Full text: St. Ingberter Anzeiger

dieser Weißg Ung darauf, daß selbst die Signatarmächte des Pariser 
Vertrages ur das Recht hätten, ein Kriegsschiff am goldnen Horn 
als Siavnsschiff zu halten. 
D junge Bulgarin, welche die Veranlasseng zum Konsul— 
mordeim Salonichi war, ist, wie aus Athen berichtet wird, ihrer 
Mutte zurückgegeben worden. 
In der französischen Kammer wurde ein von 132 Deputirten 
untrzeichneter Gesetzvorschlag vertheilt, welcher die auf die Dauer 
de Dienstpflichtigkeit sowie auf die E nijährig⸗Freiwilligen bezüglichen 
Dorschriften des Gesetzes vom 27. Juli 1878 aufheben und durch 
olgende Best mmungen ersetzen will: „Jeder zum Militärdienste 
taugliche Franzose dient drei Jahre in der altiben Armee, sech? 
Jahre in der Reserve der altiven Armee, fünf Jahre in der 
Territorialarmee und sechs Jahre in der Reserve der Territorial⸗ 
armee. Nach dem ersten und zweiten Dienstjahre in der aktiven 
Armee kann den jungen Leuten, die eine hinlaͤnglische militärische 
Erziehung darthun, nachdem sie von einer Kommission, die aus 
einem Brigadegeneral, einem Oberstlieutenant, einem Major, zwei 
Dauptleuten und zwei Lieutenants besteht, geprüft worden, der Uebertritt 
in die Reserbe der aktwen Armee geftatiet werden. Die „Liberte“ 
will wissen, daß der Kriegsminisier diese Antraͤge aufs äußerste 
bekampfen wird. 
Die in großer Anzabl nach dem Bosporus beorderten 
Hriegsschiffe fast oller europäischen Nationen ankern in der Besilka⸗ 
Bai an der asiatischen Küste, außerhalh der Dardanellen. Nur die 
dleineren Fahrzeuge, denen der betannte Pariser Vertrag nach Fin⸗ 
holung der Erlaudniß bei der Pforte die Durchfahrt geslattet, liegen 
im Bosporus selbst. Dieselben halten ihre Route stets bereit, um 
im Falle eines gefahrdrohenden Aufstandes ihren Landsleuten in 
Konstantinopel zu Hilfe zu eilen. In einem solchen Falle soll von 
der Flaggenstange der russijschen Botschaft das Sigual gegeben 
werden. Die Befürchtungen nehmen indessen tagtäglich ab, da die 
Ruhe in der Stadt seit dem Aufzuge der Softas und einigen 
kleineren Ausschreitungen nicht weiter gestört wurde. Wenn die 
deutschen Landsleute sich trotzdem fehr auf das Erscheinen der deut⸗ 
schen Panzerflotte freuen, so ist dies nur allzuertlärlich. Bisher 
haben immer nur einzelne deutsche Schiffe, meist auf der Reise 
durch den Suezkanal nach Osst-Asien jenen Theil des mittelläudischen 
Meeres berührt; das Erscheinen so ziemlich unserer gesammten Flotte 
mit Ausnahme der in der bekannten Sendung in den chinesischen 
Gewäfsfern zurückgehaltenen vier Korbellen und eines Kanonenbvote 
wird die Achtung vor dem deutschen Namen gewiß nicht unwesentlid 
vermehren. Die Muselmänner in Konstantinopei versichern, daß 
den Europäern troz aller Waffenkäufe unter den niederen Klassen 
keinerlei Gefahr drohe. Die Softas, welche den Regierungswechsel 
beranlaßten, verkörpern das altreligioͤse Element, welches vor einigen 
Jahren so erfolgreich der Thronsolgeänderung widerstrebte. In 
politischen Dingen aber scheinen sie mit dem energischen Hussein 
Avni Pascha und dem Vertreter des Jungtürkenihums Midha! 
Pascha zu gehen. 
London, 23. Mai. Der „Daily⸗-Telegraph“ meldet, der 
Sultan werde bald gezwungen sein, abzudanken. Die Regierungen 
hatten dies aus Konstantinopel erfahre. Die Answori —A 
auf die Berliner Propositionen erklärt kategorisch: der Puutt der 
Proposition, in welchem die Maͤchte erklären, daß sie nach frucht⸗ 
Josem Waffenstillstand wirksamere Maßregeln ergreifen würden, ent— 
halte das Prinzip bewaffneter Jaterdention, sowie die Bedrohung 
der Unabhängigkeit der Türkei, wozu Engiand nicht zustimmen 
koönne. Die „Times“ sagt in ihrem Leitartikel, die Zeit wag bald 
kowmen, wo England in der orientalischen Frage unmöglich indiffe⸗ 
rent bleiben kann. Das Endziel der englischen Politik bleibt die 
Verhinderung einer Absorption der Türkei durch irgend elche euro⸗ 
paͤische Macht. 
London, 23. Mai. „Standard“ zufolge erhielt das Ka⸗ 
nalgeschwader, welches nach Madeita gehen sollte, Contreor dre, um 
erforderlichen Falls zum Mittelmeergesaͤwader zu stoßen. 
PVermisuhtes. 
fKreuznach, 19. Mai. Interessante Erbschaftsgeschichte. 
Ein Bäuerlein hatte mit seiner Frau einen Ehekontrakt abgeschlossen, 
wonach bei Adleben des einen Theils die betreffenden Verwandien 
Erben der Hälfte des gemeinschaftlichen Vermoöͤgens sein sollten. 
Plößzlich verstarb nun die Frau und — was die Betrübniß des 
überlebenden Chemannes noch erhöhte — ohne ein Testament zu 
hinterlassen, weiches die unbequeme Kontraktklausel ausheben vnd 
ihm das Gesammtvermögen erbolten sollte. Aber der Mann wußte 
sich Rath. Er legte die Todle auf die Seile und lud eine gefällige 
Nachbarin ein, sich in das Bett derselben zu stecken, um die Role 
der Sterbenskranken vor einem Notar zu spielen, den er gegen 
Abend holte, und welchem die Nachborin dann ein Testament voͤllig 
zu Gunsten des bettübten Wittwers in die Feder diktirte. Die 
A— — nicht der Notat am fol. 
genden Tage den Irzt, welcher, die Kranle behandelte, getroffer 
hätte. Die Besden begannen eine Unterhaltung über den Todes 
fall und als der Notar sagte, die Frau sei am Morgen des Tages 
zuvor gestorben, behauptete der Arzt, daß sie schon am Nachmittag 
einen Tag früher todtgewesen sti. Nachdem sich die beiden Män— 
ner eine Zeit lang gestritten, ging ihnen endlich ein Lecht auf und 
unser Bäuerlein wanderte dafür in den Schatten. 
F In Fiankfurt sind die dis jetzt eingelaufenen Anmel- 
dungen für die Ausstellung des 3. deuischen Brauertages in so er— 
freulicher Weise eingegangen, daß felbige zu den schöusten Hoff— 
nungen berechtigt. Fast alle Plätze der massivea Halle, welche im 
Banzen ca. 2000 Ouadratmeter Ausstellungsfläche enthält, sind 
bereits vergeben. 
F., Man meldet aus Zeitz 16. Mar: In Teuchern bei Zei 
perunglüdte vor einigen Tagen der Fleischermeister Dorstewitz beim 
—ADVV zum Schlager 
desselben sich mit dem Schläger, wiee die „Hall. Zig.“ tonstatirt, 
aus Versehen an den eigenen Kopf so traf, daß er, sofort leblo⸗ 
hinfiel. 
f Am 19. d. Mis. brannken in der Gemeinde Drahanoviß 
(Bez. Olmütz) 38 Bauern- und Kleinhöuser saunmt allen Wirth 
schaftsgebäuden und Scheunen, sowie auch Kirche und Schule total ab 
F Bremen, 22. Mai. Die Bremer Wollwäscherei in Vurg⸗ 
lesum ist in der letzten Nacht niedergebrannt. Es wurde nur ein 
kleiner Theil von den Vorkäthen ungewaschener Wolle geborgen. 
Der Schaden wird auf 193 Millionen M. geschätzt. 
Berlin, 17. Mai. Mit dem Personenzuge, der gestern 
Vormittag von hier nach Hamburg abging, wurden üder 200 Aus. 
wanderer aus Böhmen besördert, welche sich nach Brafilien ein— 
schiffen wollen. Die Auswanderung der Boͤhmen nach Brasilien 
nimmt täglich zu und zählt für dieses Jahr schon nach Tausenden, 
krotz der traurigen Erfahrungen, welche preußische Rücwanderen 
uus Brafilien dort gemacht haben. 
7 GGegen Arnim.) In deutschen Blättern l'eßt man fol⸗ 
genden Steckbrief: 
Der kaiserlich deutsche Botschafter z. D., wirkliche Gebeime 
Rath, Dr. jur. Graf Harrh v Arnim, am 83. Ollober 1824 zu 
Moißelsitz geboren, ist wegen vorsätzlicher Beiseiteschaffung amtlich 
anvertrauter Utkunden zu neun Mongaten Gefängniß, davon ein 
Monat der erlittenen Untersuchungshaft anzurechnen, rechtskräftig 
beturthe lt. Diese Strafe hat bisher nicht vollstreckt werden konnen. 
Es wird ergebenst ersucht, auf den Grasen Harry v. Arnim zu vi⸗ 
ziliten, ihn im Benelungsfalle festzunehmen und mit allen bei 
ihm sich vorfindenden Gegenständen und Geldern mittelft Tcans- 
ports an die kaul. Direktion des Strafgefängnisses am Ploͤtzense 
abzuliesern. Es wird die ungesäumte Erstattung der dadurch ent⸗ 
standenen bearen Aus!ageu und den verehrl. Behörden des Aus 
landes eine gleiche Rechtswillfährigkeit versichert. 
Berlen, 16. Mai 1876. — dongl. Stadigericht, Abtheilung für 
Untersuchungssachen. Deputation VII für Vecgehen. 
fReichs-Oberhandelsgericht. Die Prolongat on eines Kon⸗ 
sortiums behufs Begründung und Finanzitrung einer Attiengesell⸗ 
ichaft kann nur durch Zustimmung sämmilicher Konsortialmitglieder 
erfolgen. Erklärt sich ein Mitglied nicht einverstanden, und fordert 
es die Ausfolgung der auf seinen Theil entfallenden Aktien,so 
wird damit des Konsortium übenhupt auf elost; laßt sich dagegen 
das entgegenstimmende Mitglied von den übrigen Konsortialen in 
anderer Weise abfiaden, und trit an seine Stelle in Hohe seiner 
Betheiligung ein anderer Konsortiale, so stedt der Prolongation 
nichts im Wege. 
f Es circuliren Nachb ldungen von Th ilerstücken mit preußi⸗ 
schem Gepräge mit der Jahreszahl 1860, 1864 und insbefondere 
1867. Die Falsifikate sind aus Rompositions-Metall heirgestellt 
und an dem unsa beren Guß leicht erkenabar. Von den echten 
Thalerstücken unterscheiden sich die nachge hmten, daß sich auf ihrem 
Rande keine Arabesken und keine Insqrift befindet. 
F Wie sich die Ze'ten geändert. Im Jahre 1026 erhielt 
eine Hofdame der Kaiscrin läalich, wenn sie mit ihrer Gedieterin 
auf der Reise war, eine Maß Meth 1u Maß Wein, 5 Maß 
Bier, eine Semmel, e'n Tierbrod und eir Metze Futter für ihren 
Zelter. Jährlich 12 Röcklein und 8 Schleier; mußte auch 3 Tage 
porher von der deftimmten Reise unterrichtet werden, um ihre 
Kleider waschen und ausbessern zu koͤnnen. Sie mußie spinnen, 
lochen, flickn und Märlein erzählen und einen Zellet besteigen 
können. Die Kaiser n Gisela verurtheilte eine Hofdame zu dreißig 
Streichen mit Bitkenruthen im Beisein des ganzen weiblichen Hof · 
staates, weil dteselbe in einer vollen Woche nichts gesponnen und 
einen Ritter in der Dämmerung auf ihrem Zimmer gesprochen 
hatte. Im Jahre 1131 kamen dänische Gesandte zu Kaiser Rudolf, 
dieser ließ die Kaiserin Rchenza, seine Gemahlin', durch den Hofs 
narren Zneinen Edlen von Sellbutg — rufen. Die Kai— 
etin entschuldigte sich, nicht abko umen zu können, indem sie keine 
Zeit hatte; sie missse nämiich ihrem Herrn Eierkuchen backen. Im 
Jahte 1125 war die Bibliolhel des Klosters Hirschan die berühm⸗