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M 135. Samstag, den 26. August J J 1876
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Deutsches Reich.
München, 21. Aug. Vom Finaganzministerium wird im
Laufe dieser Weche die Ernweisung der Beamtengehaltsmeheung
(durch Unrechnung des Guldens in 1M. 80 Bfq.) und der
pragmatisirten Theurungszulage an die betreffenden Kassen erfolgen.
München, 21. Aug. Der Jahr sbdericht der Haudels⸗ und
Zewerbekammer für Oberbahern pro 1874/75 enthält folgende Be⸗
aerkungen: Die Beschlüsse des Reichstoges trugen den bayer. Rechts⸗
zuständen die gebührende Rechnung, gleichwohl können sie nicht
in allen Beziehungen vollständig befriedigen. Die Handels-⸗ und
Sewerbekammer hat sich vornehmlich gegen die Statuirung einer
Beitrauspflicht des Arbeitgebers zu den Hilfskassen auszesprochen.
Indessen hatle dieser Wunsch, welcher auch von anderen Handels-
jammern getheilt wurde, obwohl er in der Reichstagskommission
elbst mehrere Anhänger gefunden, keinen Erfolg. Im Laufe des
aächsten Jahres erreichen die meisten, für die bayer. Industrie be⸗
onders wichtigen Handels und Zollverträge ihr Ende. Es gehören
zieher insbesondere der Handelsbertrag mit Frankreih, welcher am
1. Juli 1877, dann die Verträge mit Oesterreich und der Schweiz,
velche mit Ende des Jahres 1877 ablaufen. Das System der
Handelsverträge übte im Allgemeinen, wie die auf Veranlassung
des deutschen Handelstag's veranstalteten Erhebungen ergeben, einen
zünstigen Enfluß auf Handel und Industrie des Beiirkes aus. Es
ehlt jedoch auch nicht an Stimmen, welche die Wirkung der bis⸗
herigen Handelsverträge auf e'nige Industriezweige als eine un⸗
zünstige schildern und insbesoadere auf die Rez'prozität der gegen⸗
jeitigen Abmachungen Gewicht legen.
Berlin, 21., Aug. Die Reichsgesetzgebung in Bezug auf
die Lage der arbeitenden Classen wird, wie der „Trib.“ mitgetheilt
wird, jedenfalls im nächsten Jahre die längst geplante Erweiterung
erfahren. Man hat die Ueberzeugung gewonnen, daß die bis⸗
herigen Versuche durch Einführung gewerblicher Schiedsgerichte und
trafrechtliche Verfolgung des Contractbuches nicht ausrteichen,
um wirklich vorhandene Uebelstände zu beseitigen. Erhebungen,
welche nach allu Richtungen hin inzweschen gemacht worden und
um welche das preußische Handelsministeriua besondere Verdienste
hat, werden auch jetzt noch forigesetzt und sollen, nachdem die ge⸗
wonnenen Resultate, wie dies zum Theil bereits geschehen, verdffent⸗
iicht worden, als Unterlage für die Gesetzgebung benutzt werden.
Nachstens wird Professor Reuleaux aus Philadelpohia zurücker⸗
vartet und soll decrselbe alsdann dem Reichslanzleramte einen um—⸗
iangreichen Bericht über seine Wahrnehcmungen in Philadelphia
erstatten. Wie man hört, wird das Reichskanzleramt mit einer
Beröffentlichtug und Beleuchtung des Reuleaur'schen Urtheils vor⸗
zehen. Die „Post“, wilche am allereifrigsten gegen die Ansichten
des Herrn Releaux zu Felde gezogen war, erfährt heute, wie sie
jelbst bemerkt, von offiziöfer Seite, seine Rüdkehr werde sich nicht
mehr lange verzöern können, da derselbe nur einen beschränkten
rlaub habe und „de Unterbrechung seiner amtlichen Thätigkeit,
jamentlich in Bezug auf die Verdandlungen wegen des zu errich⸗
lenden Potytechntkums lebhaft empfunden wird.“
Bechin, 23. Aug. Die Vermehrung der direlten Reichs⸗
einnahmen ist der Regierang im Reichstage empfohlen worden.
Wie die „Voss.Ztg.“ nun vernimmt, find die Vorarbeiten zu einer
Borlage, über Reichsstempelsteuern im Ginge, welche ebenso wie die
Wechselstempelsteuer zu erheben und an die Reichslasse abzuführen
ind. Es handelt sich dabei um Ueberweisung fast sämmtlicher Ge⸗
bühren oder Auflagen an das Reich, welche der Staat theils beim
Erwerb und bei der Ueberttagung von Privatrechten, theils für ein⸗
jelne Dienstleistungen bei Verhandlungen mit den Staats- und
BZerwaltungsbehörden erhebt. Unter Reichsstempelsteuer würde dem⸗
zach nicht blos der nach dem Werth, welcher die stempelpflichtige
Arkunde darstellt, zu ergebende Werth⸗«, Klassen⸗ odet Gradations⸗,
ondern auch der von den bei dea Behörden ein- und ausgehenden
Schriften zu verwerthende Schriftstempel zu verstehen sein. Beide
Arten des Stempels sind in allen Bundesstaaten eingeführt, und
hdedürfen einer einheitlichen Regulirung bei der bevorstehenden Reichs⸗
zefetzgebung schon des halb, weil das Reich ein einheitliches Handels⸗
ind Verkehrsg ebiet darstellt. Zieht man nun in Betracht. daß die
Ztempelgefetze in vielen Bundesstaaten LAußerst weitläufig und com⸗
olicirt, dern Laien oft unverständlich und sinnverwirrend sind, daß
elbst für sachkundigen Behörden ihre Anwendung mit großen
—„chwierigkeiten verbunden ist, so ergiebt sich, daß die Sammlung
ind Sichtung des zur Aufstellung eines Gesetzentwurfs über die Reichs—
tempelsteuer erforderlich n Materials eine sehrumfassende Aufgabe ist.
Die Arbeiten zur Herstellung des deutschen Civilgeseßbuches
iehmen, wie man schreibt, einen glüchlichen und jedenfalls schnelleren
Ber lauf, als man anfänglich doraussetzte. Das System der Ver⸗
heil ung der Arbeiten bewährt fich ganz außerordentlich. Besprech⸗
ingen uater den Referenten stellen in Aussicht, daß das Endziel
rüher erreicht werden wird, als man aufaänglich glaubte, gleichwohl
vird von kundiger Seite die Annahme, als ob bereits 1881 oder
1882 die Einführug des deutschen Civilgesetzbuches erfolgen könnte,
ils eine jedenfalls übertriebene Hoffnung angefehen, zumal da man
den Einfluß der bezüglich der Juftizgesetze zu erzielenden Resultate
auf den Gong der Arbeiten jedenfalls in Berüdsichtig ziehen müßte.
Die „Kreuzztg.“ veröffentlicht an hervorragender Stelle fol⸗
zenden Bericht aus St. Petersburg, 12. August, welcher nicht
zerfehlen wird Aussehen zu erregen: „Gestern deim Korpsmanöver
n der Gegend von Krasnoes⸗Selo stellie Se. Majestät der Kaiser
einen ältesten Enlel, den am 18. Mai 1868 geborenen Großfürsten
Nikolai Alexandroitsch in die Reihen des berühmten Pawlowsty'
chen Garderegi ments. Der junge Großfürst war in Felduniform
nit Sabel und Revolver und führte als Fähnrich den ersten Zug
der Leib Kompagnie. Darauf lud der Kuaiser die sämmtlichen Offi
siere in sein Zelt und hielt an fie in bewegter Stimmung eine
jerzliche Ansprache. Er sagte u. A.: Bis jetzt habe er seit Jahren
zas theure Blut seirer braven Pawlowsker schonen koönnen, bald
aber würde veell icht die Zet kommen, wo er auf ihre schon so oft
ewährte Tapf erkcit rechnen mößte in der Ueberzeugung, doß das
Kegiment wie früher seine Schurdigkeit hhun würde. Die Worte
des verehcten Mo archen wurden mit Begeisterung aufgenommen
und mit lautem Hurrah beantwortet. Der Kaiser trank dann auf
das Wohl seines Rgiments, dissen Chef er seit mehr als 30 Jahren
st; der Großfürst-Thronfolger brachte als zweiter Chef die Gesund⸗
zeit des Kaisers aus, worauf auch der junge Großfürst auf das
Wohl seiner Kameraden trank. Das Regiment hat nun die seltene
Ehre, den Kaiser, den Thronfolger und dessen ältesten Sohn als
Thefs zu besitzen. Die Worte Sr. Maj. des Kaisers werden von
den jüugeren Offitieren so ausgelegt, als ob eine Kriegserklärung
in die Türkei bevorstehe. Daran ist aber vorderband nicht zu
denten. Viele Rufsen, welche das Drei-Kaiser-Bündniß ein un⸗
ruchtbares nennen, wünschen eine Verständigung mit Engiand, um
n Gemeinschaft mit der englischen Flotte die politischen Verhält—
nisse der Balkan-Halbinsel zu ordnen. In Foige der Nachrichten.
velche täglich über die Gräuelthaten der Türken eintreffen, ist hier
die Stimmung eine ungemem erregte, und eine Kriegserklärung
zegen die Türkei würde von Heere wie von Volke mit Enthusias-
mus aufgenommen werden.
Wie die „Deuische voltsw. Correspondenz“ meldet, bereiten die
Schutzzöllner Rheinlands und Westphalens eine Hetze gegen die
„Kolnische Zig.“ vor, vie sie gehässiger und niederträchtiger kaum
gedacht werden kann. Ein zu bildendes Comite soll Unterschriften
von Industriellen und Gewerbetreibenden sammeln, welche sich ber⸗
flichten, der „K. Z.“ weder Juserate zukommen zu lassen, noch auf
dieselbe zu abonniren, um so das Weltblatt für seine freihändlerische
stichtung zu strafen und es zu einer Aenderung seiner wirthschafi⸗
lichen Politik zu zwingen. Die feinen Leute, die von ihrer eigenen
zeistigen Abhängigkeit vom Gelosack auf gleiche Eigenschoften dei
anderen schließen, hoffen, so sagt die „D. V. C.“, der „K. Ztg.“
3000 Aborienten zu entziehen und sie pekuniär erheblich zu schä—
zigen. Zum Glück ist die „K. Z.“ Üüber solche lächerl che und
zemeine Machinationen eth ab en.