Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler AAnzeiger. 
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41311.. Samstaa, den 18. August 
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Deutsches Reich. 
Berlin. Ueber ein angebliches Projekt des Fürsten Bismard 
ur Regulirung der orientalischen Frage laßt sich die „Gazz. 
»Italia“ von ihrem Wiener Corr⸗ spondenten einige nähere Mit⸗ 
de lungen machen, die wir unsern Lesern nicht vorenthalten wollen, 
oͤschon sie in der That nur dem Bedürfaiß nach interessanten“ 
steuigkeiten entsprechen. Nach d esem Projelt des deutschen Reichs⸗ 
anzlers soll Oesterreich Bosnien und die Hegemon'e über die Süd⸗ 
laven gegen entsprechende Eutschädigungsleistungen an Deutschland 
chalien. Rußland, daß diesem Projekte zu Folge keinerlei Gebiets⸗ 
mschädigung und nur indirelte Vortheile erhielte, könne, wie es 
veiter heißt, den deutschen Plan, der auch vou England unterstützt 
vürde, schwerlich acceptiren, weshalb eine Koalnion Deutschlands, 
cknglands und Oesterre chs gegen Rußland einen hohen Grad von 
Wahrscheinlichteit sür sich habe, wenn Letzteres sich nicht darein füge 
u erlauben. daß die oͤsterreichisch⸗ ungarijch · slabische Monarchie das 
Testament Peters des Großen vereiile. Die Ungarn seien zwar 
jegen das Projelt des Fürsten Bismarck sehr eingenommen, allein 
er Kaiser Franz Joseph sei demselben perjönlich sehr günftig ge⸗ 
iunt. Freiüch bliebe immer noch die Klippe der Entschädigungen, 
velche Oesterreich an Deutschland zu leisten habe und über diesen 
Huntt walte das tiefste Dunkel und Niemand köune vorhersagen. 
velche Transaktion man wohl aussinnen werde. 
So weu wir unterrichtet sind und aus der disherigen Politik 
nes Reichskanzlers Schlüsse auf jeine Stellung zur orientalischen 
5rage ziehen ko men, erscheint es uns zweifellos, daß er nicht daran 
Anten vird, ein Wohlwollen jür Oesterteich zu bethätigen, das zu 
mem Bruch mit Rußland führen köante. J 
Berlin. 16. Iug. Die deutschen Einzelstasten haben in 
ctzter Zeit wiederholt die Gelezenhenn zum Aukauf von Privatbahnen 
enutzt. In der „Schlesischen Pr.“ fiuden wir folsge de Zusfammen⸗ 
tellung der einzelnen bishet darüber mitgetheilten Nachtichten. Am 
Iim siud die Bahnsltecken Halle - Zossel und Nordhausen- Nixei 
uus dem Besitze der Magdedurg⸗Köthen · Holle-Leipziger Eisenbahn⸗ 
zeselljchaft in das Eigenthum des preuß schen Staates übergegangen. 
don demselben Tage ab erwarb das Köunigreich Sachsen die Eisendahn⸗ 
irecke Leipzig⸗ Riesa⸗Dresden, Leipzig⸗Dödel-Dresden, Rfa⸗Röderau, 
diesa- Eifterwerda, Roderau-Langenberg, Priftewth⸗Großenhaim, 
dossen⸗Freiberg · Mulda von der Leipziger Eisenbaha⸗Kompagnie, 
erner die Strecke Chemnitz Aue⸗Adorf und die Eisenbahn von 
Wolfsgefährt über Berga, Greiz, Elsterberg und Plauen nach Weischlitz 
uͤhrend, don der Sachsisch-Thüringischen Gefellschaft, so wie vom 
5. Juli ab die Eisendahn —XELV 
ie Vahnstreden Gießen Fulda und Gießen Geluhausen sind vom 8. 
adugust ab aus dem Besitze der Oberhessischen Eisenbahngesellschaft 
a das Eigenthum des großerzoglichen hejsischen Staates übergegangen. 
yn Folge dessen kommt jetzt hinsichtlich des Verhaltaisses der Post⸗ 
erwältung zu diesen Eissnbahnen, das Eisendahn Postgesetz vom 
20. Dezemnber 1875 nebst den dazu erlassenen Vollzugsdestimmungen 
vom 9. Februar d. J. zur Anwendung. 
Berrin, 16. Aug. Die „Prov.Corr.“ ft'ert die Ankunft 
nes Kaisers in dir Heimath und wirft dabei einen Rückblick auf 
ne Zusammenkunfte des Kaiseis mit dem Kaiser von Rußland in 
5ms und mit dem Kaiser von Desterreich in Salzburg. Sie sagt: 
Alle Welt erkenut, daß die Bedeutung dieser fürstichen Begegnun⸗ 
en über die Tragwete gewöhnlicher Höflichkeitsbeweise hinausragt; 
ne gelten als wiederholte Besiezelung des dauernden Einvernehmens 
wischen den 3 Kaisermächten, welches unter schwierigen Umständen 
ich als Börgschaft des europäischen Friedens erprobt hat, und sich 
uch in Zulunfn bewähren wird, um ernste Aufgaben zu einer fried- 
chen Losung zu führen. — Die „VProv. Corr.“ trinisirt Profefsor 
euleaut' Urtheil über die Leistungen der deutjchen Industrie in 
ühadelphia und fühtt aus, daß die' dortige Ausstellung kein Bild 
tutscher Leistungssahigleit darbiete. Sie erklärt den Mangel eines 
forijchristes mancher Fabrikationszweige aus den Kriegsstürmen und 
zus den wirthschaftlichen Erschütterungen, bezeichnet die Billigkeit 
eutscher Erzeugnisse aicht als einen Irrweg, fondern als eine Lei⸗ 
ung für hohe Kulturzwecke und sagt hinsichtlich des Vorwurfes, 
daß in dem Kunstgewerbe patriotische Motive vorherrschten, dieser 
horwurf treffe das deutsche Volk, das sich dieses Lergehens gern 
chuldig belennen dürfte. Der Artilel schließt: Man darf nicht be⸗ 
weifeln, daß Proftssor Reuleaux lediglich von dem Gedanken ge⸗ 
Aitel war, durch einen ernsten Mahmuf auf Selbsterkenntniß und 
Debung des deuischen Gewerbefleißes hinzuwirlen — das Mahnwort 
vird gewiß nicht ohne Wirkung bleibha. 
Aussand. 
Belgrad, 12. Aug. Die im Kriegkministerium zu sammen⸗ 
zestellten Verlustlisten weisen 6260 Todte und 5600 Verwundete 
zuf. Ob diese Ziffer die richtige ist, mag dahingestellt bleiben. 
Aber selbst vorausgejetzt, die Armee würde keine anderen Verlußte 
rlitlen haben, so steüen sich dieselben doch hoch genug, indem sie 
ingefähr 15Prozent der Gesammistärke ausmachen. Es dürfte 
iber unzweifelhaft aoch biele Tausende an Vermißten, von den 
kscherkessen Ermordeten und anderweitig zu Grunde gegangenen 
zeben. Man wird schwerlich fehlgehen, weun man annimmt, daß 
zei 18,000 Mann verloren sindd. 
Entgegen der Pol. Corr.“ melden sümmiliche Blätter, daß 
Serbien die Fortsehung des Krieges beschlossen habe. Wie die 
D. A. B.“ erfähri, sand nach deim Bekanntwerden von der Rück⸗ 
Ihr des Fürsten Milan vor dem Schlosse eine großartige Demon⸗ 
zration des Volkes statt. Die dichtgedrängte Menge forderte stürmisch 
zie Fortsetzung des Krieges. Fürst Milan trat heraus, und erklärte 
inter großem und allgemeinem Beifall, daß ihm ein Prinz geboren 
e; daß soeben die Nachrichten eingelaufen feien, wonach die Serben 
in der Drina und am Javor die Türken besiegt haben, daß 120,000 
Zerben in fester Stellung zwischen Paraxin und Alexinatz die Türken 
rwarten, und daß er selbst entschlossen sei, den Kampf bis zum 
jußersten zu führen, und nicht eher Frieden zu schüeßen / als bib 
das Zel erreicht sei. Unter enthufiastischem Beifall fügte er hinzu, 
daß er zum Heere zurückkehren und das Schichsal desselben theilen 
veide. — Risuͤc bleibt auf seinem Posten. Fürst Milan begiht 
ich zut Armee, zuerst nach der Drina und von dort nach Paraxin. 
Zwischen den Türken und Monfenegrinern ist gegenwärtig eint 
Bause, eine Art von stillschweigendem Waffnstillstand, eingetreten, 
Ja Friedensunterhandlungen zwischen den Tücken und dem Fürsten 
stikolaus startfinden. Indessen hat letzterer die Anerbietungen, die 
hm von türkischer Seite gemacht sind, dis jetzt abgelehnt, weil 
hmm die conceditien Abtretungen zu unbedeutend find. Fürst Nikita 
verlangt angeblich namentlich: den Hafen von stlek, um den Zu⸗ 
zang zum Heeere zu gewinnen, ferner die Ausdehnung bis an die 
Tara, und die Einverleibuag von Trebinje bis zur Höhe von Gaczlo. 
Fürst Nikita, der nach der Schlacht bei Vucidol eine große 
Anzahl gefallener Türken hatte beerdigen lassen, sendete übrigens 
eser Tage an Moukhtar Pascha durch einen Boten ein Schreiben, 
n welchem er ihn ersuchte, ihm seinerseits einen Parlamentät behufs 
zegenseitiger Verabredung über die Art und Weise zu senden, in 
velcher die große Anzahl der bei Bilek gefalleuen und noch nicht 
egrabenen Tuͤrken beendigt werden könne. Die Türken feuerten 
edoch auf den montenegrischen Boten, welcher, glücklicherweise un⸗ 
erletzt, in das montenegrinische Lager zurückehrte. Die Leichen 
)er gefallsaen Türken verpesten somit noch fortwäbrend die Luft in 
der Umgebung von Bilek. 
Die Lage auf dem Kriegsschauplatze ist eine underänderle. Die 
Futscheidung, falls noch überhaupt eine solche auf dem Schlactfelde 
zu gewärtigen ist, dürfte im Moravathale erfolgen, wo auch alle 
sethischen Kraͤfte lonzentrirt sind. 
Das Verdammung:? urtheil Reuleaurs über die 
deutsche Industrie 
vird in der N. Züricher Zig.“ von deren Berichterstatter über die 
Weltau-ssellung in Philadelphia, einem geborenen Schweizet — 
1. On in Bern — wee folgt besprochen: