Full text: St. Ingberter Anzeiger

Slt. Ingberler AAnzeiger. 
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M 108. — ESounntag, den 9. Juli 1876. 
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Deutsches Reich. P 
München, 6. Juli. Der Laudtag wird nochmals eine 
Berlängerung und zwar wahrscheinlich bis 29. oder 30. dse. 
Mis. erfahren. 
Nach einer- Mittheilung des „Nürnb. Corr.“ hat die Kon⸗ 
ierenz des Fürsten B'smarck mit dem früheren bayerischen Handels⸗ 
ninister v. Shlör in Eisenbahnfragen nach keiner Seite ein bprak⸗— 
risches Ergebniß gehabt. 
München, 6. Juli. Gestern Abend wurde von dem Finanz⸗ 
russchusse die Berathung über den Kullusetat fortgesetzt. Hiebei 
stellte Abgeordneter Crämer den Antrag, den protestantischen Pfar⸗ 
rern eine weitere (5.) Ouinquennialzulage von 100 fl. zu geben, 
jo daß diese also mit dem Gehalt bis zu 1500 fil. steigen und die⸗ 
selbe schon mit dem 10., anstatt (wie b's jetzth 15. Jahre beginnen 
zu lassen und hiefür 135,340 Mark mehr in das Budget einzu 
setzen, ebent: die bisherigen Alterszulagen zu belassen, jedoch so, 
daß solche anstatt mit dem 15. schon mit dem 10. Ithre beginnen 
und hiefür eine Erhöhung in das Budget: von 92000 Mark ein-⸗ 
zusetzen. — Leider wurde dieser Antrag abgelehnt, indem sämmt- 
iiche 7 liberale Ausschußmitglieder dafür und die 7 ultramontanen 
vagegen stimmten, so daß wieder der bekannte Stichentscheid des 
Vorsitzenden Freitag den abwerfenden Ausschlag gab. Hiebei be⸗ 
nerlte Abgeordneter Kraußold, daß es doch endlich än der Zeit 
väre, die Besoldungsverhälinisse der Geistlichen durch Gesetz zu 
zegeln, damit diese einmal so gestellt würden, wie es sich gehoört. 
Trämer betonte hiebei noch, daß doch auf Vereinigung der nicht 
jelten vorkommenden mehr an einander liegenden kleinen Pfarreien 
Rücksicht genommen werden sollte., Der k. Staatsminister v. Lutz 
zxklärte sich damit einverstanden, bemerkte aber dabei, daß man sehr 
zäufig auf großen Widerstand der Gemeinden stoße. 
Ju Lündau fand am 30. Juni eine kameradschaftliche Zu⸗ 
jammenkunft von Offizieren aus Württemberg (über 40), Baden 
130), Bayern (13), Oesterreich (9) statt. 
Berlin, 5. Juli. Das scharfe Urtheil, welches der General⸗ 
commissär des Deutschen Reiches bei der Ausstellung in Philadelphia, 
Professor Reuleaux. in dem bekannten Aufsaß der .Nationalzeitung“ 
Aber die deutsche Abtheilung der Ausstellung gefällt hat, konnie 
natürlich nicht verfehlen. lebhafte Gegenkundgebungen hervorzurufen. 
Wie Manches in demselben auch beigebracht werden mag, was zu 
ziner Modisication jenes Urtheils dienen kann, in der Hauptsache, 
vill uns scheinen, wird dasselbe nicht entkräftet. Man braucht nur 
ju sehen, wie die Widerlegun 18persuche unter sih selbst in die auf⸗ 
allendsten Widersprüche gerathen. Auf alle Fälle aber hat der 
Reuleaux'sche Aufsatz das Verdienst, das deutsche Volk eiamal gründ⸗ 
ich zu einer Selbsffkritik seiner industriellen Lage angeregt zu haben. 
ks ist sehr gut, daß d'ese Fragen, statt, wie gewöhnlich, in der 
Abgeschlossenheit technischer Vere nsversammlungen, einmal vor allem 
Volk verhandelt werden, so daß Icder zu hören bekommt, wie vel 
Schuld auch auf sein Theil fallt. Der Einwand, welch' teuflisches 
Vergnügen alle Feinde des Deutschen Reichs an dieser Selbstauklage 
jaben müßlen, ist denn doch zu schwächlich, als daß man ihm 
rgend eine Beachtung schenken sollte. Die deuische Nation ist Gott 
sei Daͤnk gesund und lebenskräftig genug, um auch ihre Fehler 
offen eingestehen zu können; wäre sie es nicht, müßte sie auf Ver⸗ 
wuschung finuen, dann freilich würde der jungen deuischen Reichs- 
schöpfung das S hichsal besch eden sein, welches alle Feinde derselben 
so heiß ersehnen. 
Belgrad, 6. Juli. Der Remorqueur der Donaudampf⸗ 
chifffahrtsgesellschaft „Tizsa“ wurde gestern früh 312 Uhr auf der 
rahrt von Turnseverin nach Orsova in der Nähe des serbischen 
Dorfes Spiz von serbischen Truppen mit Pelotonfener empfangen 
md zum Umkehren genöthigt; weitere Unfälle kamen nicht vor. Der 
sterreichische Generalconsul richtete sogleich aus eigener Entschließung 
in die serbische Regierung in der entschiedensten Weise Beschwerde 
und forderte vollste Satisfaction. 
Pera, 4. Juli. In Sofia bildet sich eine neue Armee 
don 40,000 Mann. Hier am Bosporus liegen 125 Balalllone; 
75 Bataillone sind bereit zun Abmarsch. (6(6. 3.) 
Russische Consulatberichte melden: Der griechische Patriarch 
in Jerusalem wurde während einer Procession vom türkischen 
Pöbel insultirt und sein Ornat zerr'ssen. Die griechische Grabes⸗ 
irche wurde aus Farcht vor Plünderung durch die Moslemin auch 
ür christliche Pilger gänzlich abgeschlossen. 
Wie die St. Petersburger Telegraphenagentur mittheilt, ist 
der Befehlshaber der fürkischen Armee gegen Serhien, Ali Pascha, 
zin geborener Preuße, Namens Freund. 
Nach einem der „Allg. Z.“ aus Ween zugegangenen Tele— 
zramm ständen 50,000 Russen mit einem Artillersepark bei Luck 
in Volhynien) und wären alle in Bädern weilenden russischen Of⸗— 
iciere einberufen. Letzteres mag richtig sein; erstere Rachricht 
tammt wohl aus polnischen Blättern, die in dem Punkt höchsi un⸗ 
uverlässig sind. 
Ein Telegramm der „Allg. Z.“ aus Wien, 6. Juli meldet: 
Bestern ist der türkische Obergeneral in Nisch angekommen. Tscher⸗ 
ajeff steht östlich von Nisch. Eine freiwillige Legion von Soflas 
st in der Bildung begriffenr. Von Rustschuk begeben sich ein Ka⸗ 
ionenboot und drei Transporischiffe mit 3000 Mann stromauf⸗ 
wärts. 
Washington, 6. Juli. Ein Orean verheerte gestern den 
nördlichen Theil des Stoatezs Jowa. In Rochdale sind einige 
vierzig Personen umgekommen und 30 Hauser zerstoͤrt. Der Betrieb 
)er Darlington-Eisenbahn. hat eingestellt werden müssen. — Nach-⸗ 
richten aus dem Süden zufolge erlitten zwei Truppenabtheilungen 
inter General Custer und Major Rend, welche am 25. Juni 2800 
Indianer in dem Engpasse von Littlehorn angegriffen haben, eine 
mpfindliche Schlappe. General Custer, 16 Offiziere und 300 
Maun sind getödtet. Major Rens zog sich mit dem Rest unter 
zroßen Schwierigkeiten zurück und erwartet Veistärkung. 
Vermischtes. 
f Uus Kaiserslautern, 7. Juli schreibt die „‚Pfälz. P.“: 
VBir haben den stenographischen Bericht über die Kammerperhand⸗ 
ingen, den Neubau mehrerer Linien in der Pfalz betreffend, ge⸗ 
esen und gefunden, daß in der Kammer ein tiefgehendes Mißtrauen 
egen die Art, wie die pfälzische Direltion Eisenbahnen baut, besteht. 
dasselbe wurde besonders herborgerufen, durch die ungeheuren Kosten, 
velche der völlig unnöthige Viadukt bei Marnheim verursachte. 
Für das Geld, was dieser Bau gekostet hat, hälte man recht gut 
ie ganze Lauterthalbahn ausführen können. Wenn nun leider die 
Hoffnungen vieler Pfälzer auf Eisenbahnverbindungen gescheitert sind, 
o möͤgen sie, außer bei den Ultramontanen sich nebenbei auch bei 
ger Direction der Pfälzischen Bahnen bedanken. 
Vom Preisgerichte der Weltausstellung in Philadelphia 
st der Schaumweinfabrik J. Oppmann in Würzburg für ihre aus 
zestellten Wein⸗e die goldene Medaille zuerkannt worden. 
In Engelshätt bei Lam Miederb.) haben einige Bauern⸗ 
zurschen einen 68jährigen Mann zu Tode gesteinigt, weil er nicht 
eiden wollte, daß sie einen ihm gehörigen Zaun niederrissen und 
jur Unterhaltung des Johannifeuers verwendeten. 
7 Mänchen, 4. Juli. Zufolge eines heute erlassenen Be— 
iehls sind in der Armee für die Dauer der Ernte — und zwar 
zei den hiesigen Regimentern vom 9. ds. bis 9. k. Monais — 
arßere Beurlauhungen angeordnet. Von den Infanterie-Regimentern 
Ausland. 
Brüfsel, 6. Juli. Det deulsche Kronprinz trifft morgen 
Nachmittag zum Besuch der Ausstellung in Brüssei ein. Detselbe 
wird am Bähnhofe vom Könige und dem Grafen von Flandern 
fficiell empfangen werden. (GGrkf. J. 
Turin, 6. Juli. Wie ‚Gajzzetta del Popols“ meldet, ist 
der König plötzlich hier angekommen und hal einen Abgesandten 
des Marschallz Mac Mahon empfangen; die Audienz dauerte zwei 
Stunden. das Fraebniß i goch unbekannf