Abendstunden mehrfach Personen, ohne Rücksicht auf Stand und
Beschlecht und ohne Veranlassung durch Wort und That belästigt
worden. Obwohl die Militärbehörde der zunehmenden Trunksucht
und weiterem Unfuge durch strenge Strafen und Maßregeln vorzu—
deugen bemüht gewesen, hat doch die unbesiegbare unglaubliche Roh—
heit einzeluer Ulanen gestern hier ein überaus trauriges Ereigniß
peranlaßt. Etwa 91/ Uhr Abends geht ein Arbeiter, ein ordent⸗
licher, anerkannt friedfertiger Mann, von seinem Dienstherrn nach
einer in einer abgelegenen Straße befi idlichen Wohnung und begegnet
in geringet Entfernung von dieser drei Ulauen, welche einige heraus⸗
fo dernde Redensarten gebrauchen, die er unbeachtet läßt, worauf
einer der Leute ihm nacheilt und ihm einen Stoß gegen den Hals
dersetzt. daß er in den Schnee fällt. Der Arbdeiler springt auf,
stößt den Angreifer zurück und flüchtet in seine Wohuung, wohin
die Ulanen nachfolgen. Mit Hilfe eines in seiner Stube befind—
lichen Vecwandter, der sich bereits ausgek eidet hatte, und des hnzu⸗
lommenden Hauswirthes gelingt es, die Eindringlinge hinausju-
verfen, worauf die Hausthuür verschlossen wird. Kurze Zeit darauf
lehrten die Ulanen mit Säbeln bewaffnet, zurück und zerschlugen
zin Fenster, burch welches einer von ihnen in die Stube eindcingt.
Die Bewohner, der Arbeiter mit seiner Frau und seinem Verwand—
jen, flüchten und lassen drei Kinder in ihren Betten zurück. Nun
läßt der eingedrungene Ulane seine Wuth an den im Zimmer be—
indlichen Gegeaständen, welche er zerschlägt, und dann an den armen
dindern aus, auf welche er mit dem Säbel einhaut, bis die Wache,
deren Herbeikommen endlich ermöglicht ist, mit Mühe seinem
Wüthen ein Ende macht. Ein eraoreifender Anblick bot füͤh nun dar.
In dem völlig demolirten Zimmer lagen an den entgegengesetzten
Enden eines garößeren Bettes zwei Kinder, ein dreijähriger Knabe
and ein fünfjähriges Mädchen mit zecfetzten Hemdchen, über und
uüber mit Blut bedectt und davon umgeben; der Knabe mit breit—
laffender Hiebwande über die ganze eine Gesichtsseite und mit
zespaltenem Schädel, bewußtlos, aber fortwährend stöhnend, dem
Tode nahe, welcher auch nach etwa einer Stunde erfolgte; das Mäd⸗
hen mit mhreren schweren Wunden im Gesicht und am Halse,
zon denen eine die linke Schläfe bis auf den Kno hen und das obere
Augenlied vollständig durchschnitten hatte, am Rumpf und den Glie
dern bedecht mit einer größeren Anzahl von Verletzungen als Folge
lach gefallenet Hiebe, deren Einwirkeng noch durch die Beildede
zeschwächt sein mochte. Ob das Mädchen die Verletzun überstehen
wird, ist noch nicht zu entscheiden. Das jüngste Kind, in e ner
Wiege in einem Winkel am Ofen liegend, war dem Rosenden
zlücklicher Weise entgangen. Die übrigen Hausbewohner hatten sich
heils mit ihren Kindern in ihren Nachtkleidern und barfuß durch
zen Schner über die Gartenzäune geflüchtet, iheils in ihren Zim—
mern eingeschlossen; Niemand wagte unbewaffnet dem bewaffneten
Lianen entgegenzutreten, und nur die Mutter wollte auf das Ge—
cori ihrer Kinder zu Füife eilen, wurde aber mit Gewalt durch die
Amgebung zurückzehalten. Dieselbe hat heute in eine Kraßtenaustalt
aufgeno nmen werden müssen.
— Anus Riesensburg wird nun gemeldet, daß leine Hoffnung
vochanden ist, das zweite durch den Ulanen schwer verwundete Kin
zänzlich w'ederherzustellen, denn, wenn auch all⸗ ärzt lichen Mittel
und Erfahrungen anzewandt würden, das Kind wird für alle Zeiten
ein Krüppel bleiben. Das dritte Kind, erst Vad Jaht alt, ist nur
dadurch dem sicherrn Tode entgangen, daß die Beiten, woren das
leine Wesen lag. don den Wänden der Wiege überrazt wurde und
VNe Sabelhiebe der Ulanen nur diese getroffen ha en. Auch die
Mutter der Kinder liegt noch an einem dösen Fieber hoffaungtlos
zarnieder.
Man meldet aus Straßburge,, 24. Jan.: Ein Kugel⸗
uchtr von Profession, der 26jähr:ge Tagner M. Thomas aus
Schleithal, Bruckhof 6 (Neudorf) wohnheoft, ist das Opfer einer
roßen Urvorsi htigkleit geworden. Beinn Entladen eines Granate
»ediente er sich ein⸗ß Meißels und Hamners und verursachte die
ẽxptosion des Geschossez. Die herumfliegenden Sprengstücke zer—
hmetterten ihn beide Beine, verletzten ein im Hofe stehendes Pferd
ird bessvadigten enen Wagen und die angrenzenden Gebdude. Th.
st verheirathet und Vater eines Kindes.
t Wie der ‚Corresh. Hossm. aus Bayreuth mitgetheilt wird,
arbeitet Richord Wagner dermaͤlen sehr efrig aß der Vollendung
uiner neuen Oper ,Parc'val.“
fLondou, 20. Jan. Hiesige Zeitungen haben gemeldet.
naß „mehrere quswärtige Seemächte“ den Plan hegen, Telegraphen⸗
tatienen im hohen Ocean zu etabliren, durch welche Drahtdepeschen
durch die snbhmarinen Kabel nach den Küsten, und umgekehrt, bhe⸗
ordert werden können, so daß vom Land eine bestündige Ver—
vindung mit Kreuzern, Panzerschiffen und Postdampfecn unter⸗
jalten werden kaun. Die Erfiadung beruht auf hohlen in Kam—
nern getheilten eisernen Säulen, die auf einer Grundplatte stehen,
pelche mitlelst eines Kugelgelentz an eine Boje defestigt und halb
n Wasser liegend startk veranlkert sind— Ein Zweiglabel, das auf
dem Meeresgrund hinabsteigt und mit dem submarinen Haupt⸗
trange verbunden ist, mündet an der schwimmenden Säule mit
nehreren Armen gleich Polypenäflen, die an Bord genommen und
nit dem Apparat, den das Schiff dazu mit sich führt, in Contact
jesetzt werden können. Flottenmanöver können so dirigirt werden,
vie auch beschädigte Schiffe, die Hilfe brauchen, solche vom Hafen
aus requiriren oder wenigstens Meldung ihrer Lage machen.
Franmzösische Revbvanche. Seit Beendi⸗
jung des Krieges wird Deutschlaad von Puriser, Lyoner und ande⸗
en französischen Fabriken und Haudlungshäusern mit illustrirten
datalogen, PreisVerzeichn ssen und Mustern aller Art von Klei⸗
»erstoffen, von Kleidern, von Leibwäsche, don Pariser Artileln A.
iberschwemmt. Diese Sendungen gelangen zu vielen tausenden
inter Kreuiband völlig kostenfrei in die Hände deutscher Familien
ind Personen. deren Adressen die französischen Häuser sich verschafft
jaben. Die Kataloge sind zum Theil in deuischer Sprache abge⸗
aßt, die Bestellungen konnen deutsch oder französisch gemacht ver⸗
»en. Die Modebilder sind graziös, die Figuren insbesondere die
köpfe, zeichnen sich vor vielen ähnlichen Bildern in deuischen Mo—
ebättern vortheilhaft aus. Die, Musterblätter sind auf das Sorgt
ältigste angefertigt, die einzelnen Muster mit Rücksicht auf Harmo⸗
nie der Farben nebeneinander gruppirt und mit einem Klebstoff
Hefestigt, welcher nicht durchschlägl. Ein höflich abgefaßtes Schrei⸗
en bealeitet die Sendung, die, wenn sie etwa verlegt und nicht
ogleich wieder zu finden sein sollte, aufs Neue verlangt werden
ann und kostenfrei eintrifft. Wir kennen eine Stadt, in welcher
ingst eine Anzahl deutscher Frauen auf Grund dieser Mustersen⸗
ungen eine gemennschaftliche Beitellung verschiedener Toiletiengegen⸗
lände machte. Nach Berlauf von 10 Tagen langte die Sendung
n. Das übereinstimmende Urtheil der Empfänger lautet dahin?
Qual'tät der Stoff; ein Drittel besser als in Deutschland, Preis
einschließlih der Trausporispesen und Eingangszölle) ein Viertel
riedriger als in Deu'shland, außerdem größere Eleganz und
»romptere Bedienung.
Es ist gar kein Zweifel, daß die französischen Höuser auf
iese Weise in Deutschland eine ganz bedeutende Kundschaft erwor⸗
jen haben, nud daß dieselbe in Folge der seit dem 1. Januar
ieses Jahres eingetretenen Portoetmäßigungen noch größer werden
aird, nicht bloß in Bezug auf Kleiderstoffe, fertiget Kleider (con-
ections), soidern auch auf andere Artikel: Schlösser, Gußwaaren,
Sch rauden u. s. w. Ebea so wenig unterliegt es einem Zweifel,
»aß in Paris und Frankreich überhaupt auch nicht Alles Gold ist,
vas dort auf dem Gebiete der Indusirie und des Handels glänzt,
»aß nicht Alles wohlfeil, was uns als ‚bon marchée von daher
angepriesen wird. Aber daß französische Luxusartikel, namentlich
Seide und manche andert Waaren, w'e die erwähnten, beffer und
zislger sind als dei uns, daß die französischen Musterbücher durch⸗
zängig viel eleganter sind, als ähnliche Diucksachen in Deutschland,
daß der Geschäftsbverkehr zmit Franzosen allzemein viel angenehmer
und höflicher ist, els der mit Deutschen, muß man nicht bestreiten
vollen. Alle die kleinen Chicanen, die bei ungs gang und gäbe
ind, kennt man in Frankreich nicht. In wie mauchem deutschen
ꝛaden wird man schief augesehen, wenn nan ihn verläßt, ohne et⸗
pas gekauft zu haben, weil man nicht fand, was man suchte.
Wir haben mehr denn einen deuischen Gefchäfisbrief von bekannten
»äusern in Händen gehabt, in denen Empfänger deutscher Waaren
iuf das höflche Ersuchen des Fabrikanlen, nach Ablauf von 6
Nonaten und darüber an Bereinizung der Factura freundlichst
nenken zu wollen, shnöde erwiederten: man sei nicht gewohnt. an
zahlung ertnnert zu werden.
Beteits vor 20 Jahren, bei Glegenheit der ersten Pariser
Beltausstellang, und öpäter bei ähnlichen Anlassen sind in deut«
hen Bläitern solche und ännliche Schaden und Mäangel der deut⸗
Jen Induftrie, die Inferiorital unferer lanfmännischen Disciplin
e prochen wo den. Heute liegen sie offener denn je zu Tage, und
nan faust an, auf ihre allmälige Beseitigung Bedaht zu nehmen.
Inzwischen aber haben die Franzosen, wie ein geistreicher Bericht⸗
cstatter der „Köln. Zeitung“ kürzlich sagte, in industrieller Be⸗
iehung an uns wirklich Rebanche genommen, und Niemand kann
hnen dar aus einen Vorwurf machen.
7 Man wird sich noch daran erinnern daß im vergangenen
Jerbst in einem Koffer, der im Waarenmagazin des Bahndofes jzu
dom stand, der zerstückeltr Leichnam eines Mädchens aufgefunden
»urde, das, wie sich später herausstellte, aus Neapel cebürtig war
ind Catarina Gazzaro hieß. Als muthmaßl'chet Moörder wurde
3mals ein Bäckermeister in letztgenannser Stadt. Namens Daniele
zuiseppt, eingezogen, der aber auf's Entschiedenste leugnete, daß
iier von ihm ein Mord vollzogen worden sei. Derselbe besindet
it seit damals in Untersuchungshaft. Ende der vergangenen
Boche hat er endlich ein volles Geständniß abgelegt, daß er die
hazarro wirllich ermordet hat. In Folge dieses Geständnisses
zird er schon binnen einigen Tagen dor die Geschwocrnene
seapel gestellt werben.