Full text: St. Ingberter Anzeiger

Ein upheimlicher Gal. In einem bielbesuchten. Biarlolal 
in Berlin saßen am Sonnabend die Stammgäste am Kaisonirtisch 
nei einander und debattirten über einen ee der laut 
Zeitungsberichten in einem Dorfe bei Zofsen vorgelommen sein soll, 
Bon den Gästen gab einer nach dem andern Mittel an, um das 
Wiederaufwachen im Brabe zu, verhüten. Während des ziemlich 
zauten Dispuia. trat'ein steinalt scheinender, ganz schwarz gekleide⸗ 
ler Herz in das Lokal. Sein Antlitz sah detwittert aus, die Stirn 
war Kef geförcht, die wenigen Haare seines Schädels, sowie der 
Bart schilerten in rothet nud graues Mischung. Nach einew lur- 
sen Suten Morgen“?, das dumbf und hohl wie aus dem Grabe 
jommend, klaug, setzte er sich sans sagon in die Reihe der Gaͤfte, 
ergriff· das vom sKellner vor ihn hingestellte Glas und trant, ohne 
bon der GesslIlschaft irgend weiter Notig zu nehmen. Das Gespräch 
aber Sqcheintodt und Wiedererwachen hatte indessen seinen Fortgang 
senommen. während der Alte düster auf sein Glas niedersah und 
in Geust sich in einem gang andern Ideentteis zu bewegen jchien. 
Zndlich stieß ihn ein dicker Fleischermeister ia die Seite und stellte 
die Frage: „Na, wie ist denn Jhre Ansicht von der Sache d Blau⸗ 
den Sie, daß Jemand vom Tode wieder erwachen kann?“ Der 
Berwitterie ah den Frager eine Weile starr an, dann gab er mit 
efer Betonung zur Antwort: „Ich selbst bin ein vom Tode Er⸗ 
dandener!“ Alle sahen verwundern auf den Alten, der, nachdem er 
en Glas geleert, fortfuhr: „Die Zeitungen wenigstens haben mei⸗ 
jen Tod schon mehrfach verkündet und mir Grabieden gehalten? 
iber wie Sie sehen, lebe ich noch. Sie wollen ein sicheres Mittel 
zegen den Scheintod; das untrüglichste ist doch immer das Kopfen⸗ 
affen.“ Die Gaäste sahen sich verstört an. „Zum Schwe... wer 
ind Sie denn )2fragte wieder. der kuragite Sqalachtermeister, 
Ind wo kommen Sie her?“. Der Alte holte tief Athem und er⸗ 
ahlten: Ich komme aus meinem einsamen Häuschen, das achtzig 
Hreeilen von hier im Walde steht auf rother Erde. Die Sehnsucht 
sog mich nach Berlin, um hier, im märlischen Museum, noch ein⸗ 
nal daa Richtbell zu sehen, mit dem ich in 50 Jahren 97 Koͤpfe 
derat geschlagen habe, ich bedauere nur“, „jügie er mit einem 
Zeitenblick auj den feuen Hals des Schlächters dei, „datz drei am 
Hhuudert fehlen.“ Hier stand er auf und nahm seinen Hut: Meine 
herren, der todt geglaubte, obec noch lebende Scharfrichter Reindel 
empfiehlt sich Ihnen?“ Damit vrrschwand er höhnisch grinsend, 
wie Miephifin; der dicke Metzgermeisser aber befühlte rosch seinen 
hals und fing an — das Grufeln jzu lernen. 
Die Sucht nach Festlichteiten Wwelche trotz der schlechten 
Zeiten mehr und mehr überhand nimmt und leider in allzugroßenn 
Maße befriedigt wird, geißelt nachstehende Inschrift, welche beim 
Turnfeste in Vern an einem Hause ptangie; in treffender Weise: 
Die Wasser hoben weite Strecken verheert. 
Das Feuer Siädie und Dörfer verzehrtt. 
Was Wasser und Feuer bis setzt nicht fand. 
Berjubelt die Festsucht durchs ganze Land. 
Dieweil man imi Ausland um Gaben fleht, 
Man ein Fest unis andere hier festlich begeht. 
pCapitän Boyton. Wien, 11. Aug. Capitän Boyton 
hat das gewaltige Bravourstück, die Donau von Lirz bis Wien 
ohne Unterbdrechung in seinem belannten Kautschuk⸗Apparate zu 
durchschwimmen, in glüdlichster Weise gelöst. Nachdem er gestern 
Vormitags 10 Uhr Lun verlafsen hatte, passirte er anstandslos 
den gefahrvollen Strudel bei Grein, sywamm die ganze Nacht hin⸗ 
zurch und kam um R.1I1 Uhr bei Nußdorf in Sicht. Langs des 
Wiener Donaukanalt sammelle sich vom „Hotel Metropole“ auf⸗ 
wärts bis zur Brigittabrlicke eine nach Tauseuden zäblende Menschen⸗ 
menge. Um 12 Uhr kündeten brausende Hochrufe, doß Boyton an 
der Brigitabrücke angelangt. Er schwamm mitten im Strome, 
lag glan mit dem Nucken auf dem Wasser und hielt in den Handen 
ein kurzes Doppeltuder, welches er mit —IXXC Gewand⸗ 
heit handhabte, daß er trotz der starken Stromung mit Leichtigkeit 
sich jede beliebige Direllion gab, wohl auch sich ganz umwendete 
and mit dem Kopfe voraus weiter schwamm. An den fre bewege⸗ 
ichen Füßen war ein kleines Segel aufgeheßt, auf welchem das 
amerikanische Sternendanuer wehte. Auf der Brust hatte Bohton 
ein kleines Horn liegen, auß welchem er zeitweilig weithin hoͤrbare 
Signale gaß. Das Gesicht des lühnen Schwimmers ist volllommen 
—ER— 
Als die jubelnde Zurufe der Zuschauer immer ledhafter wurden, 
erdob Bohson den Kopf frei üder das Wasser und winlte mit den 
dänden dankend zu. Um Karlsstege, wo er im weiten Bogen ans 
uͤfer duderie und landete, war das Gedrange wie der Veifall am 
lebhaftesten. Bohton wurde, nochdem er aus dem Wasser gestiegen, 
oom Direkior des Hotels Metropole“, Herrn Speiser, begrüßt und 
dann in das Hotel geleitet. Hintendrein drängte und dalgte die 
Menge, so daß die Sicherheitswache alle Muhe haite, die Ordnung 
zu erhalien. Bohion zeigte nur wenig Ermüdung. Troß der außer⸗ 
ordenilichen Tour stieg er mit elaslischen Schritten über die Stiege 
degz Hotels, um sich in seinem Gemache des Soe Cniu⸗es er 
miledigen. Derselbe besteht aus schwarzem Kauischuk und ist ganz 
nach Ärt der Taucheranzüge geferiigt. Die Stadt Kramd hal Voyton 
heute Nacht um 190 Uhr passirt. 3 
In der Kuche St. Auanstin wurde am Dienstag Mitlags 
im ·I Uhet“ die übliche Bonapartisten · Messe gelesen. Die Kirche 
var ziemlich voll doch hatten fich nut wenige der, Notabilitaten 
zer Partei eingesunden man gewahrte Herrn Rouher mit Frau 
ind Tochter, die Cassagnact, Bugue de la Fauchoterie, Robert 
Ritchell, einige Miliiars und etliche Veleranen min der St. Helena 
Nedaille, waͤhrend die anderen den unberme dlichen Veilchenstrauß 
m nopfloch rügen. Die Feierlichteit ist nicht ganz ohne Stdrung 
er Außeren Nuhe verlaufen. Als nämlich nach Schluß der sirllen 
Messe das Puablikum die Kirche verließz, bildeten sich gewohnter⸗ 
naßen auf dem Plate vor derselben Gruppen, welche der Führer 
er Partei harrten, um sie mit ihren Zurufen zu begrüßen. Bald 
eschien denun anch Paul de —3 „notre Paul“ wie ihn die 
ungeren Anhänger Napoteon 1Y. mit Stolz zu vennen pflegen, 
in der Seite seines Vaters und des. Adbokaten Lachaud und unun 
var der Rufe: Vive Cassagnge des Schwenlens mit Hüten und 
deilchensträußen kein Ende. Da die Nenge, sich immer tobender 
eberdete, eilte auf den Larm eine Abtheilung Stadisergeanten, die 
ur alle Falle in dem Hofe der naben Pepiniere⸗-Kaserne Posto 
sefafft hatle, herbei, trennte den jungen Cossagnac von jeiner Be⸗ 
teinung und führte ihn, sich nur mit Mühe einen Weg durch die 
demonstranten brechend, nach einem einige hundert Schritt von 
er Kirche stebenden Fiaker, den der Abgeordneie des Gers⸗NPepur⸗ 
ements nolens volens besteigen mußte. Die bonoharhistschen Heiß⸗— 
porne wollten sich diese Entsuͤhrnng nicht gesallen laffen und setzten 
ʒen Tumuit forn; die Polizei verlox chlieslich die Geduld, nahm 
inige der argsten Schreier seste nud führte sier nach den nächsten 
—XLLER Die Ver⸗e 
zasieten sind nach einem kurzen Verhör wieder in Freibeit gesetzt 
vorden. Herr Rouher hatte sich dieser Odvation“ klüglich duxch 
ine Hinterihue der — Am 20, Auguit soll in 
Areneuberg ein kleiner Congreßz bongpartißischer Senatoren und 
Abaeord clen slanfindei. — 
Arhen, 12. Aug. Zu Patras find bei einem Erddeden 
ine Unzahi Hanser eingestürzt. — Die Capitäne des „Hylton 
Tastle* nad Agrigent“, jener beiden Schiffe, welche seiner Zeit in 
er Nähe der griechischen Küste zusammenstießen, sind wegen fahr⸗ 
assiger Tödtung in Anklagezustand vers zt worden. 56 
x Fünshundert und dreihig Frauenzimmer prackiciren in den 
Bereinigten Staaten als Aerzte, viernadzwanzig als Zahnärzie, ünf 
als Adbokaten und achtundiechszig als Prediger. 
GBaAcLices. 
Wir haben Wanzen!“ Diese drti Worte sind schob mancher 
usfcau emschlupft . —diese drei Worte, haben — schon manche 
nNaflose Nacht bereitet — schon manches schoͤne Stuck Geld dem 
Familienvater gekosftet! Und doch gibt es zur Verneidung dieses 
sen Schmutz lebenden, lichtscheuen Thieres ein ganz leichtes, billiges 
ind sicher wirkendes Mittel, welthes wir hiermit im offentlichen 
zuteresse bekanntgehe“ wollen. Man nehme * Kilogramm Salz, 
oͤse es in einem ungefahdr 8 Liter kochendes Wasser enthaltenden 
kopfe auf, Pinsele daun mit dieser Flüssigkent diejenigen Gegenstände 
sder die betreffenden Stellen, wo sich die Wanzen aufhalten, ein, 
ind man kann fichet sein, daß Brut und Wanze deraichtet ist.? 
fDie Fliegen vertreidt man am einfachsten dadurch, daß 
nan ileine Gefaͤhe (Napichen). mit Lordeerdl gefüll:. auf Tische, 
Sumse und Schränte fiellt und dann eine Zeit, laug die Fenfter 
noglichft wenig dffnet. Die Fliegen können den Geruch nicht er⸗ 
ragen und suchen ihm zu entfliehen. — Unendlich leiden die atmen 
dühe und Pferde wahrend der heiten Sommerzeit von den Fliegen 
ind Bremsen. Man nehme einen zugebundenen Topf mit Butter 
ind stelle ihn im April und Mai bis Junl in die Sonne. Die 
zutter wird natürlich ranzig, sauer, übelriechend werden. Mit dieser 
zutter bestreiche man die Weschirre, was dem Leder dienlich, den 
*liegen aber entseßlich unangenehm ist, wian kann auch, um die 
senn zu schärfen, noch geschnuttenen Wermuth hinein thun. Ge⸗ 
nitiener Wermuth in Wasser ausgeweicht und damit Kühe und 
cerde gewaschen, hält jede Fliege sarn. 
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Die Prrksungen zum einjäterigen Milinardienß, werden überal 
srenger abgehalten und es ist gewiß rathsam, die jungen Leute. 
velche wohl Talent, aber wenig Fleiß daben, in einem Pensionat 
interzubringen, wo sie unzer sirenger Aufficht seben, besonders wenn 
ie Lehrunstalt ihren Zöglingen, welche die IV. Kieffe absoldiren. 
e Berechtigung zum einjährigen Militärdientt verleihen dann. 
das Internativrnal⸗-Institut zu Vruchsal bietet diese 
boriheile und hot jahrlich eine große Anzahl don Pensionären auf⸗ 
uweisen. Im Jahre 1874 wie in 1875 wurden sämmtliche Abi⸗ 
rienten der FF, Klasse ols bestanden erklart und dürfen ohne 
nilere Prusung ais Cinjahrig-Feeiwilliae in deutichen Raichsß-⸗r- 
denen.