Full text: St. Ingberter Anzeiger

in Landaun, hat in allen Schichten der hiesigen Bevölkerung und 
des Kantons d'e schmerzlichste Theilnahme hervorgerufen. Dieser 
brave Mann hat sich eben bei uns ein bleibendes Denkmal gesetzt 
durch seine Leutseligkeit und ausgezeichnete amtliche Werlksamkeit 
wätrend eines Zeitraumes von fast 30 Jahren. Mit ihm verliert 
die nationale Partei ein hervorragendes Mitglied, die pfaälzische 
Justiz einen ihrer würdigsten Vertreter. Möge ihm die Erde leicht sein! 
F Dem „N. A.“ schreibt man aus Würzburg, 8. Juli: 
Zu Beginn des Frühjahrs erschien in hiesigen Zeitungen eine Mit. 
theilung, wonach in dem benachbarten Frickenhausen ein Oekonom 
beim Abfüllen von Most durch das plötzliche Einwitlen von Gasen 
betäubt worden und sofort todt geolieben sein sollte; hieran wurde 
eine Mahnung zur Vorsicht bei der Behandlung der jungen Weine 
geknüpft. Es wurde jedoch alsdald ein Verdacht der Vergiftung 
des Verstorbenen ruchbar, feine Leiche wurde ausgegraben, es ergab 
sich, daß in der That eine Arsenik-⸗Pergiftung vorlag, und die der 
Vergiftung verdächtige Chefrau des Verstorbenen wurde gefänglich 
ringezugen. Inzwischen exhod sich gegen dieselbe der Verdacht, daß 
sie auch ihren ersten Ehemann und dessen erste Ehefrau und noch 
eine andere Familien-Angehörige vergiftet habe. Die Leichen oller 
dieser Personen wurden ausgegraben, und die Untersuchung soll 
orgeben haben, daß sie alle durch Arsenik vergiftet wurden! Die 
Leichen-Beschau hatte zu seiner Zeit zu keiner Anzeige geführt. 
F In Würzburg befinden sich bereits seit mehreren Wochen 
die Mutter, sowie die Schwiegermutter des Fürsten Milan von 
Serbien, außerdem noch eine Schwägerin desselben nebst ihren 
heiden Kindern. Sie haben ihre Wohnung im Hoiel „Kronprinz“ 
zenommen. Das Eine der beiden Kinder besucht dahier ein Insti— 
tut, während die eine der genannten Damen, d'e sehr leidend ist, 
in der Behandlung hiesiger Aerzie sich befindet. 
7 Ein Knecht zu Kelasch bei Heilssberg hat einem Kame⸗ 
raden mit Gewalt ein halbes Liter Schnahs einfiltrirt, dem er eine 
Menge Rauch und Schnupftabak beigesetzt halte. Di se an Bestia⸗ 
lität streifende Rohhtit hatte zur Folge, daß der Unglücliche an 
Aitohol⸗Vergiftung verstarb. 
In Jena haben einige Comites den Plan zur Errichtung 
eines „Denkmals zur Erinnerung an die Gründung der deutschen 
Burschenschaft“ in Berathung çenommen. Es soll ein Standbild 
in der alten Burschentracht mit der Wartburgsfahne werden, in 
dessen Sodel die Medaillenbilder der drei Burschenschaftsmitbegrün⸗ 
der: Riemann, Horn und Sche Dler eingelassen werden sollen. 
12,000 Mt. soll daßz Denkmal kosten und 4000 Mt. sind schon 
dazu da. Wie die Jen. Ztig. hört, wird das Standbild auf dem 
Eichplatß an der Burscheneiche aufgestellt werden. 
F In Bad Reinerz haben 47 Kurgäste an die Bade-Direl⸗ 
tion eine Petition gerichtet, in der sie ein Verbot des Tragens der 
Schleppkleider während der Lurstunden anläßlich des Verbotes des 
Tabaksrauchens erbitten. Sie begründen das Gesuch damit, daß 
der Zweck ihres Doriseins, Heilung und Linderung ihrer Leiden 
zu finden, durch den mittelst der Schleppkleider aufgewerbelten 
Staub vereitelt werde. 
fKarlsruhe, 10. Juli. Prinz Karl, jüngster Bruder 
des Großherzogs, schwebie vorgestern in großer Gefahr. In einet 
belebten Straße wurden die Pferde seines Wagens scheu und gin⸗ 
gen durch; der Prinz und sein Begleiter sprangen heraus, und 
Ersterer verletzte sich am Rücken und an der Schulter so, daß ge⸗ 
stern sein Zustand bedenklich war. Diesen Morgen ist Besserung 
eingetreten. Der Begleiter kam mit dem Schrecken davon. 
FEine Möricke-Unekdote. Man schreibt aus Stutt- 
gart: Von Morickes jüngst verstorbener Tochter Marie erzählte der 
Dichter einst seinem Freunde Fr. Fischer eine Anekdote, die in 
weiteren Kreisen belannt zu werden verdient. Das Kind besuchte 
zum etsten Male den Religions-Unterricht und kommt nach Hause: 
„Papa, der Herr Lehrer hat uns gesagt, der Herr Christus sei ein 
Sohn dvom lieben Gott; ist das waht?“ — „Ja, mein Kind, das 
ist wahr.“ — „Aber, lieber Papa, dann muß doch der liebe Gott 
eine Frau baben?“ — Möricke ist in peinlicher Verlegenheit, da 
das Kind eine Antwort erwartet. Er sieht es eine Weile starr 
an und sazt dann endlich: „Ganz recht! Aber er ist schon seit langer 
Zeit Wittwer.“ —- Das Kind war mit der Antkwoct zufrieden, 
fFGründerprocesse. Nach Mittheilungen der Berliner 
Blaͤtter stehen nicht weniger als einige achtzig Gründerprocesse in 
der Reichshaupistadt in Aussicht. 
Reichs⸗Oberhandelsgericht. Der Empfänger eines 
Frachtstückeß hat ein eigenes Recht aus dem vom Absender ge⸗ 
schlossenen Frachtvertrage auf dessen Erfüllung und auf Schadener- 
atz wegen unterbliebener oder verzögerter Erfüllung gegen den 
XX 
dieferung zu einem bestimmten Wetrage declarirt, so bildet das ei⸗ 
nen integrireunden Theil des von ihm abgeschlossenen Frachtvertra⸗ 
zes, welcher seinem ganzen Inhalte nach von dem Destinateur 
gegen die Eisenbahn geltend gemacht werden kann. 
Die Deutsche Besellschaft zur Rettung Schiff— 
zrüchiger hat an der deutschen Nord- und Ostseeküste von Me⸗ 
nel bis Borkum in den vergangenen zehn Jahren nach und nach 
72 Rettungsstationen errichtet, durch welche 870 Menschenleben 
lim vergangenen Jahre 1875 allein 104) dem Tode in den Wel- 
len entrissen sind. 
F Hamburgq, 8. Juli. Geschnittenes Reichsgold). 
Borgestern Abend erhielt ein Goldschmeed ein Hamburger 20-Mark⸗ 
ctück, das auf einer Drehbank so kunstgerecht abgedreht war, daß 
nur die Umschrift „Gott mit uns“ fehlte. Es war 1 Mark 80 
Bfq. zu leicht. Kürzlich hatte derselbe ebenfalls ein 20-Markstück, 
velches 2 Mark 20 Pfa. weniger werth war. Bei Zahlung eines 
inzelnen solchen Stückes kann man den Unterschied zwischen einem 
zollgültigen nicht merlen. Das Publikum möge also zur Vorsicht 
gemahnt fein. 
F Um eine Ermäßigung von Kohlenfrachlen nach den Nord⸗ 
eehäfen und nach den Hafenplätzen Kiel und Lübeck der Ostsee in 
gerathung zu ziehen, hat vor Kurzem in Hamburg eine Konfe⸗ 
renz stattgefunden zwischen den Vertretern verschiedener Eisenbahn⸗ 
erwaltungen einerseits und einer Anzahl von Kohlenprodujzenten 
ind Kohlenkonsumenten andererseits. Die Verhandlungen, welche 
sauptfächlich ene Reduktion der Frachtsätze nach Kiel uad Lübec 
um Gegenstande hatten, nahmen im Allgemeinen einen günstiger 
Berlauf, sodaß Aussicht vorhanden ist, daß die Bahnverwaltungen 
nuf die von den Kotzlenproduzenten und Konsumenten beantragter 
Frachtermäßigungen unter den für Bremen, Hamdurg und Wil⸗ 
elushaben jestgestellten Normen. und Bedingungen (drei Zechen⸗ 
onen, geschlossene Züge ꝛc.) auch für den Transport nach Lübeck, 
iel rc. eingehen werden. Die Erörterung der Fraze einer Er⸗ 
näßigung. der Kohlenfrachten nach den Häfen von Antweipen und 
Bliessingen wird einer weiteren Konferenz mit den betreffenden bel⸗ 
zischen und niederländischen Bahnverwaltungen vorbehalten bleiben. 
Wien, 10. Juli. Der deutsche Kaiser als Zeuge. 
deute findet vor dem Schwurgerichte die Verhandlung über die 
chrenbeleidigungsklage des deutschen Kaisers und des Reichskanzlers 
Fürsten Bismarck gezen Dt. Springmühl auf Grund der vom 
Letzteren verfaßten Broschüre: „Tie Reklame⸗Politik des preußischen 
Staates“ statt. 
Graf Lamezan wird h'ebei die beiden Kläger vertreien. Der 
VBertheidiger des wegen eines unlauteren Deliktes in Haft befind⸗ 
ichen Angeklagten, Dr. Neuda, hat nun dieser Tage an das Landes⸗ 
zericht das Ersuchen gerichtet, es iaöge entweder Kaiser Wilhelm 
uind Fürsten Bismaxa als Zeugen vorgeladen oder doch wenigstens 
deren Vernehmung vor dem zuständigen Berliner Gerichte ver⸗ 
inlaßt werden. 
Was den Fürsten Bismatd betrifft, so lann das Gesuch even⸗ 
uell Erfolg haben; allein welches Gericht sich für kompetent erklären 
'oll, den deutschen Kaiser als Zeugen zu vernehmen, darauf darf 
nman billig gespannt sein. 
Bern, 10. Juli. In Elgz (Kanton Zürichj) sind 52 
däuser abgebrannt, wobei zwei Frauen umkamen; ein der Brand⸗ 
iftung verdächtiger Mensch ist verhaftet worden. . Z.) 
Um das Alter unserer heirathsfähigen Damen zu ermitteln, 
zraucht man nur darauf zu achten, welche Lieder sie für den häus—⸗ 
ichen Gebrauch erwählt haben. hört man das Lied singen: 
„Vom Himmel hoch, da komm ich her,“ so ist mit Bestimmtheit 
mzunehmen, daß es eine junge Dame im Alter von 14-16 
Jahren ist, die das Lied singt, 16-. 20jährige singen schon: ‚Liebster 
Jesu wir sind hier.“ Das Lied: ‚Es ist gewißlich an der Zeit“ 
äßt auf ein Alter von 20- 25 Jahren schließen, während Damen 
don 30 Jahren stille seufzen: „Herz, mein Herz, verzage nicht.“ 
30 — 35jährige singen mit gesteigerten Ton: „Erhör uns Gott, 
echöre,“ bis sie von 835 — 40 Jahren crescendo das Lied an- 
t'mmen: „Herr straf mich nicht in Deinem Zorn.“ Sollte diefes 
died noch nicht die gewünschte Wirkung thun und einen Mann 
Jerbeischaffen, so flehen sie von 40 — 45 Jahren mit tiefer Eme⸗ 
ofindung: „Aus tiefster Noth schrei ich zu Dir,“ bis sie von 
15—50 Jahren ihre Hoffnungen mit dem Liede aufgeben: „Nun 
ruhen alle Wälder.“ 
Amsterdam, 6. Juli. Die furchtbare Hiobspost des 
Unterganges des „Steamers „Leutnant generaal Kroen“, das auf 
der Rückkehr von Atschin über Badang nach Batavia unterging, 
uind zwar sa rasch, daß von den 300 Personen, welche sich an 
Bord befanden, nur 70 ihr nacktes Leben reiten konnten, hat im 
Janzen Land Entsetzen und schweres Leid verbreitet. Es ist tin 
grausenhaftes Unglück, und man fühlt es um so schmerzlicher, als 
man dadurch wieder in bitterster Weise an alle schweren Schläge 
und Verluste erinnert wird, welche Holland aus Ostindien bereits 
eit dem Beginne der atschinesischen Erpedition zu verzeichnen hat. 
Unter die Opfer des Schiffbruchs gehört auch der Haupt-Ingenieur 
—E 
In Liverpool wurden dieser Tage zwei franzöfische 
diebespaare von dem Vater einecr der beiden jungen Damen und 
bdon der unvermeidlichen Polizeibegleitung in dem AugendUde ein