Full text: St. Ingberter Anzeiger

Sl. Ingberler Anzeiger. 
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M 120. 4 Eonutag, den 80. Juli 9J 1876. 
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.Deutsches Reich. — 
Mäanchen, 24. Juli. Der Jahresbericht des General— 
tomitoͤ des landwirthschafilichen Vereins in Bayern pro 1878 
enthält über die Arbeiterverhältnisse! foigende Notizen: „Die At⸗ 
veiternoth ist nach unserer Ansicht auf ihrem Höbepunkt angelangt; 
sie kang nicht mehr zunehmen, sondern wird unzweifelhaft wieder 
geordneten Verhältnisen Platz machen. Sie war eine Folge der 
übermäßin entwickelten Industrie und des unnatürlich gesteigerten 
Baues von Eisenbahnen. Beide Ursachen sind zur Zeit nicht mehr 
n solchenn Maße vorhanden und es ist vorauszusehen, daß die Ruck⸗ 
wirkung auf die Ardeiterv⸗rhältnifse nicht ausbieiben wird. Jũ 
rinzelnen Gegenden, z. B. der Pfalz und Oderdayern hat man 
dem Mangel an Arbeitern durch Herbeinehung von jfremden Ar⸗ 
veitern und zwar olchen aus Ostpreußen zu steuern versucht. 
Solche Aushilfe ist jedoch immer nur ein Nothbehelf und kaunn 
auf die Dauer de edel nicht gründtich abhelfen. Ferner; „Die 
strediwerhältnisse sind unter dem Emdruck der allgemeinen Lage 
der Lardwirthschaft nicht sehhr befried gend. Mau mächt leider die 
Wahrnehmung, daß selbst wohlhäbende Landwirthe genöthigt sind, 
Kapitalien rouiznehmen, um laufenden? Verbindlichkeiten nachzu- 
lommen. Sobald de Verhälmisse im Allgemeinen sich bessern, 
wird auch dieser Uebelsiand wieder schwinden. Die industrielle 
crisis hat die leichtere Beschaffung des Kapitals auf Grund und 
Baden itulll.e ααααιιαX,R Qqlch gemachi.. Allerdinge 
leihen diese Banleu uur' als Hybothek dis zum halben Werthe. 
des Pfandes; allein es lüßt sich zwe fela, ob überhaupt eine höhere 
Belastung des Grundeigenthums noch ein Vortheil für! den Land⸗ 
ditth ist und sich wirthschaftlich rechtfertigen läßt. Die Hypotheken⸗ 
danken leihen in der Regel ihre Kapitaliern auf Annuitälen uus 
und sichern dadurch den Landwirth vor unzeitiger · Auftündigung. 
München,-27. Juli. AWie die . Korr. Westein“verichtet, 
indet der Ausflug des Könige nach Bay: eath doch ftatt, und zwar 
un den nächsten Tagen. Selbstserstäudlich entzieht sfich Tag und 
Sltunde der Abfahrt noch der Offentlichkeit, obwohl alles bier vor⸗ 
drreitet ist. Ter König wird in seinem ganz kleinen Gefolge zu ⸗ 
nächst nur von dem Oderststallmeisser Graf bon Hohustein begieitet 
ein. 
weiteren Entwidelung des blutigen Deamas an der Drina und am 
Tmok allerdings ernster werden! Verbieten, mit Strenge zurück⸗ 
)Rrängen und verbindern'kann die Regierung hierbei Nichiss·· 
Das ist klar und deutlich gesjprochen. Rußland wäscht sich 
die Hände und sagt zu Oesterreich: Hiljst Du mir nicht ernstlich 
msere Glaubensbruͤder vom Türkenjoch befreien, so werde ich ge— 
wungen sein, die Geister des Panslavismus wider dich loszulassen, 
aud dann Guade Dir Gott7 Mau kann nicht offener drohen, 
und die Wiener und Pester werden später nicht sagen können, es 
habe ihnen an Warnung und Mahnung gefehu. (B. Tabl.) 
Der ‚Köln. Ztg.“ zufolge ist von Preußen ein Antrag beim 
Buudesrath auf Beschtänkung der Gewerbefreibeit fur vie aͤrztliche 
Biaris in Aussicht genommen; es soll nur noch das Ergebniß der 
jatistischen Eihebungen über den Umfang der Knipfuscherei abge⸗ 
vartet werden. Die Uevbelstande, welche die bestehende Gewerbe⸗ 
reiheit in dieser Beziebung hervorgerufen, scheinen der preußischen 
segierung in solcher Stärke' hervorgetreten zu fein, daß Abhilfe 
geboten sei. 
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.Bermischtes. 
, Zweibrücken, 26. Juli. In der heutigen Sißung des 
Zuchtpolizeigerichts dahier wurde das Urlheil vertünder in dem 
dteasprocesse gegen vie drei Beschuldigten, welche sich wegen Vetrugs 
»urch Taäuschung des Rennkomite's verübt- am Tage der letzien 
Wettrennen (September 1875), zu verantworten“ hatten. Ein 
ckerer aus Moͤrzheim (Kantons Ländau) hatte nämlich beim vorigen 
Kennfeste das Pferd eines Eljasser Laudwitthes mit dessen Einwil⸗ 
igung hierhergebracht, dasselbe vor dem Rennkomite als sein Eigen⸗ 
hum und als in der Pfolz geboren ausgegeben“und dadurch die 
Etlaubniß erschhwindelt, doß sein Sohn sich mit diesem Pferde bei 
den Rennen III und VI, bei denen nur pfalzische Pferde zugelassen 
vurden, betheiligen kounle. Bei de den Rennen gewanndeeses 
Pferd, das bei den Weißenburger Rennen schon mehrfach gesiegt 
hatte, den ersten Preis. Vater und Sohn wurden wegen Betrugs 
zu je ein Momat Gefängneiß, der Elsafser Landwirth, der Eigen⸗ 
hümet des Pferdes, aber wegen Begünstigung zu 8. Tagen Gefaͤng⸗ 
aiß verurtheiilit. 63Zwelb. 3.) 
Dem „C. Anz.“ schreibt man aus A lherssswetler, 27. 
Fuli: Bei hiesiger Station ereignen sich gestern Nachmit?ag ein 
LUaglück, indem der Bahnarbener Neubauer dus Godramstein, als 
ex. um einem einfahrenden Zuge auszuweichen, über das Geleise 
urückgehen wollte, mit dem Stiefelabsatze bängen dlieb und hinfiel, 
o daß ihm ein Schuttwagen über den Kopf fuhr und sein Tod 
augenblicklich erfolgte. 7 .d 
In Kirrweiler hal sich der Rhpf.“ zufolge in der 
Nacht vom Sonntag auf Montag der etwa 17jährige Sohn des 
voctigen Lehrers R. erhängte, nachdem ·er noch Rachmittags mit 
einen Kameroden spazieren gegangen war. ... 
F.Em Vergmann in Sulz dach neckte seinen Nachbar, emen 
Schneiber, am offenen Fenster, während dieser auf dem Schneider⸗ 
ische saß, durch Kitzeln an der nackten Fußsohle. Darob ergrimmte 
der tapiere Schneider und ergriff die Scheere, eine Waffen, die er 
vohl zu führen wußte, und stitß dem Bergmann den spitzen Stahl 
dicht am Schlüsselhein in die Brust. Erne Schlagader war durd 
den Stoß durchgeschnitten und in bobhem Bogen speitzte das Blut 
aus der Wunde des sodilich Getroffenen, der in wenigen Minuten 
in Verblutung verstarbe Der he! denmüthige Schneider ist inzwischen 
estgenommen und sitzt- h nter Schloß und Riegel im Arresthause 
zu Saarbrücken. . 
t Nach, dem antuichen Sanitälsberichte über eine plötzliche 
und gleichzenige Erkrankung einiger Hundert Einwohnet der Stadt 
Nordhausen unter Vergiftungosihmptomen äst diese Erktaulung 
aach genossenem rohen, Braifle sch erfolgt. Die Schädlichkeit des 
gehackten Schweinefleischs ist durch Beimengung von Rindfleisch entt 
tanden, welches von einer krauken Kuh hertührte. Die Kub ka 
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Berlin, 27. In Kreisen, die in der Regel für gut informirt 
gelten, nimmt man au, daß General Ingnatieff nicht mehr nach 
Konstantinopel zurüclehren wird. So schmeicheli man sich in Wien 
und fteut' sich, diesen „befreundeten Feind', am Bosporus losge⸗ 
worden zu sem.“ Auen diese Freude wird schwerlich lange vor⸗ 
balten; denn Ingnateff ist nicht der Mann, der sich ohne Weiteres 
ei Seite sieben ließe. Schreibt man doch aus Peiersburg an⸗ 
cheinend abwiegelud und doch drohend genug: 
„Der all rdings allgemenne Wunsch, denbedrängten Stammes- 
und Glaubensgenofssen wenißstens ducch Vetpflegung, Heilung und 
Unterstützung der Ledenden unter ihnen, zu Hufe hu kommen. 
cheint den Koryphäen des bereits emeritirt geglaubten Panslavis- 
mus eine günst:ge Gelegeuheit, wieder in die Saiten der verklungenen 
Leier möglichst rauschend zu greifen. Patriotismus, Nationalität, 
humanität werden im Gespräch gedeuckt ins Gesecht geführt, um 
u fragen, ob dem die Zeit noch nicht gelommen fei, um alle 
Slaven in einem großen Slaveureich zu vereinigen? Wie ab⸗ 
wetzrend die Regierung sich seit Jahren zum“ Panslavismus, seinen 
Aposseln: und Vereinen gestell,, ist ja nicht allein in Rußland, son⸗ 
dern auch im Auslande bekanut genug; es taun ihr daher wahrlich 
nicht angenehm sein, zu sehen, wie diese ele gischen und gleichzeitig 
nithyrambischen Ergüsse an der Theilnahme des Publikums für die 
dlagen der Christen in der Türkei einen sehr ewmpfänglichen Boden 
finden und emsig als Samen ausgestreut verden, um zugleich fur 
das Slabenthum zu wirken. Selest das jetzt in England lauer 
und machtiger werdende Gefühl der Theilnahme füt die üaterdrückten 
und verzweifelnden Christen wird als Beispel gebraucht, das man 
doch auch wohl in Nußland befolgen könne. Ddas Alles ist freilich 
iür den Augenblick noch ungefährlich; aber es könnte i nach der