Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
2 J am t 
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M 107. * ee a be Samstag, den 8. Juli 78 1876. 
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Deutsches Reich. 
München, 3. Juli. Durch die neue Studienordnung vom 
0. August 1874 wurden in Bayern' an den Lakeinschulen fünfte 
ciassen errichtet und an denselben 25 Studienlehret angestellt. Die 
Budgetpostulate für diese Lehrer sind nun dei der Budgetberathung 
es FinaußAusschusses det Kammer der Abçeordneten heute mit 8 
lultt.) gegen 6 (liberale) Stimmen adgelehnt worden. Wenn die⸗ 
ier Veschluß. was sehr wahrscheinlich ist, die Zustimmmng der Kam⸗ 
mer erhalt, so ist jedenfalls ein ernster Kouflikt vorhauden. Die 
Mehrheit des Finanzausschufses nimmt UÜberhaupt gegen das Budgel 
des stultusministeriums ene statse opposationelle Stellung din, so 
daß eine Vereinbarung große Schwierigkeit und jedenfalls lange 
Debatten in der Kammer bieten wird, wie es dena auch außerdem 
noch den Anschein gewinnt, daß die letzten Wochen des Landtages 
nicht so glatt verlaufen sollen, wie es b Sher der Fall war. Daß 
die Kammermehrheit einen entschiedeiun Schritt plant, scheint kaum 
weifelhaft zu sein. Der Abg. Kopp als Referent über den außer⸗ 
»rdentlichen Milztärkredit fordert foggende Vorlagen von Seiten der 
Staatsregierung für die Kammer zur Berathung und Beschluß⸗ 
'assung: 1. Aufschluß darüber a) welche Summen überhaupt aus 
dem Erlöse alter bayerischer und erbeuteter französischer Waffen, 
Munitien, Fahrzeuge, Montur⸗ und Ausrüstungsgegenstände zur 
VBerfügung' stehen; b) welche: Bestände an soschem Material moch 
bordanden, und welche Erldse etwa sofort zu erzielen find ? 2. D.e 
Nachweisungen über die Ausgaben auf Rechnung a) des Minuär⸗ 
jäuptetats der Jahte 1872, 1873 1874 und, wenn möglich 1875 
nebst der Abrechnung über die Einnahmen und Ausgaben der be⸗ 
sonderen Militärfonds; b) der durch die Gesetze vom 28. April 
1872, 27. Juli 1874 und 15. April 1878 dewilligten Credite 
für außerordentliche Bedürfnisse des Heereßzs 
Kifsingen: 4. Juti. Gestern solb, w'e mit Bestimmtheil 
vehauptet wird, Fürst Besmarck nach Ems gereist sein, von wo er 
jeute wieder zurücktehren soll. Daß er von hier eintn Abstecher 
zemacht, ist sicher, nur unsicher das Wohin. 
Berlin, 4. Juli. Der Beginn des Kr'eges in der Türkei 
mt hier In unsern Börsenkreifen kieferen Emdruck gemacht, als 
»zrwartet wurde. Man vehauptet in diesen Kreisen, die am 6. u. 
7. Juli zur Auflagé gelangende pteußische Eisenbahn-UAnleihe/ von 
100 Millionen Mark, die vor ganz kurzer Zeit vielfach üderzeichnet 
vorden waäre, werde jetzt nicht zur vollen Ztichnung gelangen. 
Rerlin, 5. Juli. Der „Reichsanzeiger“ erllärt die aus⸗ 
änd'schen Blältetu eutstawmende Nachricht: Der deutsche General⸗ 
orsul Graf Bray in Belgrad sei bei dem Abschiede des Fürsten 
Milan erschienen, um demselben eine siegreiche Röcktehr zu wünschen, 
ür üncichtig.“ Graf Bray habe sich inmötten einer zarlreid en. 
Zuschanermenge am Donauufer befunden, um der Einschiffung des 
Fütsten Milan zususehen, und bel dieser Gelegenheit kein Wort mit 
dem Fürsten gewechselt. 
E'n gutgeichriebener Artilel der „Allz. Ztg.“, der die Even⸗ 
tualitat eines Krieges zwischen England und Rußland beipricht, 
onmnit zu foltgendem Ergebniß: 1) daß ein Krieg zwischen England 
ind Rußland wegen dir Lösung der sogenannten „Osientalijchen 
Frage“ von beiden Staaten eine unverzeihliche Thorheit sein würde. 
ud daß sie sich so beit erseitig zwat unendlichen Schaden zufligen, 
»en Kampf jahrelang binziehen, aber nun und nimmermehr einen 
entscheidenden Erfolg, der wirklich den besigeten Gegner zum Frie⸗ 
deneschlusse zwänge, erz'elen könnten; 2) daß aus diesen wichtigen 
Bründen mit vollem Recht zu hoffen id: der Friede werde, trotz 
aAller stark entgegengesetzten Absichten und Wunsch? in den Cadineten 
don Vondon und St. Petersburg über das Schicksal der Türkei, 
exhalten bleiben; 8) daß, sollte trotz alles Etwartens und Hoffens 
urd aller Regeln der gesunden Vernunft, der Kr'eg zwischen diesen 
deiden Großstaaken dennoch ausbrechen solcher entjschieden localisirt 
ind, etwaige Blocaden der russischen Ostsee-Häfen abgetechnet, auf 
den Boden der Türkri selbst beschränkt sein wird, eben weil nun 
jeide Gegner ihrer geozraphischen Lage und der Beirkaffung ihret 
Streitträfte wegen auf keinem anderen Punbte mit voller Kraft auf“ 
inanderzuprallen im Stand⸗ sind: 4) daß Deutschland abec so 
eicht nicht in eine directe Mitleidenschaft in einen solchen etwaigen 
drieg gezogen werden, ja sagar eher in seinem Handel und seiner 
Schiffahrt ernen — wenn auch nur vorübergehenden — Vortheil 
zjewinnen könnte, wenn beide genaunte Großmächte wirklich so thö⸗ 
icht sein sollten jhre Kräfte in einem laugwierigen stampfe gegen⸗ 
eilig zu schaädigenn. 4 Ie 
ussfand. 
Aus' Wien; 6. Juli wird der „Allg. Z.“ gemeldet, die 
ziste Brigabe der 20. österreich. Div sion habe Besehl erhalten. 
iunen 24 Stunden än die fürkische Grenzt abcugehen, um Grenz⸗ 
iberschreitungen ¶ van· Seite der Krieg führenden Theile qu 
verbuten. 
Wien, 6. Juli. Dem „Telegr. Corresp.Bureau“ wird äus 
Lthen gemeldet: Die in dem Kriegsmanifeste des Fürsten von 
Serbien ausgesprochene: Hoffnung auf Griechenlands Betheiligung 
mi striege- ist absolun grundios, da zwischen Griechenland und Ser⸗ 
»ien weder Beziehungen noch Vereinbarungen bestehen. Die grie— 
hische Regierung wit nicht iihret friedlichen Politik in irqend welcher 
stichtung entjagen. .... 
Mus Wien wird der „Fr. Zlg.“ gemieldet, die Kaiser von 
Ddeuischland und Oesterreich würden Ende Juli in Salzburg 
usammentreffen; feruer: KHraf Andrassy werde nach Reichstadt gehen. 
Polnische Blätter, die in Galizien erscheinen betichten von 
Küstungen Rußlands; das Geniecorps widme seine Aufmerksamkeit 
ejonders der Prüfung der Wege urnd Verkehrsmittel in der Weichsel⸗ 
zegend. Mtan kann freilich den Nachrichten dieser Blätter nie recht 
rauen; sie öffaen jedem Gerücht ihtr Spalten. r 
In Oesterreich scheint es in gewissen Neçionen auch nicht 
m Kriegslustigen zu fehlen. Eine Depesche aus Prag meldet, in 
nilitärischen Kreisen sähe man den weiteren Ereignissen im Orient 
wit hoffnungsfreudiger. Spanuung entgegen; an die Oijfiziere der 
iesigen Guirmson seinbereits der Auftrag ergaugen, sich mit dec 
uich Reglement vorzeschriebenen Feldausrüstung zu kompittiren. 
Die in Prag garnisonirenden Regimenter ohne Ausnahme stehen 
n voller Marschbereitschaft, Offisiere erhalten nur in äußerst dring— 
ichen Fallen einen zweitägigen Urlaubi. Es scheint, daß die Hrn. 
nu Zernegh sagen: „O, fraget nicht, wo Feinde sind, die Feinde 
pommen, wie der Wind!:.. 
Paris, 5. Juli. Die ‚Liberte? läßt sich aus Versailles 
erichten, daß man dort Grund zu der Ansicht habe, die Drient 
rage hätte eine bessere Wendung genommen. Die, Unterhandlungen 
wischen den großen Püchtes dauerten fort und in diesem Augen⸗ 
Rucke vollziehe sich eint merkliche Annäherung zwischen England und 
ven drei Nordmäyten. Eiue hervorragende Persönlichteit sei gestern 
zon London in pertrauli ver Mission nach Berlin abgegangen. Die 
Fürlei endlich erkläre sich troz ihrer bdedeutenden Streitkräfte und 
zer von ihr schon errungenen Vortheile (7) bereit, nicht weiter vor⸗ 
zudringen und die angekündigten Reformen durchzuführen, jobald 
die serbischen Truppen die Waffen geftreckt hätten. 
— Börstanachricht. Der türkische Telegraph meldet Sieg 
auf Sieg, während der serbische immer kleinlautet wird; zuleßt 
ꝛrhält das bekaunte Banthaus Camonds sogar eine Depesche, der⸗ 
‚ufolge der General Tschernajeff mit 6000 ann von den Türten 
zefangen genommen worden wärt. Die Wörse scheint inischieden 
iüt die Türken Partei zu nehmen. 
Im Unterbhaus vrachte Jenkins einen Brief der „Times“ 
nus Wien zur Sprache, worin gesagt war, England willige darein, 
daß Bosnien und de Herzegowina von der Türkei losgelöst und 
eldstständig wiltrden. Der Premierminister Disracli erwiederte, das 
sei nichts als Gevatterestlatsch. 
Cettinje, 5. Juli. Der Fürst von Montenegro befahl, 
Medun zu beschietzen und zu stürmen. Medun ist ein bedeutender 
pefestigter Punkt auf einem Hügel unweit Podgoritza. 
Belgrad, 6. Juli, Vorm. Nach hestigen, zweilägigen