Slt. Ingberler Anzeiger.
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Me 183. SEamstag, den 18. November 1876.
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Gvtkkeenondg
Deutsches Reich.
München, 14. Nov. Der kgl. Justizminister Hr. Dr. v.
Fäustle ist heute Noachmittag über Regensburg und Eger nach
Berlin abgereist. Für die Dauer seiner Abwesendeit leitet Hr.
Staatsrath v. Vomhard das Justizminister um.
Herr. Dr. Jörg iheilt der „Germ.“ mit, daß er auf das
Dementi, welches der Graf Vray in der „Aussb. Alla. Ztg.“ et⸗
lassen, eine Gegenerklärung in demselben Glatte veroͤffentlichen
werde. „Ich bleibe bei meiner Behauptung entschieden siehen, wie
natürlich,“ schreibt er der Germ.“ Nur Schade, daß Herr Jörg
schon so oft „mißverstanden hat“ und mißberstanden worden ist“
nud daß seine Glaubwürdigkeit hiedurch so sehr gelitten hat, daß
er gegenüber dem bestimmten Dementi des Grafen Bray, der be⸗—
kanntlich kein Liberaler ist, einen schweren Staud haben' wird,
München, 15. Nov. Der Chef der Abtheilung für all⸗
gemeine Militär-Angelegenheiten in unserm Kriegsministerium, Oberss
v. Xylauder, ist von einer speziellen Sendung nach Berlin, wo er
bom Kaiser empfangen wurde und im preuß schen Kriegsministerium
konferirte, dorgestern wieder hier eingetroffen.
München. Das Finanzministerium erläßt folgende Bekannt⸗
machung: „Die in Bayern bestehenden Flächenmaße können nur
noch bis 1. Jan. 1878 in Gellung bleiben. Von da ab iritt au
Stelle der seitherigen Tagewerte und Dezimalen das Metermaß
wit der Bezeichnung: „Hettar, Ar und Quadrafmeter.“ Es isst
unbed'ngt nothwendig, daß der Gruudoesitzer bis 1. Januar 1878
genau wisse, in weichen Flächengrößen sich sein Grundftück nach
Hektar, Ac und Bruchtheilen des Ar (oder Quadratmeter) berechne
Die Umrechnung erfolgt am Geeignetsten in den Katasterauszügen.
Sie ist zunächst Sache der Grundbesitzer, allein nach den Um rech
nuugsderhältn ssen: 1 Tagwerk — 6 Hektar, 34 Ar, 07 Qud,
XL Hilfe amtlicher Tabellen die Umwandelung
uicht leicht zu vollziehen. Irrungen hierbei köanen aber für den
dünfteigen Verkehr mit Grundstücken zu erheblinen Nachtheilen, ja
zu Rechtsstrestigkeiten führen. Damit' die Grundbesitzer rechtzeitig
und in den richt'gen Zeffern die neuberechneten Flächen aus ihren
Fatasterauszügen entnehmen körnen, ist das Staatsmin sterium der
Finanzen bereit, die Herstellung gegen maß'ge Vergütung auf amt⸗
lichem Wege anzuordnen. Diefe Anordnung kann aber nur unter
der Voraussetzung recht zahlreicher Betheiligung erfolgen, weil hier—⸗
von die Möglichteit abhängt, die erforderlichen Arbeitskräfte aufes
austellen. Die Gedühr befrägt 10 Pf. für jede mit Plannummern
beschriebene Seite d.s Auszuges. Es ergeht die Aufforderung an
jeden Grundbesitzer, binnen 14 Tagen 'bei der Gemeindebehoͤrde
den Antrag auf amtliche Vornahme der Flächenumrechnung zu
nellen und hierb i de Anzahl seiner Grund ücke anzugeben, worauf
das Weitere beschlossen und deröffentlicht werden wirß“
Berlin, 14. NRov. Reichskanzler Fürst Bismarck wird
morgen (Mittwoch) in Berlin erwartet.
Berlin, 15. Nov. Die offic oͤse „Provinzio! Correspondenz?
ichließt einen längeren Artikel über d'e Reichsjustizgesetze mit dem
Satze, die Summe der Bedeutung dessen, worüber der Reichstaq
mit den Regierunzen einig ist, sei zu groß und gewaltig, als daß
man es für mögilch halten sollte, daßz an den noch vestehenden
Deffererzen das Ganze scheuern lonne. Der Gewin für die
deutsche Nation bestehe nicht in diesem oder jenem einzelnen Punkte,
ondern in dem ganzen großen Werke. Wer auf dieses Ganze den
Blick richte, werde an die letzte Berathung mit der Ueberzeugung
und dem Willen herantreten, es müsse gelingen, darum werde es
gelingen.
Berlin, 15. Nov. Die Frage, ob Jemand, der widerrecht⸗
ich verhaftet worden, einen Anspruch auf Geldentschadigung aus
der Staatskasse habe, ist in der Reichs-Justiz- Commission schließlich
doch unerledigt geblieben. Sie sollte nämlich, nichdem em dahin
zehender Antrage der Abgeordneten Geinen und Gaupp abgelehnt
var, noch einmal in Erwägung gezozen Awerden, es ist aber nicht
Dazu gekommen. Inzwischen hat fich nun, neben bielen anderen
Autoritäten auch der deutsche Juristentag in seiner diesjährigen
Bersammlung zu Salzburg mit dieser Frage beshäftigt und di—
Berpflichtung des Staates, für widerrechtuͤche Verhaftungen Ent⸗
chädiaung zu gewähren, ausdrücklich anerkannt. Jedenfalls wird
»er Reichstag nicht umhin können, auch seinerseitz die Frage in
Erwägung zu nehmen, da, wie wir erfahren, von verschiedenen
Parteien des Hauses Anträge in diesem Sinne werden eingebracht
verden. Wir haben uns im Verlauf des letztoergengeren Sommers
an der Hand eines konkreten Falles, der die Unzuträglichkeit des
bisherigen Verfahrens in das grellste Licht setzte, für die Haftbar⸗
seit des Stacates ausgesptochen und konnten damals auf Grund
iner vom Vorsitzenden ber Reichs-Juftizkommission unterzeichneten
Zuschrift an die betreffende Persönlichteit, worin die Berüdsichtigung
)er in Betracht kommenden Rechtsfrage zugesichert wurde, nicht
nders als die Erwartkung aussprechen, daß die Kommssion voraus⸗
ichtlich die Verpflichtung des Staates in diesem Punkte anerkennen
vürde. Leider hat sich nun diete Erwartung nicht bestätigt; wir
volsen aber die Hoffnung noch nicht aufzeben, daß das Plenum
)es Reichstags diese durchaus becechtigte Fotderung nicht von sich
veisen, vielmehr eine Ergänzung in diesem Sinne zur Strafproz⸗ß⸗
rdnung beschließen weinde.
Es scheint, die Andeutung in der Thronrede daß unsere
Zandelspolitik bedrohte indusirielle Jateressen Deutschiands zu
chützen wissen werde, solle uun Gestalt annehmen. Ein⸗ Vorlage
st auegearbe'tet worden, welche die Ermächtigung des Reichstages
u eventuellen Maßregeln gegen den Mißbrauh, der mit den fran⸗
ösischen titres d'acquit à caution getrieben wird, in Anspruch
nimmt. Wenn Franut eich deese verschleierten Ausfuhrprämien, die
den Verträgen zuwiderlaufen, nicht alsbald aufheßt, soll der Zoll
uuf franzölische Weine erhöht werden. So berichtet.der Hannöversche
Zurier, dem wir die Verantwortung für seine Angab⸗ überlassen
nüssen. Unsere Schutzzöllner verlaage'n, daß die künftigen Handeis⸗
»erträge stets das Prine'p der Gegense'tigkeit im Auge behalten.
Ob ihnen aber mit dieser Art der Reciprocität gedient sein werde,
vollen wir dahin gestellt sein lassen; denn „jeder deutsche Mann
mag keinen Franzmann leiden, doch seine Weine trinkt er gein.“
Königsberg, 15. Nov. Die „Ostpreußische Zeitung“ ent—
hält eine Bekanutmachung der ostpreußischen Südbahn, daß nach
den Stationen der Kiew-Brester Eisenbahn und darüber hinaus bis
auf Weiteres nur Eilgutsendunzen zulässig seien.
Ausland.
Wien, 14. Nob. Das hodhoffiziöse Wiener Fremdenblalt
ichreibt: Europas Interesse erheischt gebieterisch die Erhaltung des
Friedens. Das Vorhandensein Eauropas werde derjenige Staat
erfahren, der zuerst aus der geschlossenen Reihe der Mächte hervor⸗
zrechend, seine Anschauungen dem Willen des aanzen Welttheils zu
ubstitniren vecsuche.
Wien, 15. Nov. Die Mittheilungen hiesiger Blätter über
angeblich erfolgten innigeren Auschluß Oesterreichs an England,
wvelchen eine gegen Rußland gerichtele Spitze gegeben wird, werden
fficizs als falsch ertiärt. — Ein Speyialbevollmäch! igter Oester⸗
reichs zur Conferenz ist noch nicht ernaunt; zugestimmt hat es zu
der Conferenz.
Wien, 15. Nov. Die heutigen Morgenblätter sind mit
Berichten über russische Rüssunger angefüllt. Tschernajeff wird nicht
nach Serbien zurückehren. — Dem „Pesti Naplo“ zufolge will
Rußland den Herzog von Leuchtenberg zumm Gouberneuer von Bul⸗
zarien einsetzen. (A. 3.)
Cardinal Antonelli. Ein römischer Correspondent der
Wiener „Presse“ theilt einige Daten aus dem Veben des verstorbenen
Tardinals mit, die um so interessanter, als sie bisher nicht bekannt
gewotden. So schildert derselbe des Cardinals Haltung während
der Flucht des Papftes nach Gaeta ganz anders als dies bisber
vekannt gewotden. Nach des Jesunen Liebel Aussaqe, der als
Diener verkle'det den Papst auf seiner Flucht nach Gaela begleitete,
atte Antonelli vorher gar keine Kenxiniß von der Flucht der