Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
Der St. Ingberter Anzeiger und das (2 mal wöchentlich) mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt, (Sonntags mit illustrirter Sei- 
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464. Sonntag, den 28. Apri * 1876. 
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Deutsches Reich. 
München, 20. April. Die zweite Astheilung der Abge— 
ordnetenlammer nahm den Antrag des Referenten an, die Wahlen 
des Wahlkreises Munchen J wegen Verletzung des Artikels 11 des 
Wahlgesetzes zu kassiren. 
Ydünchen, 20. April. Die Staatsministerien des Aeußern 
und der Finanzen haben dem Präsidium der Abgeordnetenlammer 
einen Gesetzentwurf „die pfaͤlzischen Eisenbahnen beir.“ nebst um⸗ 
assenden Motiven vorgelegt. Durch dieses Gesetz soll die Staats⸗ 
egierung ermächtigt werden, die in Art. 1. des Gesetzes vom 28. 
April 1872 eingeräumte Gewäbrleistung eines jährlichen Zinser⸗ 
rages b's 413 pCt. für das auf den Maximalbetrag von 83,600, 000 
1. festgesetzte Baue und Einrichtungskapital zur Herstellung einer 
xisenbahn von Bergzabern zum Anschlufse an die Bahn von 
dandau nach Zweibrücken auf den Mox malbetrag von 8,915,000 
Mark ouszudehnen; ferner für den Fall der Herstellung einer 
Fisenbahn von Zweibrücken über Hornbach nach Bitsch und einer 
Bahn von Ka'serslaufern nach Lauterecken mit einer Abzweigung 
nach Otterberg, einen jährlichen Zinsertrag von 443 pCt. in ma 
ũmo zu gewäaͤhrleisten. 
München. Das Ministerium des Innern hat von der 
oberpfälzischen Handels- und Gewerbekammer die Mittheilung von 
Fälschung französischer und elsässer Mihle mit Schwerspath erhalten, 
die besonders in Alibayern massenhaft zum Verkauf kemmen. Der 
Minister hat deßhald die Regierungen beauftragt, die Distriltz- und 
Orts polizeibehörden anzuweisen, im Einvernehmen mit den Bezirks⸗ 
hierärzten technische Prüfungen vornehmen zu lassen und etwaige 
Wahrnehmungen zur Anzeiçe zu bringen. 
Berlin, 20. April. Der „Rordd. Allg. Zig.“ wird aus 
Wien gemeldet: Alle Befürchtungen in Betreff ernster Gefährdung 
des Friedens im Orient sind, wie aus zuverlässigster Quelle ver⸗ 
ichert werden kann, vollig unbegründei. 
Der „Koöln. Zig“ wird aus Berlin telegraphirt: „Was 
roll geschehen, wenn die Aufständischen in der Türkei die Waffen 
aicht niederlegen? Mit diefer Frage soll sich Graf Andrassy h'eher 
zewandt vaben, deutschersei:s aber die Antwort erthellt sein, O ster⸗ 
reich und Rußland möchten sich wie bisher zurächst untereinander 
birgleichen. Diese Nachrccht — fügt der Gewährsmann des Lthei⸗ 
nischen Blattes hinzu — ist zwar nicht verbürgt, stimmt aber ganz 
mit der disherigen Haltung Deutschlands.“ 
Bei jedem Besuche der Königin von England in Deuischland. 
welche üdrigens gestern ihre Rückreise in ihr Heimathland angetre⸗ 
ien, fällt es auf, daß dieseltle den Besuch in Berlin vermeidet. 
Die Koönigin hat ihre To ter, die deutsche Kronprinzessin, noch 
nicht in ihrer neuen H'imath aufgefucht, sondern während der 18 
Jahre, die dieselbe in Deutschland verlett hat, stets nur ihre Be⸗ 
juche empfangen, sei es in England, sei es auf deutschem Boden 
— doch fern von Beilin. Diese Abneigung der Konigin gegen 
Berlin soll ihten Grund in einem Vorfall haben, der bei einem 
Besuch der Königin Victoria vor vielen Jahren am Hofe des 
Königs Friedrich Wuhelm 1V. stattgefunden hat. Der Gemahl 
der Königin war damals noch einfach Prinz Albert und wurde von 
der Berliner Ceremonie bei Tafel als ein solcher plazitt, nicht als 
Bemahl der königlichen Gastin. Die Folge davon war die offiz'elle 
Finennung Prinz Albert's zum „Prinz-Gemahl“, aber auch den 
Verlirer Hof hat die gekränkte Kösigin nicht wieder besucht. So 
oft auch in den letzten Jahren das Gerücht auftauchte, die Köni- 
gin werde nach Berlin kommen, bewahrheitet hat es sich aie, und 
auch in diesem Jahre sird Kaiser Wilhelm und der Kronprinz be⸗ 
kanntlich nach Koburg, der Heimath ihres verstordenen Gemahls, 
gereist, um dort die Königin Victoria zu begrüßen. Die Gesund- 
heitsverhältnisse unseres greisen Monarchen schienen noch in den 
seßten Tagen die Reise nidt gestalten zu wouen, aber von dem 
Kesuche der Koͤnigin in Berlin, war troßdem nicht die Rede. 
Wie die „Prov.⸗Korr. schreibt, gedenlt der Kaiser von 
Wiesbaden aus, auch der Stiadt Caub einen Besuch abzustatten, 
wum sich über die in Folge des dort jüngst statigehablen Bergsturzes 
etforderlichen Maßregeln an Ort und Stelle zu unterrichten und 
weiteren Vortrag halten zu lassen. Der Aufenthalt in Wiesbaden 
vird sich bis in das erste Drittel des Monais Mai erstrecken. 
Aus dem Koͤnigreich Sachsen meldet man, daß die Socialisten⸗ 
führer sich jegt daselbst sammein und ihren Plan darauf gerichtet 
haben, die ländlichen Arbeiter für ihre Parieizwede zu gewinnen. 
Aussand. 
Wien, 20. April. Lieutenant Frhr. v. Ertel ist vom Kriegs⸗ 
gericht wegen Verbrechens der Ausshähung und wegen Vergehens 
reichtsinnigen Schuldenmachens zur Cassation, zum Adelsverlust und 
ehnjährigem Kerler verurth ilt worden. (A. 3.) 
Madrid, 19. April. Der Prinz von Wales wird —XV 
Montag hier erwartet und sich acht Tage hier aufhalten. Ihm zu 
vͤhren werden Feste, Bälle und Stiergefechte veranstaitet. (T. N.) 
Don Carlos ist seit vier Tagen mit seinem Vater und dem 
Beneral Velasco von London verschwunden. Selbst diel Carlisten 
wissen nicht, wo er sich aufhält; Don Carlos hat bei der Ab- 
reise nur gesagt, er gehe nach Norwegen. 
New-York, 19. April. Dem hiesigen Consulate der Re⸗ 
publik Hahti ist aus Kingston die telegraphische Meldung zugegangen, 
daß die Partei der Aufständischen auf Hahti den Sieg davontrug 
und den Präsidenten, den Vicepräsidenten und den commandirenden 
General erschießen ließ. 
Bermischtes. 
* Wie die „Pfälz. Post“ aus Kaiserzlautern vom 19. 
April mittheilt', so war in der dortigen Kreis: Baugewerschule im 
»ergangenen Schuljahre der erste Quts der Anstalt von 831, der 
weite von 30 Zögliagen besucht. Mit Beçinn des neuen Schu⸗ 
ahres tritt ein druter Kurs ins Leben. Das Lehrerpecsonal ift 
nun complett geworden. Die Schule, welche nur im Winler unter 
ichtet und Zoͤglinge nach zurucgelegtem fünfzehnten Lebensjahre 
nufnimmt hat die Bestimmung, junge Leute aus dem Baugewerks⸗ 
tande oder solche, die sich ihm widmen wollen, also zunächst Mau— 
er, Sieinhauer, Zimmerleute, Schlosser, Tüncher, (Zimmermaler), 
Tischler, Dach⸗ und Schieferdecer ꝛc. ꝛc. in den ihnen noͤthigen 
Denntnissen und Fertigkeiten zu unterrichten, die sie sich auf dem 
Bauplaze und in der Werkstätte nur mangelhaft aneignen ldunen, 
und durch welche sie die Faähigkeit erhalten als Vorarbeiter, Werk⸗ 
jührer, Palirer und Meister allen an fie gestelllen Anforderungen 
in Leben genügen zu können. 
Landau, 20. April. An unserem heutigen Weinmarkte, 
vobei ca. 1000 Fuder verschiedener Pfälzer Weine zum Angebot 
zelangten, hat si y ein lebhafter Handel nicht entwideit. 
Der schlechte Stand der Reben hätte allerdings das Gegen⸗ 
heil erwartes lassen fallen, die allgemeine Geschäfisflaueit macht 
ich aber auch im Weinhandel geltend und lähmt jede Spelulations- 
lust. Es wurden im Ganzen nur 83 Fuder als verkaust ange⸗ 
neldet. Nimmt man nun noch an, daß wie gewoöhnlich eine Au⸗ 
sahl von Verkäufen nicht zu Protokoll gegeben wurde, so bleibt 
)as verkaufte Quantum immerhin ein unbedeutendes. Unsere 
875er vom oberen Gebirg bedangen 175 bis 240 Mart pro 
1000 Liter. Das Geschäft fand fast ausschlieflich in diesen statt. 
Für schönen 1874er vom oberen Gebirg wurden 350 bis 380 
Mark verlangt. — Wir zweifeln übrigens nicht, daß der heutige 
Markt zu manchen nachfolgenden Geschäften Veranlassung gibt, 
wie dies bei früheren Maͤrkten stets der Fall war. (Eilb.) 
Selbstmord. Hof, 17,. April. Am vergangenen Sonn⸗ 
abend Vormittag ist in einem Waldchen bei Doͤberlitz der Director 
)er mechanischen Weberei, Ottmar Weidner, todt aufgefunden worden. 
Derselbe hatte sich am Charfreitag aus seiner Wohnung entfernt 
und mittelst Strychnin den Tod gegeben. Ein silberner Löffel, mit 
velchem er das Gift einnahm, sowie ein geladener sechs äufiger 
Revolver lagen neben ihm. Die Beweggründe zut That sollen