Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
nurr 
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43 95. Samstag, den 17. Ju ni 3 1876. 
Deutsches Reich. 
Mäünchen, 13. Juni. Auf Befehl des Königs wurden für 
»en Fürsten Bismarck vier Equ'pagen und sechs Hofpferde nach 
rissingen gesandt. 
Kissingen, 15. Juni. Fürst Bismarck ist gestern Abend 
I/ Uhr dhier eingetroffen. 
Schweinfurt, 12. Juni. D'e von der Wanderversamm⸗ 
nung bayerischer Landwirthe mit geoßer Mehrheit angenommene 
Kesolution (beantragt durch den der liberalen AXchtung angehörigen 
torreferenten Herrn Fr. Pabst) lautet: „Die 18. Wanderver⸗ 
sammlung bayerischer Landwirthe in Schweinfurt hält es im Jute⸗ 
resse der Landwirthschaft sür geboten, daß die landwirihschaftliche 
toörperschaften und Vertretungen, insbesondere de Wanderversamm- 
ung baherijcher Landwirthe wie das Generalkomité des landwirth⸗ 
chaftlichen Bereins in Bayern, die auf die Lindwirthschaft sich 
»eziehenden Gesetze und volkew'erthschaftlichen Ftagen mehr als 
zisher zum Gegenstande ihrer Berathungen machen, um dadurch 
zrößere Klarheit und Einigung über die berechtigten Forderungen 
»er Landwirthschaft herbeizuführen, wobei zunächst auf Steuer⸗, 
Tax⸗ und Stempel, Hypotheken⸗, Altier⸗ und Gewerbe-, Zoll⸗. 
Verkehes⸗, Arrondirungs; und Erpropriations-Gesetzzgebung Rücksicht 
u nehmen ist. Hierbei muß jeder einseitige Standpunkt der Land— 
virthshaft den aneren Berufsklassen gegenüber vermieden werden, 
m Gegentheil sind die Interessen aller Staatsbürger in möglichst 
zedeihlichen Einklang zu bringen, und darf die Vertretung land— 
wirthschaftlicher Interesser keinerlei polit schen Parteizwecken dienen. 
5s vermag deßhalb die Wanderbersammlung nicht den Zelen und 
zwecken der sog. Agrarparte', als den wahren Interessen der Land 
wirthschaft keineswegs förderlich, sich anzuschließen. In dieser 
Horaussetzung bieten die politische Presse wie die landwirthschaft- 
ihhen Fachblätter hinreichende Gelegenheit, die Interessen der Lind⸗ 
nitthich ift nach jeder Richtung hin zur Besprehung und Erörterung 
u bringen; es erachtel daher die Wanderversammlung die Gründung 
nes eigenen wirthschaftlich politischen Preßorgans für nicht geboten. 
dach diesen Erwäzungen veschließt die Wand rversammlung, diese 
gefaßte Resolution dem Generalkomite des landwirtbhschaftlichen 
Vereins zur Kenntnißnahme mitzuthe len und den eigenen späleren 
nersammlungen zue Richtschnur dienen zu lassen.“ 
Berlin, 14. Jani. Fürst Bismarck wird naqh Kissingen 
on seiner Gemahlin und Tochter, sowie seinem Sohne, Graf Her— 
vert bezleitet. Letzterer ist auedrücklich von seiner Thätigkeit als 
Uttache bei der Gesandschaft zu Bern beurlaubt worden, um seinen 
Bater auch als diplomatischer Hilfsarbeiter zu unterstützen. 
Berlin, 14. Juni. Am heutigen Tage sind zehn Jahre 
erflossen, seit jener denkwürdigen Sitzung des alten Bundestages, 
n welher auf Antrag Oesterteichs die Mobilmachang des Bundes 
legen Preußen mit 9 gegen 6 Stimmen beschlossen wurde. In 
eclelben Sttzung erklärte der preußische Gesandte von Savigny, 
atz Preußen durch den gefaßten Beschluß den bisherigen Bundes 
nertrag für gebtochen und nicht mehr für bindlich ansere und den— 
elbea als erloschen behandeln werde. Nachdem der preuß sche Ge— 
andie fecner einen Entwurf einer Neugestaltung des Bandes mit 
lusschluß Oesterreicht vorgelegt hatte, der mit dem nach dem all—⸗ 
emeinen gleichen und drekten Wahltecht zu berufenden Patlamente 
u vereinbarcen sei, verließ er den Saal der Bundes-Versammlung, 
un denselben nicht mehr zu betreten. Dir Ereignisse, die fich an 
niese denkwürdige Sißung reihten, der Krieg Preußens gegen 
Hiterreich uad die deutschen Bundesgenossen desselben, die Anner onen 
u Haunover, Nassau, Hessen, Frantfurt a. M., de Swröͤpfang 
3 Norddeutschen Bundes, die Berufung des Zollparlamenis in 
veilerer Ertwicklung, der Krieg gegen Frankreich, die Errichtung 
Deutschet Richs leben im frischen Gedaͤchtniß der Zeitgenossen. 
de daulbare Erinnerung au den Jahrestag des 14. Jun1866, 
velhe dem preußischen Staate die große Mission. zuwies, fortan 
ne Führung der deuischen Siämme zu überneh nen und den Traum 
ꝛeutscher Einheit endlich zu einer Realität zu machen, läßt uns in— 
deß nicht vergessen, daß der Staatslenker und die Völker Deuisch-⸗ 
lands nicht müde sein dürfen, nach endlicher Erfüllung jener leuch⸗ 
enden Ziele rastlos zu streben, welche Kaiser Wilhelm in seiner 
ersten kaisetrlichen Proklamation als die Grundbedingungen des neu 
u errichtenden Thrones hiustellite: Frieden, Freiheit und materielle 
Wo Afahrt der Nation. GN. Berl. Tagebl.) ⸗ 
Mit überraschender Schnelligkeit geht die Eisenbahnfrage im 
deutschen Reiche ihrer thatsächlichen Lösung entgegen. Wenn eß 
wahr ist, daß die Uebernahme der preußischen Staatsbabnen auf 
das Reich nicht mehr in der nächsten Reichstagssession verhaudelt 
werden soll, so dürfte dem neuen Reichstag die Eisenbahnaängele⸗ 
zenheit sehr dald in einer sehr vereinfachten Gestaltung entgegen⸗ 
reten. Alle größeren Staaten suchen sich in den Besitzz der in 
hrem Bereiche liegenden Eisenbahnnetze zu sezen. 
Berlin, 14. Juni. Bezüzlich der Kriegssteuern und außer⸗ 
zewöhnlichen Lasten, welche den auf Cuba ansässigen und etablirten 
Deutschen auferlegt wordean sind, theilt der Reichsanzeiger“ mit, 
daß die deuische Regierung zum Zwede der Vefreiung der Deut 
ichen von den gedachten Abgaben Verhandlungen mit Spanien an⸗ 
jeknüpft habe. Die Auslegung der bezüglichen Vertragsbestimmun⸗ 
zen jei allerdings bestritten, auch seien der Auerkennung der von 
deutscher Seite aus diesen Best'mmungen abgeleiteten Ansprüche eine 
Reihe von Schwierigkeiten, sowee über haupt die ganze dortige poli⸗ 
tische Lage hindernd entgegengetreten. Nunmehr hätten aber die 
diesseitigen Bemühungen den Erfolg herbeigeführt, daß der Ge— 
peralgouverneur von Cuba auf Grund von Madrid aus erlassenen 
Befehles die executorische Be treibung von Kriegsabgaben tesp. 
Zwangsverkäufe gegen dort ansässige Deutsche einstweilen und 
dis zur Verständigung unter den beiderseitigen Regierungen aus⸗ 
jetzen ließ. 
Berhin, 14. Juni. In einem Artikel über die Reise des 
daisers nach Ems und die vorausgegangenen Phasen der orientali⸗ 
chen Frage äußert sich die „Provinzial-Cotrespendenz“ folgender⸗ 
naßen: Dem Ernste und der Macht des Friedensgedankens in dem 
Bunde der drei Kaiser ist es vor Allem zuzuschreiben, daß auch 
dei der unerwartet veränderten Lage in kurzer Zeit eine Verständi— 
zung über die wenere Haltung der Ptächte und damit eine neue 
Stärkuag der Friedenshoffnungen erreicht werden konnte, sonach 
auch in diesen Falle die Spekuration auf Differenzen zwischen den 
leitenden Mähten vereitelt wurde. Zwischen den Berliner Berath⸗ 
ungen und Zer Emser Kaiserbegegnung liegt ein bedeutsamer Mo⸗ 
nent der ZItzesvichte, aber wirderum dat sich in entscheidender 
Stunde die Gho hherzige Gesianung bewäort, in velcher Kaiser 
Alex inder mit Kaiser Wilhelm so vollkommen eins ist. 
Ems, 14. Juni. Koiser Wilhelm ist heute Vormittag 10 
Uhr hier eingetroffen und vom Kaiser von Rußland herzlich be⸗ 
zrüßt worden. — Es heißt, Kaiser Al rander treffe auf seiner 
Ruckceise über Warschau mit drm Karser Franz Joseph zusammen. 
— Erzherzog Albrecht wird hier erwartet. 
In Elsaß-Lothringen amüsirt man sich über ein Ge⸗ 
chichhen, welches „Bien Public“ seinen französisren Lesern zu 
rzähylen, resp. auszubinden weiß, um ihnen einen Begriff von der 
Beriebenheit der reichsläadischen Polizei beizubringen. Man höre 
und staune: Ist ein Franzose an der Grenze signalisirt, so macht 
der Kassirer, der die Fahrbillets ausziebt, mit dem Nagel einen 
anscheindaren Druck auf dos Bllet des Passagiers; die Kondukteure 
zes Zuges lassen, sobald sie dieses Zeichen gewahren, den Fremden 
nicht aus dem Auge, und ist er an Oct und Slielle, so zeigen sie 
auf dem Bahnhofe den Beamten der Polizei ihren Mann, der 
nun zum Hatel, oder wohin er sich sonst wendet, vecfolgt wird, 
dis er wieder den Zug besteigt, der ihu Uber die Brenze zurückführt. 
Ausland. 
Wien, 13. Juni. Alle waffenfähigen Montenegriner haben 
Besehl ech Aten. fich bis 18. Juni mit viertägigem Rjerveproviant zu 
dersehen. Alle montenigrinischen Schulen sind geschlossen. (A. 3.) 
Paris, 14. Juni. Die türkische Botschaft erklärt die Ge—