Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
vVr Be. Jaßbrrter A izrizer a1d 213 (2 mil woö heillich) mit dem Zrrdtolatte verbaadeae Uiterhaltun z1886blatt, (Zonalagz mit ill asteirter Bei- 
Un ze), erj heint wo heitleh vier nil: Dieastay, Donerztaz, Sunztaz ui Soititaz. Dir Abon tementspreis beträzt vierteljährlih 
Miet 2 R8f3. Atzeigea a ry)en mit 10 Pfi., ooa Auvittt nit 15 P'j. jur die oꝛbecgeso iltea: Zeile Blaltsheift ooer deren Riun. Recla uen 
mit 30 Pfg. pro Zeile berechnet. 
ä —16. Samdtag. den 29. Januar 1876 
— 
Deutsches Reich. 
München, 26. Im. Zwischen Bayern und Preußen 
vurde eine Vereinbarung getroffen, daß die nach Bayern verziehen⸗ 
den Mannschaften des preußischeu Garde Korps nicht in die baye⸗ 
crische Landwehr übergeführt, sondern bis auf Weiteres im Modil - 
nachungssalle ihrer Stammadiheilung zur Verfügung gestellt werden. 
Die bayerischea Landwehr ˖ Bezirks Commandos haben daher die 
zetreffenden Mannschaften in besondere Listen ei nzutragen und am 
25. Jund und 25. November jeden Jahres dem vorgesetzten Ge⸗ 
atraitommando e'nzureichen, von wo dieselben dem Generalkom⸗ 
nando des preuß'schen Gorde Korps übermittell werden. 
Berlin. Dic Conservativen des Reichstag;s und des Abge⸗ 
Irdnetenvauses, so schreibt man der „Magd. Zig.“, seten alle He⸗ 
hel in Bewegung, um den Finanzminister Camphausen unmöglich 
zu machen. Besonders leb jaft sollen an der Agitation schlesische 
Adelige betde ligt sein, also vermuthlich unter diesen auch solche, 
deren Namen früher mit Boͤrsengeschäften aller Art in Verbindung 
zebracht worden wareun. Die Mühe wird übrigens verloren sein. 
In der Sitzung des Neichstages vom 26. d. gelangte endlich 
die dielbesprochene Angelegenheit des Zeugnißzwanges, der Redal⸗ 
deure und Miterbeiler einer Zeitung, welche durch das bekaunte 
Verfahren der Staatsanwaltschaft gegen die Redaktion und den 
Verleger der „Fraukfurter Zeitung“ im Sommer v. Is. eine 
raursge Berühmtheit erlangt hat, zu einer vorläufigen Entscheidung, 
nsofern der Bolksvertretung vurch d'e Petition des deutschen Jour⸗ 
nalistentages um den Erlaß einer geseßlichen Vorschrift, wonach im 
Falle der Hafibarkeit des Redakteurs jede zwangsweise Ermittelung 
iner anderen Schuldigen wegfallen soll, Gelegenheit gegeben wurde, 
sich über die Nothwendigkeit cussprechen, diß im legislativen Wege 
der Anwendung derartiger Zwangsmaßregeln in Zukunft vorge⸗ 
deugt werde. Die Kommifsion beantrag'e bekannitich die Ueber⸗ 
weisung der Petition au de ständige Justizkommission zur Erwä. 
zung und eventuellen Berüchsi htizung bei Berathung der Straf⸗ 
hrozeßoid · ung. Sämmiliche Redner stellten fich auf den Boden 
der Petition u derkannten die schreienden Uebelstaände au, welche 
das Verfahren der Staalsanwaltschaft für die Freiheit der Presse 
zur Folge habe, und nachdem auch der Abg. Sonnemann sib 
Ierzeugt, daß sein weitergehender Anttag. die Petition dem Reich 8⸗ 
kanzier mit der Aufforderung zu überweisen, den Reichstage ein⸗ 
dezuͤgliche Gesetzesvorlage zu machen, keineswegs eher um Z ele 
ühren werde als der Kommissionsaattag, w ide der Letztere fast 
einstimmig aug nommen. 
Von der Justizkommission wird es nun zunäͤchst abdängen, 
den Alp, der sett dem Sommer v. J. auf der deutschen Presse 
liegt, endlich zu befeitigen. Wie zu eifeln auch durchaus nicht, daß 
ieselbe im Sinne der Petition des deutschen Journalistentages sich 
schiussig machen wird. Wann ader uad ob überhaupt die Ar⸗ 
zeiten der Justizeommission, die gegen värtig die erste Lesung der 
Juslizgesetze zum Adshluß lommen werden, ist gegerwärtig durch⸗ 
aus noch nicht mit Sicherheit zu best mmen. Die neuesie .Prob. 
Torr.“ jchreibt in dieser Beziehung: „Von dem wenteren Verlaufe 
der Kommijsionsarbeiten und von den sonstigen parlamentarischen 
Aufgaben der nächsten Monate wird es abhaͤngen, ob die Berathung 
der Gesetzentwütfe im Reichstase selbst, wie vieifach gewünscht 
vird, schoa im Frübiahr oder erst im nächsten Herbst wird statt- 
finden tönnen. Nach dem bisherigen Gange und Stande der Kom⸗ 
missionsarbeiten ist Leztzteres wahrscheinlicher, denn darüber 
ist man allsctitig J einverstandea, daß die wesentliche grund⸗ 
ätzliche Vetstündigung mit den Bundesregierungen schon 
a“ der Konmmission erreicht werden muß. In dieser Beziehung 
agt eine der bedeutendsten Zeitungen zukreffend: „Ueber das Schic— 
jal der Entwürfe machen wir uns keine Illusionen, entweder werden 
sie in dir Reichs⸗Justiztommission selbst fertig oder sie kommen über⸗ 
Jaupt nicht zu Stande.“ 
Dem „Vemotial diplomat' que“ wird aus Berlin geschrieben: 
Der deuische Reichskarzler beschäftigt sich seit einiger Zeit ein⸗ 
gehend damit, zwischen England und Rußland eine vollkommene 
lebereinstimmung herbeizuführen in Bezug auf die centralaßatischen 
Angelegenheiten — ein Einvernehmen, welches zwar se'ne Schwie⸗ 
iokeiten hat, aber einen wächtigen Einfluß auf die europüische Po⸗ 
uit dieser Mächte auküben würde.“ 
Durch kaiserliche Verordnung vom 30. Dez, v. Ji ist bestimmt 
woiden, daß die neuzuformirende Kavalleriedidision in Metz die 
Bezeichnung „Kavalleriedivision des 15. Armeekorps? erhalten soll. 
Darmstadt, 27. Jan. Das Bezirlestrafgericht ver⸗ 
irtheiite nach dem heute veröffentlichten Erkenntniß den flüchtigen 
niederländischen Major a. D. Steck wegen Werbung zu holländisch- 
istindischen Militärdiensten zu 8 Monaten Gefängniß, den Mitan⸗ 
zeklagsen Schwarz von hier wegen Beihilfe zu vier Monaten Ge⸗ 
ängniß. 
Ausland. 
Wisen, 26. Jan. Die „Politische Correspondenz“ meldet: 
Der Kaiser ernannte unterm 12. d. Mtis. den Weihbischof Kutsch⸗ 
er, den langjährigln Freund des verstorbenen Erzbdischöafs d. Rau⸗ 
icher, einen gemäßigten Mann, zum Erzbischoff von Wien. 
Paris, 25. Jan. Es hat sich nun auch ein bonapartistisches 
Fentraltomite dahier gebildet, an dessen Spitze der ausgewanderte 
ẽlsässer Dollsuß steht. Dasselbe erläßt ein Circulär, worin gesagt 
st, daß diese Pattei bis zum Erlöschen der Befugnisse Mac Ma⸗ 
hjons ehrlich zu diesem braven Soldaten halte, hernach aber ge⸗ 
zieterisch die Herstellung einer definitiven Verfassung durch den 
Willen des Volkes verlange. — Der Streit um die Delegirtenwahlen 
»dauert immer noch fort, allein am Sonntage wird sich zeigen, daß 
Buffet im Banzen im Rechte war, wenn er den Wahlausfall als 
jünstig für die Confervat:.ben und die Negierung bezeichnete. — 
fkine Uebersicht über die Staatẽeinnahmen Frankreichs während des 
zergangenen Jahres ergibt folgendes Resultat: Die direkten Steuern, 
velche gezen 682 Millionen betrugen, gingen regelmäßig und 
ichtig ein, nur in selienen Fällen mußten dieielben auf dem 
Zwangswege riboben werden. Die indirelten Steuern ertrugen 
die ungeheure Summe von 2 Milliarden 51 Millionen, was den 
Voaauschlag um 97 Mill. überschreitet. Usser andern haben die 
Bebühren von Euregistrement um 16 Mill., die Zölle um 13 
Mill. die Getränlesteuer um 21 Mill., die Tabakssteuer um 16 
Millionen den Voranschlag überschritten. — Der Verleger des 
amerikanischen Blattes „New-NYort Herald' hat hier eine Lesehalle 
ür Amerikaner eröffnet, worin dieselben nahezu alle Blätter der 
Union — 6000 an der Zahl — antreffen. Auf eine Einladung 
lassen alle Verleger Nordamerika's derselben ihre Zeitungen um— 
onst zugehen. 
Der ‚Moniteur universel“ bemerkte zu den neuesten, bis jetzt 
aur im telegraph'schen Auszuge bekannten Mittheilungen des deut⸗ 
chen Reichsanzeigers über den Fall Arnim, sich eine nähere Prü⸗ 
ung dieser Alktenstücke vorbehaltend: „Es tostet uns keine Ueber⸗ 
vindung, anzuerklennen, daß die diplomatische Persönlschkeit des 
Hrafen Arnim unwiderruflich gerichtet ist und daher keine Aussicht 
hat, sich in der öffeutlichen Meinung wiederherzustellen. Es isi 
unter gar leinen Umständen einem Staatsbeamten gestaltet, seine 
amtliche Correspondenz der Oeffentlichkeit auszuliesern, um sich selbst 
u rechtfertigen, und wir müssen, von jeder französischen Frage ab⸗ 
Jjesehen, hinzufügen, daß das Berhalten des Grafen Arnim die 
chon so offenbaren Rechte, welche Fürst Bismarck als sein Vorge« 
etzter gezen ihn angerufen hat, nur noch in ein helleres LOcht stellt. 
Vtöglich, daß man sics in Berlin wenig um das Gefühl kümmert, 
mit welem sdie öffentliche Meinung in Frankreich den Peripetien 
dieser Augelegenheit gefolgt ist und weiter folgen wird, und daß 
man dort mehr Werth darauf legt, das Urtheil der Englander 
richtig zu stellen, als jenes der Franzosen. Aher man muß doch 
zugeben, daß gerade in Paris am wenigsten Bedenken getragen 
vorden ist, das Verhalten des Grafen Arnim zu tadeln, obgleich 
die in seinem Prozeß nerlesenen und später veröffentlichten Schrift 
stücke für ans ein ganz besonderet Interesse batten.“