Full text: St. Ingberter Anzeiger

oung fommen, deren Grund- und Zielgedanke der folgende sein sollte: 
Deutschlands Industrie muß sich bon dem Princip der bloßen Con— 
currenz durch Preis abwenden und entschieoden zu demjenigen der 
Toncurrenz durch Qualität oder Werth übergehen. Um dennoch 
dillige, verlaufhare Waare zu erzeugen, muß sie die Maschine, oder 
allgemein gesprochen, den wissenschaftlich technischen Apparat in allen 
denjenigen Füllen zuziehen, wo dadurch die Menschenhandmit Vor⸗ 
theil für das Product ersetzt wird. d. i. wo dadurch namentlich die 
körperlichen Anstrengungen beseitigt oder erleichter; werden und, wo 
nie masfenhafte Wiederholung die Grundlage der Produckion bildet; 
dagegen muß sie die geistige Kraft und das Geschick des Arbeiters 
auf die eiçentliche Fertigstellung des Erzeugnisses verwenden und 
dies in um so höherem Grade, je mehr sie sich der Kunst nähert.... 
Der Fackoren, welche, dazu mitzuwirken haben, sind nicht wenige. 
Da sind die einzelnen Industriellen, da sind deren Gesammtheiten 
oder Vertretvngen, wie Gewerbekammern, Handelskammern, Gewerbe⸗ 
vereine, da ist die Staatsregierung als verwaltender, belehrender 
und gesetzgebender Factor, da ist auch das kaufende Publikum, dem 
ein Theil der Aufgabe zufällt, da ist endlich, und nicht als letzter, 
der Arbeiter, dem wegen der Vortheile der Verbesserung auch Pflichten 
wegen derselben erwachsen.“ 
Vermischtes. 
F Zweidrücken, 25. Sept. (Schwurgerichtsverhandlung 
der Pfalz. 3. Quartal 1876.) Verhandlung der Auklage gegen 
Franz Sauerhöfer, lediger Dienstknecht von Haßloch, wegen Raubs, 
räuberischer Erpreffung, Privaturtundenfälschung und Beitruget. 
Der Angeklagte genießt einen sehr schlechten Leumund und 
wurde schon öfter u. A. wegen Diedstahls und Privaturkuuden⸗ 
fälschung, bestraft. Am Morgen des 13. Februars abhin wurde 
er aus dem Gefänznisse in Landau entlassen. An demselben Taçe 
Nachmittags traf er in der Nähe von Otlershe'm bei Landau auf 
der Landstraße bei heftigem Schneegettober den jungen Michael 
Liebel, der gerade auf dem Wege nach seinem Heimathsorte Rül;z⸗ 
heim begriffen war. Er schloß sich sogleich demselben an unter dem 
Vorwande, sein Weg führe ihn auch nach Rülzheim. Mitten aus 
dem Feldwege zwischet: Ottersheim und Rülzheim packte er plötzlich 
seinen Begleiter an der Brust, bedrohte ihn mit einem dolchartigen 
Messer und verlangte von ihm die Herausgabe seines Geldes und 
seiner Uhr. Dieser bat ihn um Schonung, wurde aber zu Boden 
gerissen, worauf er, um loszukommen, dem Angeklagten eine Mack 
bersprach und sie ihm auch, nachdem er sich wieder erhoben hatte, 
gab. Damit war der Angeklagte jedoch nicht befriedigt, sondern 
rief: „Sie haben noch mehr, heraus damit und die Uhr her!“ 
Dabei riß er die Uhr aus der Westentasche des Liebel, so daß 
dieser die Nußlosigkeit weiteren Widerstandes einsah und ihm sein 
vorräthiges Geld nämlich vier Sechstelsthaler und einiges kleinere 
Geld, aushändigte. Der Räuber eilte dierauf mit seiner Beute 
quer über die Felder nach der Germersheimer Landstraße davon. 
Längere Zeit blieb der Thäter unentdeckt, da man seinen Namen 
nicht kannte und deßhalb seine Spur nur bis Zeiskam verfolgen 
konnte. Erst als derselbe in Schwegenheim und Germersheim ver⸗ 
schiedene Schwindeleien verübt hatte, wurde man auf idn aufmerk 
sam und ließ ihn, als der beraubte Liebel ihn wiedererkannte, 
sogleich verhaften. 
Neben diesem Raube hat nämlich der Angeklagte außerdem 
noch verschiedene Betrügereien mit Zuhilfenahme von gefälschten 
Privaturkunden zu Schulden kommen lassen. Zuerst haite er am 
5. Mai abhin, pachdem er seinen Dienst bei Ziegler in Schwegen⸗ 
heim an demselben Tage verlassen hatte, dem Kaufmann Walther 
daselbst vorgespegelt, sein Herr habe ihn geschidt urd lasse den 
Kaufmann ersuchen, ihm einige Kleiderstoffe auf seines Herrn Rech⸗ 
nung abzugeben. Zum Beweise dieser Behauptung zeigte er dem 
Aaufmann einen angeblich von seinem Dienstherrn geschriebenen, 
in Wahrheit von ihm selbst gefälschten Bries gleichlautenden In— 
haltes vor. Der Kaufmann kraute jedoch nicht recht und gab ihm 
nur einige Waaren geringeren Werthes, womit dieser verschwand. 
Aehnliche Kunstgriffe gebrauchte er, um sich in Germersheim auf 
Kosten seines dortigen Dienstherrn Bäckers Vollmer bei dem Schuh⸗ 
macher Koch ein paar Stiefel zu verschaffen. Den Kleiderhaͤndler 
Jahraus in Germersheim bewog er durch das Vorgeden, sein Herr 
lasse ihn ersuchen, ihm auf Kredit einen vollständigen Anzug zu 
geben, zur Abgabe eines solchen, ebenso den Rappenmacher Kämmeren 
zur Lieferung einer Kappe. Als dieser zur Sicherheit von dem 
Dienstherrn des Angeklagten etwas Schrifiliches veriangte, schrieb 
der leßtere einen Zettel, wie er ihn brauchte. Die drei letzteren 
Geschaftsleute ließen sich jedoch nur kdurze Zeit hinters Licht führen 
und noͤthigten den Betrüger zur alsbaldigen Hecausgade der abae⸗ 
gebenen Gegenstände. 
Sowohl den Raub wie die Betrutgereien gesteht der Angeklagte 
ohne Hinterhalt ein; das erpreßte Geld hat er in Bellheim und 
Zeiskam ausgegeben, währlend er die geraubte Uhr ersßt seinem Bruder 
Undelannten verkauft haben will. 
Die heutigen Debatten zwischen dem k. Staatsanwalt Hessert 
und dem Vertheidiger, dem k. Advolat-Anwalt Giessen, drehten sich 
haup!sächlich um die Frage, ob sowohl bei dem Raubanfalle, wie 
dei den Betrügereien mil dernde Umstände anzunehmon seien. Die 
Beschwornen verneinten das Vorhandenfein derseiben bezüglich des 
Raubanfalls und der räuberischen Erpressung, während sie binsichtich 
der beiden · lehzten Reate, der Privaturtundenfälschung und des Be— 
truges, solche, annahmen. Det Gerichtshosße verurtheilte auf Grund 
dieses Wahrspruchs den Angeklagten zu einer Gesammtstrafe von 
s Jahren und 6 Monaten Zuch thaus, zu dem Verluste der bürger⸗ 
lichen Ehrentechte auf die Dauer von 5 Jahren und zu den Kosien. 
F Der „Pf. Z.“ meldet man aus Landstuhl, 21. Sept: 
Die von dem Quellenfinder Bernatz bezeichnete, angeblich in einer 
Tiefe von 27 Fuß sich befindliche Quelle konrte bis jetzt nicht 
nufgefunden werden, obwohl die Ausgrabungen bereits bis auf eine 
Tiefe von etwa 40* vorgenommen sind. Herz Bernat behaupiet 
irotzdem, daß sich an der betreffenden Stelle eine Quelle vorfinden 
musse. In Lauterecken und anderen Orien soll derselbe glücklicher 
gewesen sein. 
F Neustadt, 27. Sept. Als Seltenheit verdient erwähnt 
zu werden, daß in dem Garten der Klein'schen Obermühle zu Lam⸗ 
brecht eben ein Apfelbaum in schönster Blüthe sieht. 
In Dürkheim wurde dieser Tage ein Probemähen mit 
einer verb⸗sserten Mähmaschine von Jul. Weil in Mannheimn ange⸗ 
sellt und wurde damit in a Stunden eine 2 Morgen große 
Wiese abgemäht. Au nächsten Dienstag (Warstmarkt) soll der in⸗ 
teressante Versuch wiederholt weiden, um den Fremden, welche 
den Markt besuchen, Gelegenheit zu geben, sich von der Leistungs⸗ 
ähigleit der Maschine zu überzeugen. “ 
t Dem „N. W.“ schreibt man aus Resborn, 22. Sept. 
Bestern fiel das Söhnchen des Heinrich Renner, Zimmermann don 
hier, ein Kind von 5 Jahren, in den Glan und ertrant, da leider 
Niemand zu seiner Rettung zugegen war. 
r Landau, 20. Sepi. Gestern tagte dahier der Verwaltungs 
rath des pfälzischen Lehrer Sterbtkassevereins, um die Jahresrechnung 
jür 1875476 definiuiv festzustellen. Das Ergebniß war höchft er— 
freulich. Die Zahl der Mitglieder betrug im vorletzten Rechnungs⸗ 
jahre 1198; hiervon 25 gestorben und Z ausgetreten, deigetreten 
aber find 33, so daß die Zahl der Miiglieder nunmehr 1203 de⸗ 
hrägt, welche einen Jahresbeiteag von 9015 M. geleiftet haben. 
Das admassirte Stammvermögen des Veteins beträgt 42,800 M. 
An die Relicten von 25 verftorbenen Vereinsmitguedern wurden 
7187 M. Unterstützungen hinausbezahlt. — Die Granewaldftiftung 
hat nunmehr ein Stammvermögen von 1360 M. und der Jinsen- 
ertrag von 53 M. wurde einer bedrängten —— 4 
—ð 
f Der „L. Anz.“ schreibt aus Landau, 25. Sepu: Die 
Weinbesitzer zeigten sich ain heutigen Weinmarkte zurüchhaliend. Es 
onnte sich daher ein besonders lebhaftes Geschäfi nichi entwickeln. 
Berkauft wurden ausweislich Prototolles nur 20 Fuder. Uebrigens 
vurden manche Geschäftsabschlüsse nicht zu Protokoll gegeben, und 
ziele Geschäfte eingeleitet, deren Abschluß, wenn nicht dereits erfolgt, 
so doch in Bälde ersolgen wird. Einige Posten waren vor dem 
Markte schon verkauft. Nach 1875er, welche verhältnißmaͤßig am 
wenigsten am Markte waren, zeigte sich die stärkste Frage und 
wurde für dieselben je nach Qualität 200 bis 275 Martk bezahlt. 
Fuür 1874er wurden 8350 bis 430 M. verlangt. Eine kleine Pattie 
1868er dedang 455 M. Für 1874er Gräfendauser wurden 950 
M. — Alles pro 1000 Liter — bewilligt. 
I Die Bollsbant in Speyer erzielte im 1. Semester 1876 
einen Gesammtumsatzz von 7,287, 100 MN., beinahe 1 Mill. mehr 
als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Am 30. Juni zählte 
die Volksbank 702 Mitglieder. 
fIn Bergh ausen wurde am 286. Sept. ein Heiligensieiner 
Bursche, welcher seine dortige Braut besuchen wollte, von einem 
Mechtersheimer derart in das Genick gestochen, daß an seinem Auf⸗ 
lommen gezweifelt wird. Als Motid wird Eifersucht angegeben. 
FWeißenburg, 25. Sept. Die in der Nähe des außeren 
Perrons uuseres Bahnhofes und des kaiserlichen Wagen sich befin⸗ 
»erden Zuschauer demerkten gestern schon lange vor Aniunft der 
jöchsten Herrschaften einen schlichten Landmann nebst Frau und 
einem in Husarenuniform gekleideten kleinen Knaben, welche nicht 
nur mitten unter den Spitzen der Behoͤrden und Ojficiere geduldei, 
ondern sehr aufmerksam behandelt und in den Vordergrund gestellt 
wurden. Als der Kaiser aus dem Wartesaal trat, wurde er von 
der laͤndlichen Familie begrüßt, worauf er unter herzlichem Haͤnde⸗ 
druck dankte, und ebenso der Kronprinz, welcher sogar den ileinen 
dusaren küßte. Die Familie war die des Kohlenhändlers und 
Dekonomen Günther aus Zeislam. Als im Jahre 1870 der Kron⸗ 
prinz durch Zeiskam kam, hatte Kohlenhändler G. Gelegenheit, dem⸗ 
jelben eine Erfcischung zu reichen. Im Laufe des Gespräches er⸗ 
juhr der Kronprinz, daß die Gattin seines freundlichen Wirtges in