Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingbe rter —A 
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M 96. Sonntag, den 18. Ju ni 9F 
1876. 
— — 
TD Fꝗ 
Deutsches Reich. 
Berlin, 14. Juni. Der Centralverband der deutschen In⸗ 
oustr'ellen, welcher sich nach Inhalt seiner Statuten die Wahrung 
er wirthschaftlichen Interessen des deutschen Voterlandes und die 
Förderung der nationalen Arbeit zur Aufgabe gestellt, hat sich an 
den Bundesrath mit der Bitte gewendet, bei allen thatsächlichen 
Frmittelungen über die Lage unserer Industrie, zunächst auch bei 
er voraussichtlichen Enquete über die Höndelsverträge, den Central⸗ 
Lerband gutachtlich zu hören, resp. sich von demselben diejenigen 
Personen bezeichnen zu lossen, welcher dieser für besonders befähigt 
jält, über einzelne Fragen eine kompetente Auskunft zu geben. — 
Pdotivirt wird deser Antrag damit, daß der Centralverband es 
uls seine Aufgabe betrachtet, die Uebelstärde zu ergründen, an denen 
die Entwicklung des industriellen Lebens in Deuischlandz krankt, 
und bemüht ist, nach Kräften zu deren Beseitigung mitzuwirken. 
In Erfüllung dieser Aufgabe,“ führt die Petition writer aus, 
‚hat sich der Verbard der Ueberzeugung nicht verschließen koͤnnen, 
zaß die gegenwärtig herrschenden nüben und gedrückten wirthschaft⸗ 
ichen Zustände durch unsere Zoll und Handelspolitik wenigstens 
heilweise mitverschuldet sind und daß die Ermittelungen über Ex— 
jort und Import, über Arbeitslohn und Preisverhältnisse u. dgl. 
in den meisten Industriezweigen durch Gutachten von Expetten 
zewirkt worden sind, welche mit der thatsächlichen Lage der Ver⸗ 
dältaisse nicht hinlänglich vertraut waren. 
Ausland. 
Brüssel, 16. Juni. In Folge der Maßregeln der städ⸗ 
ischen Verwaltung verlief die vergangene Nacht ohne Stoͤrung der 
Ruhe. In Antwerpen sind Placate angeheftet, worin verlangt 
vird, daß die großen Städte unabhängig von dem platten Lande 
n den Kammern vertreten werden. 
Paris, 15. Juni. Heutle wurde in Longchamps die große 
kepue abgehalten. Der Praͤsident der Republik, in dessen Gefolge 
ich der Kriegsminister nebst vielen Generälen, darunter die Herzöge 
on Nemours und Aumale befanden, traf um drei Uhr in Long⸗ 
hamps ein. In den Logen des Präsidenten der Republik befanden 
ich die Präsidenten der beiden Kammern nebst den übrigen Mit⸗ 
liedern der Prusidien, die Marschallin Mac Mahon, der Großfürst 
uud die Großfürstin Michael und die Botschafter. Die Zuschauer⸗ 
nenge war bei dem prächtigen Wetter sehr groß. Mac Mahon 
ourde überall mit dem Rufe begrüßt: „Es lebe der Marschall! 
Es lebe die Republik!“ 
Die russischen Blätter sind voll Hohn und Erbitlerung gegen 
England. So schreibt z. B. der „Goloz3“: „Die Haltung Eng- 
ands in den gegenwärtigen Wirren erscheint um so lächerlicher, 
als es sich einen „Sieg“ ohne Kanonendonner zuschreibt. Eng⸗ 
jsand wird durch sein Vorgehen die Gemüther in der Türkei noch 
mehr in Auftegung vecsetzen. Oder will England Krieg mit uns? 
Vohlau! Allein England möge fsich früher nach Alliirten umschauen, 
snn Spanien allein ist füc, Rußlaud kein Gegner. Die Zeiten 
dez Jahres 1853 haben sich sowohl in Rußland als auch im Westen 
detändert. Fraukreich, welches England im Krimlklriege gerettet hat, 
vird jetzt der erste Gegner Englands sein. Und wit werden dann 
ie Turlen vor den Augen Englands erwürgen. Bevor wir, den 
engländern gestatten, den Aufstand auf der Balkane Halbinsel zu 
terdrüceen, müßten sich noch andere Mächte Rußland gegenüber⸗ 
ellen, als eben — Spanien und England ··· 
Konstantinopel, 160. Juni, Morgens. Det „Agence 
davas und dem Reuter'schea Bureau wird von hier gemeldet: Der 
Eriegzminister Hussein Adni Pascha und der Minister des Aus⸗ 
värtigen Raschid Pascha sind ermordet, der Marineminister Kalserli 
bascha schwer verwandet worden.“ 
Giner aus Philadelphia datirten Kabeldepesche zufolge 
sat das Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten eine Reso⸗ 
atlion angenommen, durch welche der Präsident aufgefordert wird, 
den Abschluß eines Zusatzvertrages mit China hinzuwirken., in 
welchem die Einwanderung der Chinesen nach den Vereinigten 
Staaten untersagt wird. 
Vermisqchtes. 
*Si. Ingbert, 16. Juni. Wie wir horen, feiert der 
hiesige Kriegerpberein am Sonntag den 30. Juli das Fest seiner 
Fahnenweihe, wozu circa 50 auswärtige Vereine, sowie die Land⸗ 
vehrbezirkkcommandanten, die Officierscorps von Zweibrücken und 
Zaarbrücken, die Unterofficiere dieser Barnisonen, der kgl. Bezirls⸗ 
amtmann von Zweibrücken, und die Beamten und Corporationen 
Jiesiger Stadt eingeladen werden sollen. Dieses Fest verspricht bei 
zünstiger Witterung ein großartiges zu werden und wird uns eine 
Menge Gäste aus Nah und Fern zuführen. 
F Das „P. W.“ meldet aus Pirmasens, 13. Juni: 
deute früh wurde der Schuhmacher Philipp Wolf, am sogenannten 
»oppelten Wald, vächst der Bärenhalde erhängt aufgefunden. Er 
jinterläßt eine Frau und sieben Kinder. Das Motis dieses Selbst⸗ 
nordes ist unbekannt. 
Marnheim, 14. Juni. Heute Abend gegen sechs Uhr 
vurde ein Bürger hiesiger Gemeinde und Familienvater, aagestellt 
alse Arbeiter am hiesigen Bahnhofe, mit Namen Jacob Schäfer, 
von der Maschine des nach Kaiserslautern gehenden Güterzuges 
zxfaßt und in der Mitte entzwei gefahren. 
7 Der Verdbandstag pfälz. Genossenschaften findet am 10. 
und 11. Juli in Lambrecht statft. 
F Straßburgei. E., 138. Juni. Mordthat. In der 
Nacht vom 10. auf den 11. Juni wurde die 78jährige Wittwe 
des ehemaligen Steuereinnehmers Karl Benz, geb. Laterner, von 
Püttlingen, erdtosselt in ihtem Betie gefunden. Sie hatte einen 
nebel im Munde. Nachdem sie die Unglücliche getödtet hatten, 
zaubten die Mörder alles Geld, welches sie vorfauden. Diese 
chrechliche That versetzte die ganze Nachbarschaft in große Bestürzung. 
F In Stuttgart hat sich nach der — „N. F. Pr.“ — 
er 17jährige Sohn des Barons Hecm. Albr. v. Reischach aus bis 
etzt unbekanuten Gründen durch Erdängen den Tod gegeben. Dieß 
st der vierte Todesfall, der binnen Kurzem die Familie Reischach⸗ 
Cotta betrofsen hat. 
Man berichtet aus Cröv, 2. Juni: In unserm Orte hat 
ich. so schreibt man dec „Tr. Loszig.“, am letzverflofsenen Sonn⸗ 
ag eine schauderhafte Geschichte zugetragen, wie sie ähnlich schwer⸗ 
'ich seit Menschengedenken an der Mosel vorgekommen sein vird. 
Zin Sohn braver, fleißiger Eltern hatte sich nach Burbach an eine 
»pangelische Wittwe verheirathet, und da die Ehe kinderlos war, 
inen jüngeren Bruder zu sich genommen. Diesem soll es jedoch 
n Burbach schlecht ergangen sein,‚ und er schrieb deßhalb an seine 
kltern nach Cröp. Diese glaubten durch einen dem älteren ver⸗ 
Jeiratheten Soone schriftlich ertheilten Verweis über die Behandlung 
eines jüngeren Bruders den Uebelstand beseitigt zu haben. Doch 
vas geschah? Am letzten Sonatag Nachmittag erschien der altere 
Sohn in dem nicht weit von Cröb entfernten Orte Lösenich, von 
vo seine Mutter gebürtig ist, und soll u. A. geäußert haben: 
„Heute noch wird Jemand kalt gemacht werden.“ Darauf begab 
r sich nach Crövd, unterhielt sich noch in gemüthlichem Tone mit 
einen Bekaunten auf der Straße ꝛc. und begad sich dann, mit 
dolchmesser und Revolber versehen, nach zehn Uhr zu der Wohnung 
einer Eltern. Die Eltern lagen schon im Beit; sle hören das 
dlopfen an der Hausthüt und der Vater fragte vom Fenster herab, 
ver da sei. Der Klopfer gab mehrere Male mit künstlich verstellter 
Ztimme zur Antwort: „Ich bin da, macht geschwind auf!“ Als 
VBater und Mutter nichts Böses ahnend, halb angeklleidet, die Thür 
aufschließen, überfiel sie der Sohn, das Dolchmesser in der Hand, 
uind versehte Beiden derartige lebensgefährliche Stiche, daß die 
Mutter schon am 30. Mai, dem zweiten Tage nach der Frevel⸗ 
hat den Geist aufgab, der Vater liegt hoffnungslos darnieder, und 
denn auf das jammerliche Stöhnen nicht zusfällig ein starker, des 
BWeget vorbeikommender Steinbrecher diesez Scheusal mit Gewalt 
— — JAcEä———e— —