der Vertireter Rußlands schon seit mehreren Tagen „für alle Welt
unsichtbar ist, daß auch der öͤsterreichische Generalkonsul sich an der
neuesten Friedenspression „nicht mebr beiheiligt“ hat, und der Ver⸗
treter Deutschlands sich „ohne jede Instruttion befindet“; die Hal—
ung Montenegros wird sogar auf eine bestimmte Weisung Ruß—
lands zurückgeführt, alle bisherigen Verhandlungen mit der Pforte
abzubrechen und in demselben Augenblick loszuschlagen, wo an der
Drina der erste Schuß gefallen.
In der Herzegaowina und in Bosnien fanden in den
lehen Tagen bedeutende Kämpfe statt, die fast saämmtlich zum Vor⸗
theil der Aufständischen ausfielen.
Die Akiion zwischen Serbien und der Türkei hat thatsächlich
begonnen. Aus Belgrad wird nämlich der „Deutsch-Ztg.“ unterm
27. d. telegraphirt: Vorgestern fielen bei Supovac in der Alexina⸗
cer Gegend 409 Tscherkessen ins serbische Gebiet ein. Ein Batail⸗
lon der Belgrader Brigade umzingelte dieselben im Walde und
wurden Alle niedergemacht. Die Serben haben den Verlust von
z Todte und 30 Verwundeten zu beklagen. Unter Ersteren befin⸗
det sich Major Tschelekant c. Gestern gingen zwischen Loschuica
und Leschnica 7000 (7) Mann Freiwillige unter dem Oberstlieute
nant Gruja Miskovic, Major Blajkoviec und Hauptmunn Putnik
libet die Drina nach Bosnien. Am Samstag überschritt der Me⸗
lropolit Ducit mit einer starken FreiweilligenLegion die Drina bei
Lubobja in der Gegend von Valjebo, dieselbe schlug sich glücklich
durch die türkische Grenzbesatzung durch.
In Montenegro sind alle Unterthanen vom 17. bis zum
60. Lebensjahre einberufen.
Pera, 20. Juni. Schon seit gestern früh eirculirten hier
unheimliche Gerüchte über eine Verschwörung, aber so kolossaler
Ari, daß ich mich scheute, ihrer auch nur zu erwähnen; es habe
sich um nichts geringeres gehandelt als Feuer an die Pulverfabrit
und an den Gasometer zu legen, und ganz Konstantinopel mit Vor⸗
städten und Palästen in- die Luft zu sprengen! Bei genauerer
Rachforschung ergab si d nun, daß diesen Gerüchten eine ganz arge
Uebertreibung zu Grunde lag, daß aber doch etwas wahres an der
Sache war. Eine sscherkessische Verschwörung existirte, und das
Pulvermagazin von Kyrgagatsch sollte in die Luft gesprengt werden;
aber die Behörde erhielt rechtzeitig Kunde von der Sache; es wurden
gegen 200 Tscherkessen verhaftet und die Wachen bei dem Pulver⸗
magazin wurden bedeutend verstärkt; der zur Zeit des Sultans
Abdui Aziz so gut wie unzugängliche taiserliche Palast war mit
dem Thronwechsel jedem anständigen Menschen zugänglich, mußte
aber in Folge bdieser Entdeckung sorgfältiger bewacht werden.
Pelersburg, 25. Juni. (Neus Berliner Tagetl.) Die
Auzeichen mehren sich, daß auch Rußland sich auf alle Eventuali⸗
säten einer Verwidlung in die orientalischen Wirren gefaßt maächt.
Nicht allein daß die russische F.otte im Piraeus neuerd'ngs durch
Armirung der Panzerfregatte „Peter der Große“ wieder verstärkt
wind, so ist nunmehr auch im Hafen von Nisolajew am schwarzen
Meer, der Bau und die Ausrüstung der dort in Angriff genom⸗
menen Panzerschiffe so beschleunigt worden, daß das größte dieser
eisernen, kreisrunden Kuppelschiffe, die nach ihrem Erfinder „Po
— Drehgeschützen ausgerüstete
Admiral Popow“,, der nach dem Erbauungsplan erst im Herbst
fertig gestell? werden sollte, bereits beendet ist und am 28. Juni
jeine Probefahrt machen wird. Es sind ferner im Charkow'shen
Gounvernement unweit der Stadt Wojnessenst zwei Kosakenbrigaden,
8 Divbistonen Infanterie und ein stattlicher Artilletiepark, dann
im Radom'schen Gouvernement unweit Konsl 7 Infanterie-Divi—
fionen, 7 Artillerie Brigaden, serner in den Sammellagern bei
Brest·Litewst und Nowogeorgiewsk die in polnischen Stationen bis
her zerstreut gewesenen Re. imenter zusammengezogen worden; und
es ist dabei zu bemerken, daß hier überall weder in früheren Jahren
Lager errichtet worden sind, noch in den urspründlichen Bestim⸗
mungen füt die diesjährigen Sommerübungen der Armee für diese
Nonjentrationen in Aussicht gestellt waren. In Warschau selbst
sind zu den alljährlich stattfindenden Manövern in dem dortizen
Lager, denen auch der Kaser diesmal beiwohnen wird, bereits 440
Dib sionen Infanterie, 2 Schützendrigaden, 3 Cavallerie Brigaden
und 2 Artillerie-Brigaden anwesend; so daß im Ganzen in diesem
Militärbezirk allein bereits 66,780 Mann Infanterie, 13,691
Manu Caballerie und 11,692 Mann Artillerie konzentrirt sind,
abgesehen von den Garnisonen der Städte und Festungen in diesem
Theil Polens.
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PVermisqhtes.
Im Forstamte Kalferslautexrr sind vom J. Juni 1875
bis dahin 1876 geschossen worden: Sauen 52, Rehböcke 275,
Haselwild 8, Hasen 2942, Feldhühner 1131, Wildenten 24, Wald⸗
schnepien 41, Becassinen 1, Füchsfe 357, Edelmarder 8, Stein—
marder 2, Wudkaßen 5, Fuschottern 4, Dachse 16, Jitis 22.
Wachteln z3. Summa 4888 Stück Wild, die einen Geildwerth
von 7319 fll. repräsentiren.
F Kusel, 28. Juni. (Kus⸗ gtg.) Am Moutag machte
ein junger Maan von Haschbach, Namens Kreutz, auf die Tochler
des dortigen Wirthes Bonenberger einen Mordanfall in deren Be⸗
zausung. Der Beweggrund war Eifersucht. An der Ausführung
jeines Vorhabens wurde Kreutz durch die Angehörigen des Mädchens
zlücklicher Weise gehindert; eine dem Mädchen beigebrachte Schnitt⸗
wunde am Halse scheint nicht von großer Bedeutung zu sein. Der
Thäter ist, wie wir hören, verhaftet, die gerichtliche Unter suchung
im Gange.
F Landau, 28. Juni. Herr G. Vierling aus Frankenthal,
. Kapellmeister in Berlin, wird beim hiesigen Künstler-Concert am 2.
Tage des Musikfestes seine Komposition „Ouverture zu Schiller's
Maria Stuart“ selbst dirigiren.
7 St. Johann, 23. Juni. Aus Bous, Kreis Saarlouis,
meldet die b'esige „V.⸗Ztg.“, daß die dort befindliche Pulverfubrik
heute explodirte. Eine furchtbare Detonation verkündete das Unglück
der weiten Umgegend; acht Personen werden vermißt, wovon bis
jetzt drei vollständig verbrannt aus dem Trümmerhaufen hervorge—
bracht worden sind. Ueber die Ursache des Unglückes herrschen
nur Vermuthungen. Vor zwer Jahren explodirte daselbft das
Trockenhaus der Pulverfabrilk.
Straßburg, 20. Juni. Heute starb dahier im Hospitak
ein Elsässer, stud theol. Theodor Resch, welcher am späten Abend
des 11. ds. auf der Straße von einem Soldaten, mit welchem er
chon zuvor in einem Wirthshause gesessen und daun Streit gehabr
hatte, verwundet worden war.
* Straßburg, 28. Juni. Der Schaden, welchen die öffent⸗
lichen Dammbauten des Landes durch die zweimalige Ueberschwemmung
dieses Jahres erlitten haben, wird auf 6—700,000 M. abgeschätzt.
München, 17. Juni. Notar Ludwig Dettenhofer, wegen
5 Vergehen der Amtsuntreue angeklagt und gestäudig, wurde heute
»om igl. Bezirksgericht· dahier zu 5 Jahren Gefängniß und 3
Jahren Ehrvetlust verurtheilt. Die veruntreute Summe beträgt
45,286 fl. 37 kr.
München, 24. Juni. Von Kupferberg in Oberfranken
aunternahm kürzlich eine kleine Schaar eine Wallfahrt nach Göß⸗
weinstein. Dabei benutzten sie wegen des schlechten Weges in Folge
Ungunst der Witterung für einige Schritte den doppelgeleisigen
Bahnkörper zwischen Untersteinach uad Neuenmarkt. Der etwas
chwerhörige Fahnenträger blieb bei dieser Gelegenheit ein wenig
jurück und wurde bei der Dunkelheit von dem von Unlfersteinach
daherbrausenden Schnellzuge erfaßt und der Art zermalmt, daß der
Tod augenblicklich einirat.
München. Dritter deutscher Kriegertag. Aus
den Verhandlungen dahier ist hervorzuheben, daß der deutsche Krieger⸗
»und zu Berlin eine Vereinigung mit der allgemeinen deutschen
striegerkameradschaft nur in dem einen Fall eingehen will, daß die
allgemeine deutsche Kriegerkameradschaft diesen ihren Namen fallen
lasse und einen andern Namen annehme. Die Vertreter derselben
iprachen sich indeß dafür aus, daß an dem bisherigen Namen strenge
festgehalten werde, weil er schon einmal zu Gunsten des deutschen
riegerbundes geopfert worden war, ohne daß sich alsdann dieser
zum versprochenen Beitritte entschlossen hätte.
F In München hat sich die freundliche Mahnung der Hof⸗
theater⸗Intendanz bezüglich des Hutabnehmens im Theater bei ei⸗
nein Theil der Damenwelt ruchtlos erwiesen, und man fieht sich
nun zu einer strengeren Maäßregel genöthigt, indem man durch
Plakate dem schönen Geschlecht eröffnet, daß die Vertreterinnen
desselben, welche sich im Parquet der Hofbühnen einsinden, im In⸗
eresse der anderen Besucher dieses Platzes die Hüte abzunehmen
haben; denjenigen Damen aber, welche dieser Vorschrift zuwider⸗
sondeln, wird diefelbe von den Billeteurs entsprechend zu Gemüth
zeführt werden.
Die Wechselstempelsteuer hat vom 1. Jan. bis 31.
Mai 1875 in Bayern 173,586 M., im ganzen Reiche 2,825,379
M. ergeben (182,5891 M. weniger als im Vorjahr.)
eFrankfurt, 26. Juni. Das große Actienhotel zum
„Frankfurterhof“ ist heute dem vollständigen Betriebe übergeben
worden.
Die Kaiserin Augusta hal ihrer Tochter, der Großherzogin
bon Baden, 1000 M. für die Wasserbeschaädigten in Baden über⸗
sendet.
F Trarbach, 25. Juni. (Auffindung römischer Mürzen).
Fin äußerst ergiebiger Fund, der in der Numismatik sicherlich Auf⸗
sehen erregen wird, hat in Bad Biebrich, wo schon frühe: römjsche
Antiquitäten ausgegraben wurden, stattgefunden. In einem Felde
im Berge, neben dem Wege, der nach dem Forsthause führt, för⸗
derte der Pflug einen wahren Schatz römischet Münzen, der Zahl
nach ohngefähr 4000 Stück empor. Die Münzen lagen rollen⸗
weise in einer gleichsam zusammengepappten Masse beisammen, da-
neben ein Lappen, einem Kaffeesacke ahnlich. Münzen, ein ganzer
Korb voll, sowie die Reste des Sackes, befinden sich in dem Be—
sitze des Feldeigenthümers, Herrn Ortsvorstehers Berres. Die
Mäunzen sind dick mit Grünspin überzogen und müssen gereinigt