Full text: St. Ingberter Anzeiger

heute hier in Hochspeyer abgehalten. Gelegenslich der letzten Hoch 
peyerer Kirchweihe machten einige biesige Bürger dem Gemeinde⸗ 
ziener N., wilcher noch Junggesell von bereits 50 Jahren ist, die 
Bemerkung, er millsse als Polizeidiener verbeirathet seigt, nad er⸗ 
zoten sich zugleich, wenn er sich verpflichte, bis halben Oktober ver⸗ 
ehelicht zu sein, die Gesammthock zeitskosten zu decken und dazu min⸗ 
destens I Cte. Blumenmehl zu berbacken, 2 Ohm Bier, 75 Flaschen 
Wein. 100 fl. für Haußsteuer zu liefern, der übrigen Odbjelte an 
Braten, Hähnen, Bratwürsten, Cigarren at. nigt zu gedenken. Im 
Falle des Nichtzustandekommens einer Brrehekichumg müsse Hecr N., 
venn wir nicht irren, 50 M. zahlen. Eine Wiitwe bon ca. 44 
Jahren erbarmte sich“ des Bedrängten und wurde heute unter ein⸗r 
Begleitung von ca. 60 Perfonen zum Altar geführt. Diesen Abend 
aber mögen einige Hundert Personen unter —* und Klaug am 
Festmahle Theil genommen haben. ——— 
St. Martin, 8. Ott. Gestern wurbde hier bereitsz ver—⸗ 
taufter Gartenmost geherbstet. Fur die Hotte wird 8 M. 57 Pf. 
(s fl.) gezahlt. Das Gewicht schwankt zwischen 57 und 64 Grad 
nach Deqchsle. Ggt)e 
rVBonmmittleren Gebirg, 10. Okt. (Pf. K) Was 
nan während des anhaltenden Regens in der letzten Hälfte des 
porigen Monats kaum mehr zu hoffen wagte., wirb nun allem An. 
chein nach dennoch der Fall sein: wir werden' einen brauchbaren, 
sa, wenn die günstige Witteruag Stand hält, einen recht guten 
Mittelwein erzielen. Die Traminer sind sämmilich roth, und selbsi 
die hartnächgen Rieslinge gehen ihrer Edelreift entgegen. Leider 
isf in den meisten Lagen die Menge der Trauben geting und nur 
anmittelbar an den Abhängen unserer Weinberge und Hügel etwas 
zrößer. Unier solchen Umständen koͤnnie jedoch die Qualitit die 
zes vorjahrigen Produlis leicht überireffen; noch 14 Tage gutes Werter 
vurde Dies bewirlen. 
F Von der persdalichen VLiebenswürdigkeit des Kaisers Wihelm 
heilt die „M. Zig.“ eia Beispiel aud den jüngstes Tagen mit 
ils der Kaiser in Weißenburg weilte, hatten piele Herren seines 
Hhefolges bei Bürgern Quaruer aegewiesen belommen; besonders 
jreundlich Aufnahme aber fand einer der Vertrauten des Kaisers 
deim Gymnosial⸗Direltor Groheim. Die Familie schwärmte für 
den Eoiser und ließ keine Geiegenheit vorüberzehen, den hohen 
derrn u sehen und ihren Suthustasinus auszudrücken. Vor früh 
s spai war man auf den Beinen, man lebte und webte nur für 
den Kaiser. Da fiel es dem bei oben gedachten K. einquartierten 
deern (Hofrath Schneider. Die Red. d. Zw. Ztg.“) eines Tages 
uf, daß der Sohn der Familie überaus still und betrübt war, 
ohne einen Grund dafür angeben zu wollen. Endlich aber gestand 
er, daß sein Geburtstag sei und dauß die Eltern Dies ganz ver⸗ 
gessen. Sie hätten ihzn weder gratulirt, noch ihm beschenkt. Es 
sollte ihm indeß geholfen werden. No h an demselden Tage erzählte 
der ecwaͤhnte Hosbeamte dem Kaiser das kleine Unglück, das seinem 
Schützling widersahren, und der Aaiser unahin sosort eines seiner 
Bilder, schrieb eigenhändig. darauf: „Zum vergess. nen Geburtstag!“ 
ind überjandie es dem Knaben, det nunmehr hoch eifreut war und 
gewiß Zeit seines Lebens an diesen vergessenen Gehurtstag denken wird. 
pPMuünchen, 10. Olt. Der Postvorschußberkehr zwijchen Deutfch⸗ 
land und Oesterreich-Ungarn ist bis auf Weiteres ausgesetzt worden. 
Postvorschußfendungen nach Oesterreiche Ungarn werden daher zur 
Zeit nicht angenommen. Postanweisungen nach Oesterreich- Ungarn 
werden zwar einstweilen noch angenommen; es dürfen jedoch von 
inem Aufgeber au einen und denselben Empfänger an einem 
Tage hoͤchstens zwei Postanweisungen abgesandt werden. 
fVDer Winterfahrplan wird auf. den, deutschen Eisen⸗ 
hahnen am 15. Ottober ins Leben treten. (Siehe Annoncentheil.) 
4 Die „N. Fr. Pr.“ erzahlt die Leidensgeschichte eines baye⸗ 
rischen Schullehrers, Franz Wiesbachet von Ainxing, der sich nach 
dem Laude der Rumänen verlocken ließ. In Reichenhall, wo er 
angestelli war, lernte er eine vornehme Herischaft aus der Moldau, 
Ruter d. G., kennen, der ihn beredete, den bayerischen Dienst zu 
derlassen und als Hausledrer seines Töchterchens zu ihm zu kowmen, 
Achtzig Dukaten Jahresgehalt, steie Verpflegung und bedeutender 
Nedenverdienst war ihm vetsprochen; siatt dessen erhielt er alle 
udglichen Grobheilen, und wenn er diese nicht ruhig hinnahm, 
nißhandelie ihn der Haushers. Seine Hitien, ihn zu entlassen und 
nit dem noͤthigen Reisegeld zu versehen, blieben unbeachtet. End⸗ 
lich, am 18. September d. J., schlug die Stuude seiner Befreiung; 
aber unter welchen Umßänden! Mit der Drohuug, ihm im Weige— 
zungsfalle fünfzig Stocstreiche aufzaulen zu lassen, zwang man ihn, 
rin Schrifstück zu unterzeichnen, worin er erlläten mußte, er habe 
uch unmoralisch, nichtswürdig und undankbar benommen, bejzeuge 
das freiwillig und sei ganz damiteinverstanden, daß man ihn weg. 
age. Zum Abschied, gleichsam als Wegzehrung verabreichte ihm 
Kitter d. G. noch einige Maulschellen und Fußtritie, dann warf 
non den armen Deutschen hinaus, der, ohne Geld, und der Sprache 
zes Landes unkundig, leicht völlig hätte zu Gtunde gehen konnen. 
P. Rach in Bayreuth e'ngelroffenen Nachtichten weilt Richard 
Wagner mit Familie gegenwättig in Neabel und wird die zweite 
älfte des Monats Olktober in Sorrent zubringen. Auf der 
Durchteise durch Italien hat der Meister mit der iönigl. Oper in 
Turin ein Abkommen betreffs Aufführung seines Lohengrin“ ge⸗ 
roffen. Die Inszenesetzung dieser Oper ist auf spezielle Empfehlung 
Waguner's von Seite der königl. Theater Intendantur in Turin, 
velche von ihm einen mit seinen Intentionen vertrauten Regisseur 
ich erbar, dem herzodlichen Balletmeister Herrn Richard Fricke in 
Ddessau übertragen word en. 
Aexztlicher Befund der Leichen der Hingetichteten. An den 
orperlichen Theilen det vorgestern Morgens nach der Analomie in Mün⸗ 
hen verbrachten zwei Leichnome der h'ngerichteten Delinquenten Val. 
sßläsgen und J. Ruf wurden durch den Hru. Direktor v. Ziemssen 
ind Hen. Prof. Rüdinger unter Anwesenheit mehrerer jüngerer 
Lerzte im Laufe des gestrigen Tages mit möglichster, von der 
humanität selbst vorgeschriebenen Schonung experimentale Unter— 
uchungen gemacht. Es wurden die Kehllopfmuskeln gereizt, und 
die Wirkungen der sehr interessanten Experimente studirt. Hierauf 
pvurden von Hrn. Direktor v. Ziemssen einzelne Nerven geprüft in 
Beziehung ihres Einflusses auf verschiedene Organe. In patholo—⸗ 
uischer Hinsicht haben die Untersuchungen der einzeinen Körperthelle 
olgendes Resultat geliesert. Bei Gläsgen waren die Lungen krank 
mid eine hochgradige tuberkulose Bauchfellentzundung vorhanden. 
Der Magen Ruf's, sowie der Darmkanal desselben war durch viele 
sahrungsaufnahme überfüllt, ferner eine Niere hochgradig krant, 
zie üdrigen Theile des Körpers aber gesund. Dir Nierenkrankheit 
dimmt auch mit der wasserfüchtigen Anschwellung seiner Fuße und 
nit dem Wasserergusse in die Bnuchhöhle überein. Dieses Oedem 
st johin höchst wahrscheinlich nicht auf die Folgen des Tragens 
chwerer Ketien zurückzuführen. Soweit das Gehirn Gläsgens 
anterfucht worden ist, zeigte es sich in allen Beziehungen normal, 
asjenige Rus's wird noch einer genauen Unteesuchung unterzogen 
verden. Die Durchschneidung- der Hälse des beiden Delinquensen 
nittelst des Follbeiles hat ganz regelmähig statigefunden: Der 
terlust des Kdtpergewichles nach drm Tode war eim sehr geringer; 
eder der deiden Leichname wog etwas über 100 Pfß. ES. P.) 
7Mannheim. Am 15. ds., nächsten Sonmag, wird der 
neut Personenbahnhof dem Berkehr Ubergebden. J— 
7 Philippsburg, 10. Oltp. Gestern Abend 10 Uhr exrb 
schien dahier der Bürgermeister Feuerstein aus Rheinhausen, requirirte 
die hiesige Gendarmerie in größter Eile und Auftegung, besagend, 
daß in seiner Gemeinde hestiger Standal ausgebrochen sei und die 
kinwohner mit Feuerwaffen gegeneinander im Kampfe legen. Dem 
Bürgermeister selbst wurde nach dem Leden gekrachlet und dey Gin⸗ 
jang in sein Wohnhaus verwehrt; alles in Folge- der belannten 
Vahlvorgänge. Der Ortsdiener wurde, aus dem Dorfe flüchtig. 
erfolgt. Herr Bezirksrath Bastian verfügte sich ebenfalls augen⸗ 
Ilicllich zur Sielle. 
fDarmstadti, 9. Ott. Das Kreisamtsblatt Bingen hat 
n der „Darmstädter Zeitung“ unterm 2. ds. Mis. bezüglich einer 
zeläudeten Leiche wörtlich Folgendes: „Bekeidet war die Leiche mit 
iner schwarzen Tuchjacke von grauem Stoff u. s. w.“ 
Berhin, 8. Oti. Nach einer Entscheidung des Reichsbank⸗ 
Direttoriums werden von der Reichsbant nur solche Wechsel ab⸗ 
Jelehnt, welche auf „Marken“ oder „Reichsmarken“ lauten, weil 
die Einheit nicht „Varle“ sondern (ebenso wie die Mehrheit), Mart“ 
autel. Dagegen unterliegen solche Wechsel, welche auf „marks? 
»der „mares* ausgestellt sind, keiner Beanstandung, da ein Zweifel 
arüber nicht aufkommen könne, daß unter dieser Bezeichnung aus⸗ 
hhließlich Münzsorten zu verstehen sind. 
Eine interessante Wette auf dem Gebiete der Pferdedressur 
jürfte demnächst zum Austrag kommen. Direltor Renz, der gegen⸗ 
värtiz in Köln Vorftellungen gibt, behauptet nämlich auf feinen 
uffichen und in seinen Zeituns annoncen, daß außer ihm Niemand 
m Siande set, 12 Rapphangste zu gleicher Zeit vorzusühren. Der 
Zircusdirekttor Carre, der augendlicklich mit feiner Gesellschaft in 
klberseld weilt. nimmt nun den Handschuh auf und proponirt nun 
einetseits eine Weite von 10, 000 M., wobei er eklärt, dieselbe 
as verloren zu geben, wenn Direltor Renz im Stande ist, mit 
einen so ausgezeichnet dressitt sein sollenden 12 Rapphengfien u. 
I. nur das eine nachmacht, daß alle 12 Hengste sosort auf Kom⸗ 
nando auf den Hinterfüßen sich erheben und auf den'elben siehen 
zleiben — eine Produinon, die fast taͤglich in jeinen Vorftellungen 
u sjehen sei, Man darf wodl annehmen, daß Alimeister Renz diese 
Herausfordernng nicht unbeachtet lassen wrird. 
p Paris, 7. Olt. Heute Abends feierie der hiesige Deutsche 
Turnderein sein dreizeynjähtiges Stiftungsfest in seinem in der Rue 
Zt. Marc gelegenen Local, in dessen mil Blumen, Laubwerlund 
Inschtiften geschmücktem Saal sich des Abends um 8 ein halb Uhr 
ungefhr 200 Personen, Turner und eine çtöͤßere Anzahl von 
dalten eingefuuden hatten. 
r Die Kaiftrin Eugenie wird den 16. ds. Mis. in Florenz 
awartet. Sie hat dort eine kleine Villa auf drei Monalegemielhei 
gad im Falle ihr das Klima gut bekommen sollle, gedenlt sie nach 
Florenz ganz überzusiedeln.