Full text: St. Ingberter Anzeiger

Der Mann war wie instinltmäßig auf die Seite gesprungen und 
choß nun selbst nach der Richrung des Pulverdampfes. Mit dem 
Rufe: „Ab Gott, ich bin geschossen!“ stürzte einer der Wilderer 
u Boden, die anderen entflohen. Als der Jagdhüter in Begleisung 
eines Polizeidieners nach etwa einer Stunde auf den Schanplatz 
der That zurückktehrte, fand er den Verwundeten einige Schritte 
eatfernt, gerade ausgestreckt auf dem Bauche liegend, im Verscheden. 
Ob der Sterbende sich die Schnittwunden, welche sich am Arme 
ind Halse vorfauden, im Schmerz der Verzweiflung selbst beigebracht, 
»der ot dieselben von Anderen herrühren, ist zwe felhaft und wird 
offentlich durch die gerscheliche Untersuchung festgestelt werden. Die 
gefstern Abend stattgehabte behördliche Obdult on des Leschnams hat 
ergeben, daß die Schußwunde im Schenkel, welche eine Hauptaterie 
erriß, eine absolut ödtliche und die Verblutung unberme dlich war, 
Der Getödtete he ßt Kaufmann, ist von Speierdorf gebürtig und 
eit 2. Jahren nach Haßloch per jeiratht. Er henterläht Wesb und 
dind. Seine Genossen siad bs jetzt roch micht mit Bestimmtheit 
zusfindig gemacht. Jagdhüter Doser ist aus der Untersuchungshaft 
vreder entlassen. J 
F Speier. Unsere Stedt bat in 1876 an dem Gaswerk, 
welches städtisch ẽ Egenthum ist, 24000 fl. verdient. 
Aus dem Schwarzbachthale. In der Nacht 
pom 15. auf den 16. October hat in der Gemeiude Rieschweiler 
eine grode Ueberschwemmung siaitgefunden, Ein wokenbrucheniger 
Bew etterregen war Urjache, daß ein Theil des Dorfes schnell unter 
Wasser gesetzt wurde. Dasselbe drang üderall so rash ein, daß sich 
ziele Bewohner in die oberen Haustäume flüchten mußten, um das 
deben zu retten. 
F München, 16. Okt. Die eben geschlossene „Deutsche 
dunste und Kunstgewerbe-Ausssellung“ zählle nnch den vorhandenen 
Brotokollen der Tourniquets vom 16. Inni bis 15 Oktober an 
ahlenden Besuch⸗ ra 273,581 Personen. Ferner waren an 2267 
Bersonen Saiso karten abgegeben. Begreiflicherwei'se kann die Haupt⸗ 
abrechnung über das Unternehmen erst fpäter stottfi dden. So viel 
ich aber jetzt schon übers-hen läßt, dürfte sich s. 3. ein Aktivüber— 
chuß von nahe an 70,000 M. ergeben, welche. dem Kunsigewerbe⸗ 
derein dahier zuzufallen hätte. 
FBaden-⸗Baden. Die Fremdeniste führt unter den 
Badegästen Frl. Adele Spitzeder aus München auf. 
F Mainz, 16. Okt Eine Verordnunge, die wohl geeignet 
st, im Jabre 1876 Aufsehen zu erregen, ist am gestrigen Tage 
aunsern Polizeimanischaften bekannt gemacht wor en. Es ist näm— 
iich toͤheren Orts dis Verbot ergangen, daß sich ein Voliz'st weder 
casiren, noch den Bart scheeren lassen darf. 
F In einem Orte hei Köln hatten Jäsger einen Einwohner 
ils Wilddieb bei der Polizei beschuldigt. Der Maunn sollle des 
sachts der Widd eberei nachgehen und in der Umgebung seines 
dauses im Felde Hasen schießen. Zwei Potizeibeamsen lauerten 
aun dem angeblichen Raͤuber an seinem hinter dem Zause gelegenen 
Harten auf. Diesem aber war schon mehrmals während der Nacht 
rus seinem Garlen Kappus gestoglen worden. Er pißte deßhalb 
in derselben Nocht, in der die Polizeibeamten an seinem Garten auf 
)er Lauer standen, auf die Diebe auf. Kaum haätte er d'ie Dieger 
des Gefetzes bemerkt, als er diese für de Kappusdiebe hielt und 
sofort, nur mit dem Hemde bekleidet, mit der Flinte in den Garten: 
ilte. Har wurde er von den Polize beamten als der gesuchte Wild⸗ 
dieb empfangen. Natürlich mußte der Sanscülotte mit zum Poli— 
eibureau, wo er bis zum andern Morgen engesperrt blieb, und 
rann nach aufzenommenem Prototolle wieder entlassen wurde. 
F In dem Dioguen-Geschäft von Gebe u. Co. zu Dresden 
st dieser Tage eine Anfrage aus dem Orient eingegangen, ob das 
haus im Stande sei, binnen kurzer Zeit 5000 Centner Charvie 
u liefern. 
F Das Reichseisenbahnamt leukte, wie der ‚Reichsanzeiger“ 
nittheilt, die Aufmeiksamkeit der Bahnyerwaltungen Behufs schleu⸗ 
niger Abhilfe auf den Uebelstand, daß die Coupes der Personen⸗ 
oagen nur mangelhaft gesänbert, nint selten mit schmutzigen, ver⸗ 
etteten Polsterbezügen, ungestützten Fenstern, auch nicht gehörig 
jelüftet in die Züge eingestellt und ebensowenig unterwegs auf den 
»azu geeigneten Stationen abgestäubt werden. Nicht selten befiaden 
äch die Utensilien derselben, wie Gardinen, Teppiche, Aschbecher, 
dalernen 2c. in sehr mangelhaftem Zustande. Hauptsächlich sind 
ieje Etscheinungen beobachtet ber Wagen durchgehender Routen. 
fDer Hund des Ministers verloren. Im „amt⸗ 
ichen“ Theile des „Osthavelländischen Kreisblattes“ vom 4. d. M. 
indet sich folgende eigenthümliche Bekauntmachung: Nauen, den 3. 
Atober 1876. Si. Erxcellenz dem Staats; und Handelsminister 
hen. Dr. Achenbach ist am gestrigen Tage ein neun Monale alter 
eonberger Hund entlaufen zꝛc. Die Ortepotizeibcthörden und Gen⸗ 
zarmen werden ersucht, auf den Hund zu vegiliren und denselben 
vent. Sr. Ercellenz wieder zuzustellen. Deir Landrath, Graf v. 
dönigsmark.“ Die „Stbg. Z.“ macht jetzt folgende zutreffende 
Bemerkurg. Menn oinem andern Sitaatszürger sein Sund fort⸗ 
äuft, so zeigt er dies der Polizeibehörde an, und liegt ihm viel 
in seinem Thiere, so erlaßt er in den öffentlichen Blättern ein ent⸗ 
prechendes Inserat. Wie ader ein Landrath dazu kommen kann, 
die Orispolizeibehörden und Gendarmen zu ersuchen, auf den Hund 
zu „vigiliren“ — selbst wenn es der Hund eines Ministers ist —— 
st uns vollständig unerfindlich. 
Wie man der „Presse“ schreibt, hat die vielgenannte Gründerin 
der Dachauer Bank, Adele Spitzeder, sich in Salzburg niedergelassen 
und gedenkt dort den Rest ihres Lebens zuzubringen. 
Moskaun, 5. Okt. Nächstens beginnt hier der Prozeß 
Jjegen d'n berüchtigten „Corur⸗Buben Klub,“ eine förmlich gonsti⸗ 
uirte Gesellschaft von Gannern und Spielern, welche ihre Betrüge⸗ 
eien in großartigem Maßstabe durch Bauernfängerei, falsches Spiel 
Wechselfälshung ect. bektrieben. Fast alle Mitglieder — darunter 
such „Damen — gehören der sogenannten gebildeten Klasse an. 
Die Zahl der Ungeklagleu beläuft sich aus 48, worunter 36 aus dem Adel. 
F Moskau, 14. Oktober. Der Prozeß gegen Strousberg 
vor dem Schwurgericht ist heute wieder aufgenommen worden. Als 
Beschworene sind einberufen 17 Kaufleute, je 2 Beamte, Handwer⸗ 
ker und Bauern und ein Kleinbürger und ein Kaufmann erster Gilde 
uls Sprecher. Hierauf wurde di. Anklage gegen Sirousberg, die 
Direktoren Landau und Poljanski, den Buchhalter Loshetschnikow, 
jen Direktot Millio i und die 16 Aussichtsräthe der Leih- und 
ommer;banl verlesen. 
Sparkassenwesen. Europa zählt in seinen Sparkassen 
jach den letzten Ausweisen einen Vermögensstand von 6950 Mil- 
nonen Francs und eine Klientel von über 12 Millionen Einlegern. 
ẽcin Spartassenbuch kommt in der Schweiz auf 5 Einwohner, in 
Dänemark auf G, in Schweden und Norwegen auf 8, in Exgland 
nuf 10, in Deutschland auf 14 und in Frankreich auf 18 Ein— 
vohner, Letz'eres zählte vor dem Kriege 2, 130,000 Einlagen mit 
20 Millionen Francßs. — Englud hatte vor der Reform von 
861 für seine ländlichen Arbeiter uur 628 Sparkassen, heute besitzt 
nabhezu 6000. 
—EXX 
Erkennung gefärbter Rot weine nach Mellius. In ein gläsernes 
Proberodr von eiwa 20 K.C. Inhalt gießt man 5—6 K. C. des 
u prüfenden Weines und setzt demselben 84 dieses Volumens 
lether zu. Nach einigen Minutlen steigt der Aether an die Ober⸗ 
läche des gefärbten oder nicht gefärbten Weines. Erscheint der 
lether gelb gefärbt u d nimmt er durch Zusatz von einigen Tropfen 
Lamoaiak eine bochrotse Färbung an, so ist dem Weine Campesche⸗ 
olz zugesetzt. Färdt sich der Aeiher röthlich bis ins Violette, und 
ehält er seibst bei Zugabe von sehr viel Ammon'ak diese Färbung 
ei, so enthält der Wen Färbermoos, Verliert der rothgefärbte 
lether, weun er mit Ammoniak vermiseht wird, leine rothe Farbe, 
hne jzus Violetle überzugehen, so ist nur der natärliche Farbstoff 
»es Weines, Oenolin vorhanden. Verliert der rothgefarbte Aeiher 
nit Ammoniak se ne rothe Farbe, ohne daß letzterer sich färbt, so 
su dem Weine Fuchsin beigefügt. In dem Falle endlich, wo der 
let er ungefärbt aufsteigt, nimmt man eine neue Probe des zu 
prüfenden Weines und gießt das zweifache seines Volumen Wassers 
und das 13 Volumen Ammoniak hinzu. Nimmt nun der Wein 
eine braunrothe Faärcbung an, so enthält er Cochenille, färkt er 
iich dagegen grün, so kann man annehmen, daß keine der ange⸗ 
führten Substanzen darin enthalten ist. 
Die Gefährlichkeit der Perlsucht (Franzosenkrankheit) des 
Pindes, wurde neuerdings durch Herrn G. M. N. Gerlach, Direk— 
or der kgl. Thierarzneischule in Berlin, constatirt. Gerlach machte 
Impiveisuche mit der Tnberkelmasse, den traubenförmigen Gebilden, 
velche auf der Brust⸗ und Bauchhaut der mit Perlsucht behafteten 
Thiere entstehen; und gelaugte dadbei zu dem Ergebnisse, daß sowohl 
)urch Uebertragung die es Stoffes in die Haut und in das Fiesch, 
wie durch die Fütterung sol er Tuberkelm sse Ansteckung und der 
Tod bei den Versuchsthierru hervorgerufen wird. Dem ertsprechend 
ind auch, wie Prof⸗ssor Dr. Falke, der diesem Gegenstande im 
Rheinischen Pionier“ einen Artikel widinet bemerkt, diejenigen 
Renschen, welche mit dem Fleisch solcher Thiere mittelst wunder 
hände zu thun haben, oder die sol hen Tuberkelstoff in den Ver⸗ 
auungskanal bringen, namentlich Flesscher, welche beim Ausschlachten 
olcher Thiere nach altem Brauche das Messer hie und da in den 
MNund nehmen, schon sehr gefährdet. Deszleichen ist die Milch 
on solchen perlsüchtigen Thieren sehr gefährlich für den Genuß. 
Welchs Unheil dieselbe namentlich in der Kinderwelt anrichtet, da⸗ 
yon bekommt man im Hinblick auf d'e Versuchresultate, eine Ahnung, 
venn man die Milchwirthschaften großer Städte beitachtet. Fast 
mmer findet man hier perlsüchtige Thiere, welche sich schon durch 
zen auffälligsten Husten verdächtig machen. In diesen Milchwirth⸗ 
chaften stehen aber die Ammen der meisten Kinder in großen Städten! 
xbenso bedenklich ist die Milchkur, das methodische Trinken der nicht 
ibgesottenen Milch geworden. Was aber von der Milch solch 
chwindsüchtiger Kühe nachgewiesen ist, läßt sich auch von der Milch 
schwindsüchtiger Mühter horaussetzen