dies
eitigen Abgeordneten uund ist dabei eine dem wahren Liberalismus
o unbedingt⸗ehrlich ergebene Persönlichkeit, daß dessen Abkanzelung,
vie sie in gedachtem überalem Blatte, wohl nur aus ganz schlecht
exstandener Courtoisie für Herrn von Pfeufer versucht wird, jast
mertlarhar ist.
Noqh unbegreiflicher muß aber die gedachte talllose Auslassung
rscheinen, wenn man die begleitenden Umstände des in Frage
tehenden Falles ins Auge faßt, Minister v, Pfeufer führte gegen⸗
iber einer sehr sachlich gehaltenen und mit Zahlen belegten Be⸗
Jauptung des Abgeordneten Freyburger: „daß im diesseitigen Bayern
m Verdältniß zut Pfalz zu viel Beamtenpersonal sei,“ unter An⸗
verm eiwa aus, es lasse sich in der Pfalz leichter regieren, die
gfalzer seien sich ihrer Rechte nicht so bewußt, als die Franken
der Allgäuer; die Pfälzer feien auch nicht so mißtrauisch gegenlüber
kntscheidungen der Aufsichtsbehörden. Diesen Aeußerungen, welche
nindestens kin sehr zwe felhaftes Lob der Pfalz in sich schließen,
ügte der Minister eine Anikdote an ungefähr folgenden Inhalts:
„Als ich noch Aktuar in der Pfalz war, theilte mir mein Land⸗
omm ssär alle wichtigen Entscheidungen, die er traf, mit. Eines
Tages sand ich nun, daß er eine sehr schdne Entscheidung getroffen
jatle, aber auf Grund von französischen Gesetzen, die in der Pfalz
jar nicht publizirt, demnach auch ungiltig waren. Ich machte mein
dedenken gelterd und bekam die Antwort: Das macht bei uns in
zer Pfalz gar Nichts; schreilen Sie nur hin Thermidor oder Messi⸗
zor, so ist die Sache gut.“
Diese Aeußerung wurde leider von beiden Seiten des Hauses
nit flücmischer He'serleit begrüßt. Wir sind nicht gemeint, die
Sache ernstet zu fassen, als sie es verdient, da der Minister, wie
vir annehmen, nur einen Witz machen wollte. Allein schlechte
Witze vom Tkinistertische — Das darf man nicht vergessen — sind
ind bleiben schlechte Witze, wenn sie eine ganze Prodinz lächerlich
nachen. Die Pfalz hat zwar noch nie einer besonders rüchichts⸗
oslen Behandlung seitens der spezffisch bayerischen Kreise sich zu
trfreuen gehabt; auch waren gewisse Persoönlickeiten der früheten
Abgeordneten wenig geeignet, eine achtunggebietendere Stellung der
Rälzischen Deputation zu inauguriren.
Zielleicht eünnert sich noch Mancher jenes geflügelten Wortes
uz den 50er Jahren: „Die Franken marschiren, die Pfälzer kom—
nandirt man“. — An solche Dinge sollte aber die Pfalz und vor⸗
üglich deren liberale Presse dei Beurtheilung des Falles Schmidt⸗
Zzfeufer denken; es klann nur lobenswerth erscheinen, wenn die leider
ur zu häufig wiederkehrenden Wetzeleien und Spötteleten über die
unpraktischen vnd Richts fertig bringenden Pfälzer“ inskünftig
darf zurücgewiesen werden, noöͤthigenfalls auch in der kräftigen
zorm, wie fie Abg. Schmitt gebrauchte. Man kann über die
Form: „Wunsch eines letzten Schliffs“ verschiedener Meinung sein;
llein um der Form willen die Sacht zu tadeln, Das sollten die
Bfälzer Andern überlassen. Derartiger Tadel aus der Provinz
elbsi zeuugt von dem hier zu Lande so oft behaupteten Mangel
eglichen Selbstgefühls im pfälzischen Volksstamme.
Leute, die „immer ministeriell“? sein wollen, ioͤnnen wir nur
nufrichtig dedauern. Den fränkischen Abgeordneten würde kein Vii⸗
nister solche saulen Witze zu bieten wagen; fie und ihre gesammte
iberale Presse haben es ober auch schon lange verstanden, auf gro⸗
sen Kloß 'nen groben Keil zu sezen. J
Bexhin, 4. April. In der Monsagk⸗Sißung des Abgeord⸗
enhauses wurde die Einverleibung des Herzoglhums Lauenburg in
zie preußische Monarchie vom 1. Juli 1876 ab beschlossen. Lauen⸗
vurg wird in Bezug auf staatliche Verwaltung vorläufig der Pro⸗
inz Schleswig-Holstein zugetheilt und führt den Namen „Kreis
herzogthum Lauenburg“.
Berlin, 4. April. Die Verhandlungen des Justizausschufseß
»es Bund braths über die Reichsjustizgesetze resp. über die bezüg⸗
ichen Beschlüsse der Reichsjustizkommission haben gestern begonnen.
Die südstaatlichen Justizminister sind zu diesen Verhandlungen hiec
ingetroffen.
Der Kaiser beabsichtigt von Wiesbaden aus dem durch den
Zergrutsch schwer heinmgesuchten Städtchen Caub einen Besuch
ibzustatten.
ANusland.
Eine Verlegenheit füe die französische Regierung ist die noch
mmer große Anzahl karlistischer Flüchlinge. Die meisten wollen
on der Amnestie keinen Gebrauch machen, vielmehr auf Kosten der
ranzoͤfischen Regierung verbleiben, wo sie sind. Da die spanische
sKteg'erung sich nur zum Ersatz der ersten Verpflegungskosten“ ver⸗
flichtete, so glaubt Frankreich die Humanität mit dem Niüttzlichen
u vereinbaren, indem sie jene Carlisten nach Algerien schaffen will,
vo Genetal Chanzy in der Provinz Constantine Ländereien jfür sie
in Bereitschaft haält.
Petersburg, 2. April. Dem „Staatsanjeiger“ zufolge
jeht der Kaiser Alexander Ende April über Berlin (wo er zwei
Tage verweilen wird) aach Ems und dann nach Jugenheim und
ehrt zu den Lagerübungen in Krasnoje Selo hierher zutuck. Im
Sommer besucht der Kaiser Helsiugfors und hält dann im August
n Warschau und einigen ande en Orten Truppenrevuen ab.
darnach gehen der Kaiser und die Kaiserin nach Livadia, von wo
ieselben im Spätherbst nach Petersburg zurückkehren. (Hiermit
erfallen alle Gerüchte, daß der Kaiser zur Stärkung seiner Ge⸗
undkheit e nen halbjahrigen Aufenthalt im Ausland ꝛc xc. in Nichts.)
Im Laufe des Sommers werden Besuche erwartet von dem Kaiser
»on Brasilien, dem König von Dänemark ꝛc.
Rom, 4. April. Feldmarschall Graf Moltke ist h'er ein⸗
getroffen.
Ueber die Abberufung des Herrn Brentano als amerikanischer
donsul in Dresden schreibt dir „Illinois Staats Zeitung“: Herrn
Zreutano's Amttsührung ist an seiner Abberufung nicht schuld,
enn er war ein vortrefflicher Beamter und unter Amerikanern und
Drutschen in Dretden gleich deliedt. Vielleicht falli er Herrn Fish's
bgeschmadter Theotie zum Opfer, daß kein Deussch⸗Amertikaner in
Deutschland eine konsularische Stelluug einehmen soll; — vielleicht
rat auch Grant Kunde davon erhalten, daß fein ihm allein Ergeben⸗
zeit schuldiger Knecht in Deutschland in Freund Waihbucne's und
zefütworter von dessen Kindidatur für d'ie Praäde hrftedn. Wir