Full text: St. Ingberter Anzeiger

Mansövern bei Hagenau und Brumalh heiwohnen werde. Obder 
staiser aus, Straßburg vesucht, weiß man nicht. * 
—7ODarmstadt, 18. Juli. Ueber glänzende Ernt?aussichten 
n Rheinhessen schreibt man der „M⸗Z.“ unterm Gestrigen. Ich 
war einige Tage über dem Rhein. Heute hat die allgemeine 
torn⸗Erne begonnen. Jedermarn ist entzückt über die Qualität 
und Quantität der Körner. Fast alle Obst- befonders Aepfel⸗ 
bäume sind gestetzt. Man hofft allgemein, eine der besten Obst⸗ 
und Weinernlen zu erzielen. ⸗ 
In der Westendstroße zu Frantfurt, sank in voriger 
Woche ein junger Mann entkräftet zusammen; kaltes Wasser von 
Herbeieilenden ihm ins Gesicht gespritzt, verursachte, daß er die 
Augen öffnete; herbeigeholten Wein schlürfte er in kräftigen Zügen. 
Wie der Zusammengesunkene etzählte, war er ein Schullehrer aus 
dem Nassauischen, der erfolglos nach Frantfurt gekommen war, 
üm eine Turnlehrerstelle zu erhalten; seit 2 Tagen hatte er nichts 
gegessen; es war der nahende Hungertod, der ihn auf die Straße 
aeworfen hatte. Herbeigeholte Kost stärkie ihn sichtlich; reichlich 
gereichtes Almosen nahm er dankbar an. Merkwürdig ifl nur, daß 
sich dieselbe Scene desselben Merschen an demselben Tage und an 
den nachfolgenden Tagen in verschiedenen Straßen Frantfurts 
wiederholte, ohne daß derselbe von der Polizei auf seinen Schwin⸗ 
deleien ertappt wurde. 
Frankfurt a. M. Ein junger Frankfurter⸗welcher 
1872 rechtskräftig wegen Entziehurg der Mil tärpflicht als Heeres⸗ 
unsicherer zu 50 Thir. Geldbuße verurtheilt worden, schicle dieser 
Tage mittels Wechsels das Geld aus der Havannah en. Der 
erste Fall dieser Art. 
J Zu Pforzheim sind am 15. d. Mis. zwei Familien in 
fiefe Trauer versetzt worden. Die Töchler eines dort'gen Gold⸗ 
schmiedes, zwei blühende Mädchen im Alter von 21 und 23 Jahren, 
wurden in der Frühe todt in ihrem gemeinschaftlchen Schlafzimmer 
aufgefunden. Ein durchdringender Gasgeruch ließ sofort die Todes⸗ 
ursache errathen. Das Eine der Beiden hatte beimn Erwachen allem 
Anscheine nach noch so viel Kraft gehabt, das Bett ju verlassen, 
ohne sedoch das Fenster erreichen zu können, denn man fand sie 
entseest auf dem Fußboden hingestreckt. Das Un lücdk betrifft auch 
noch eine zweite Familie, da die Eine der auf so traurige Weise 
des Lebens beraubte Braut war und da Termin der Hochzeit in 
Kürze bevporstand. 
F Aus dem Stollbergschen wird über ein Unglücksfall 
AXX 
Diefelben kamen durch ichlagende Wetter in Lebensgesahr. Vier von 
den Verbrannten, die Bergleute Steinbach, Fränzei, Bochmann und 
Foͤrster find ihren Verletzungen dereins erlegen; ein gemeinsames 
Grad umischl'eßt bereits ihre Gebeine. Ob die Uebrigen dem Leben 
erhalten werden können, ist noch ungewiß. Wahrhaft erschütternd 
ist der Unmstand, daß Steinbach unter den Todten ist. Nicht nur, 
daß seine Mutter, eine Wittwe, in ihm bereins den dritsen Sohn 
verloren hat — der eine fiel dei Königgrätz, der andere war unter 
den Verschütteten der Fundgrube, der dritte ist der eben begrabene 
— sondern sie muß auch zitlern für das Leben eines vierten, der 
dürzlich durch Dämpfe auf dem Helenenschacht berbrannt wurde und 
schwer verwundet darniederliegt. 
Schmalkalden, im Juli. Am 2. September soll die 
Enthüllungsfeier des hierselbst dem stomponisten der Wacht am 
Rhein, Karl Wilhelm, errichteten Denkmals statifinden. Daran 
wird sich ein Concert schließzen, indem die herverragendsten Ton— 
dichtungen des Verstorbenen zur Aufführung gelangen sollien. 
F Dortmund, 14. Juli. Das patriotische Tonwerk, 
dessen Geschichte so lange die Aufmerksamkeit der musicalischen Welt 
weit über die Grenzen unserer Stadt und Provinz hinaus auf sich 
gelenkt hat, die preisgetrönte Bismarck Hymne, gedichtet von Rudolj 
Gottschall und componirt von dem Musikdirektor Karl Rheinthalet 
in Bremen, ist gestern unter der Leitung des Componisten auch 
hier, wo der Gedanke einer derartigen künstlerischen Verherrlichung 
der Person des Fürsten Bismarck geboren, zur Aufführung gelangt, 
nachdem dies zuerst vor einigen Wochen in Bremen geschehen. Veit 
dem lebhaftesten Interesse und begestertem Beifall folgte die Zu⸗ 
vörerschaft jedem Theile der Hhmne. Die Solonummern — Arie 
jur Bariton (Herr Bletzacher) und Arie für Tenor (Herr Lederer) 
— wurden da capo verlangt. Der Componist, welcher jetzt die 
Leitung übernommen hatte, wurde fust erdrückt von den Auszeich⸗ 
nungen, die ihm gleichzeitig vom Saale her in Gesialt ranschender 
Beisalla«salden und von der Bühne aus in der Ueberreichung immer 
neuer Lorberkränze durch die mitwirkenden Damen und in kröftigem 
Tusch zu Theil wurden. Der Ertrag des Concertes ist jür die 
Gejfellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger bestimmt. 
F Berlin, 18. Juli. Die Verhandlungen, welche zur Ein⸗ 
zjührung eines Expreßzuges von Berlin nach Frantfurt am Main 
im Gange waren, sollen jetzi abgeschlossen sein und derselbe am 
13. Detober dieses Jahres ias Leben ireten. Die Strece soll in 
nwaus liber acht Stunden zurücdgelegt werden. Der Zug soll zwei 
Wagenclassen mit sich führen, was seine Benutzung nur um so 
allgemeinet nachen wird. — 
Die Präklusivfrift für die braunschweigischen Banknoten zu 
l0. Thaler, welche am 80. Juni d. Is. abgelaufen ist, wird laut 
hekannimochung der Dicektion bis zum 30 September d. Is. ver- 
angert. Nach Ablau: dieses Termins sind die genannten Noten 
vollständ'g werthloz. 
— Eine Zamburger Dame 119 Jahre alt geworden. 
Pragee Biätter von 14. d. M. ber'chten: Ein unansehnlicher, vom 
Publikum kaum beachteter Leichenzug bewegte sich heute um 10 Uhr 
Vormittags von der Kleinseite aus nach dem Wolschaner Friedhofe. 
Voran schritt ein Kreuzträger und dem einfachen Leichenwagen 
jolgten blos zwei Wagen mit Leidtragenden. Und doch war es 
Aller Wahrscheinlichkeit nach die älteste Frau Böhmens, vielleicht 
zanz Oeslerreichs, welch‘ heute in so einfacher Weise zu Brabe 
getragen wurde. Frau Therese Fiedler von Hülsenstein hat das 
höchst seltene Alter von 119 Jahren erreicht. Sie war 1757 zu 
Zainburg geboren und verbrachte ihre Jugendjatte bei der Gräfia 
Pilffy, Hoidame der Kaiserin Maria Theresia; spater heirathete sie 
einen französischen Major und nach dessen Tode einen österreichischen 
Postbeamten, dea sie jedoch ebenfalls bald durch den Tod verlor. 
Zeit 1830 war iht der Tabacksverschleiß in der Bude „beim Mon⸗ 
ag“ im Gnadenweg verliehen worden; aus ihr bezog sie ihre 
Zubsistenzmietel. Bis an ihr Lebensende erfreute sie sich einer ziem⸗ 
ichen Rüstigkeit ihre Stimme war wohlklingend, ihre Gesichtszüge 
zeigten noch deutlich die Spuren einstiger Schönheit. Sie starb 
ohne eigentlich krank. gewesen zu sein. Nach dem Genusse eines 
haͤlden Eies und einer Suppe legte sie sich vorgestern nieder, ohne 
wieder zu erwachen. 
7 Ein blindes Mädchen aus der Schweiz; welches eine be⸗ 
vundernswürdige Geschicklichleit in der Feinstickerei besitzt, dandte 
ine von ihr angefertigte Tischdecke mit einer Zuschrift, die, um 
herdachte der Spekulation auf ein Gegengeschenk vorzubeugen, 
nur die Unterschrift „Ein blindes Mädchen aus der Schweiz“ trug, 
an Kaiser Wilhelm. Der greise Monarch wußte diesen Talt zu 
vtrdigen; er ließ durch Vermittlung des deutschen Gesandten in 
der Schweiz die Person des Mädchens ermitteln und ihr eine fehr 
verthvolle Brosche mit einem huldvollen Schreiben als Zeichen sei⸗ 
nes Dankes überceichen. 
4 Getreidebericht. Die Ernkeaussichten sind überall 
zut und die Angebote besonders von fremdem Getreide bleiben 
ortwährend stark. Aus N.weHYork bringen die neuesten Nachrichten 
penere Preisrũckgãͤnge, und ebenso ift von England eine recht matte 
daltung angezeigt. In Fraukreich sind die Conrse an allen 
Märkten gewichen und am meisten haite hierunter das Mehl zu 
leiden,. Von den gisß ren Hau' el plätzen in Norddeutschland ist 
rs nur Berlin, das einen lebhafteten Verkehr meldet, während 
'onst überall ein schleppender Geschäftsgäng vorherrschend war und 
nuch in Oesterreich:. Ungarn blieb die Teundenz in Folge gänzlichen 
Mangels an Kauflust sehr flau. (S. M.) 
fVLondon, 18. Juli. Ueber die furchtbare Exploson an 
Bord des Thurmschiffes „Thunderer“, welche 31 Menschen das 
Leden gekostet dat, wahrend an 60 Personen mehr oder weniger 
chwere Berletzungen davontrugen, bringt die „Daily News“ fol⸗ 
gende Einzelheiten: Das Saciff, eines der furchtbarsien Fahrzeuge 
iu der Marine, hatte bei Beginn der Woche die Rhede von Spi⸗ 
head verlassen, unn Probefahrten in Stolles-Bay zu machen. Am 
HDdittwoch wurden die Fahrten in Folge der Beschädigung eines 
einer Cylinder eingestellt, aber gestern (Freitag) Nachmittagt 
wurden sie wieder aufgenommen. Das Schef war kaum acht Mi— 
auten in der Richtung von Stolles⸗Bay unterwegs, als eine fürch⸗ 
terliche Exptosion stattfand. In wenizen Minuten war die Be⸗ 
aßung an Bord in Dampf und Rauch gehüllt und es war unmög- 
sich, nach dem Schiffsraum zu gehen, um die Ursache des Unglückes 
zu ermitteln. Auf Befehl des Capitäns wurde ein Nothsignal 
aufgehißt, das auf der Rhede sosori bemerlt wutrde. Vom Flaggen⸗ 
chiffe Duc of Wellingion“ wurden sofort Hilfsmannschaften, sow.e 
eine Anzahl dvon Marine Chiturgen gesandt. Mittlerweile begann 
der Rauch and Dampf sich zu verziehen, wodurch die an Bord 
Befindlichen in den Stand geseßzt wurden, sich nach dem Maschinen⸗ 
aum zu begeben, aber es verging nah zu eine Stunde, ehe der 
Feuerplatz gründlich untersucht werden konnte. Es wurde dann 
zefunden, daß die ganze Vorderjeite des vordersten Steuerbo d⸗ 
gessels mit solcher Racht geborfsen war, daß dessen Trümmer alles, 
vas sie berührten, demolirten und mit wegrefssen. Ein Theil des 
Maschinenraumes war ein vollständ ger Trümmerhaufen. In allen 
Richtamgen bagen die Leichen der Krieger, der Leute des Baunnter⸗ 
nehmers und der Arsenalarbeiter. Der Oberingenieur des Thun⸗ 
derer“ und ein anderer Ingenieur wurden ebenfalls todt gefunden. 
Bielt der Unglückliichen waren fürchterlich verstümmelt und von 
einigen der Leichen hingen die Kleider in Fehen herab. Ein Kopf 
wurde in einiger Entfernung von seinem Rumpfe gefunden. Mau 
fürchtet, daß mindestens die eine Hälfte der Verwundeten nicht