Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
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AS 196. Samstaa, den 9. December 1876. 
Deutsches Reich. 
München, 4. Dez. Das Ministerium des Innern hält 
angesichts der vielfachen Klagen, welche über Verfälschung von Lebeuns⸗ 
nitteln, insbesondere von Bier und Wein, im Publikum und in 
der Presse laut werden; es für unabweisbar geboten, daß diesem 
Zweige der Vciualieupolizei von den mit Handhabung derselben 
bdeauftragten Behörden eine unausgesetzte, eingehende Aufmerksamkeit 
zugewendet werde. Soweit richt nach den Umständen des einzelnen 
Falles andere Strafbestimmungen, insbesondere über Betrug, über 
das Verkbot von Malzsurrogaten ꝛc. Anwendung finden oder con⸗ 
curriren, wird 8 367 Ziffer 7 des Reichsstrafgesetzbuches, welcher 
das Feilhalten und den Verkauf verfälschter oder verdorbener Ge⸗ 
tränke oder Eßwaaren ꝛc. mit Geldstrafe bis zu 150 Mark oder 
Haft bedroht, eine ausreichende gesetzliche Handhabe zur Eiuschreitung 
bdiet n. Nach Ans. 2 1. o. kann neben der Geldstrafe oder Hafi 
auf die Einziehung der verfälschten oder verdorbenen Getränke ꝛc. 
etfannt werden. Ferner hat gemäß Art. 20 Abs. 2 des Polizei⸗ 
strafgesetzbuches die Polizeibehörde das Necht, in allen Fällen, in 
welchen die Einziehung einzelner Sachen zulässig ist, diese mit vor⸗ 
läufigem Beschlag zu belegen. Die Distrikis⸗ und Ocrtspol zeibehoͤrden 
wurden auf diese Bestimmungen mit dem Auftrage hingewiesen, 
non der Beschaffenheit der Lebensmittel durch häufige und unver— 
muthete Vifitationen foöͤrtgesetzte Kenntniß sich zu verschaffen und 
wahrzenommenen Fälschungen mit allen gesetzlich zulässigen Mitteln 
entgegenzutreten. 
München, 5. Dez. Die Aeußerunzen des Fürsten Bis- 
aiarck über die orientalische Frage und der Stellang des deutschen 
Reiches zu derselden hat bei uns nicht nur in reichsfreundolichen 
Zreisen den befriedigensten Eindruck gemacht, vielmehr scheint dies 
auch innerhalb der ultramontanen Pertei der Fall zu sein. Nach— 
dem schon gestern dr ,Bayer. Kucier“ die Ansicht geäupert höotte, 
daß diese Politikt des Reichskanzlers die Zustimmung der Mehrheit 
des deutschen Volkes finden werde, bemertt die heute eingetroffene 
Nummer der Donauzestung, indem sie die verschiedenen Depeschen 
mitthellt: „Wenn dies all s wahr ist und der deutsche Reichskanzler 
de in diesen Depeschen angeordnete Politik auch wirklich verfolgt, 
id könnte man ihm dazu nur gratulireo, weil dieie Politik gewiß 
auch von allen Parteien in Deutschland gutgeheißen würde, indem 
dieselbe allein Deutschland würdig wäre.“ Das Blait will übrigens 
päter den Reichskanzler beim Wort nehmen, wenn etwa wider Er⸗ 
warten die Dinge im Oxtient gleschwohl einen anderen Verlauf 
nehmen sollten. E3 will die „Donauzeitung“ aber jenen Pessi⸗ 
misten keinen Beifall zollen, die hier wieder ein Stück pol'tischer 
Heuchelen wittern, weil sie der preuß'schen Politik überhaupt kein 
Vertrauen ent,zegen bringen koͤnnen. Wir können nicht wissen, 
welchen Werth der Reichskanzler einer Anerkemmung seiner Politik 
zurch bayerische klerikaie Blätter beilezt, glauben aber, daß solchen 
Aeußerungen dieser Presse, zumal in Mitte der Agitation für die 
Reichstagswahl, immerhin eine größere Bedeutung beigelegt werden 
muß. Wie sich die Hecrn Dr. Jörg besonders besfreundete Presse 
über die vom Reichskanzler verfündete Politik, die jener des Herrn 
Abg. des Reichswah kre ses Augsburg echnurrstracks entgegen ist, 
lußert, ist uus zir Zeit noch nicht bekannt. (Fr. K.) 
Berlin. Der „Post“ wird noch ein charalter st sches Wort 
hes Fürsten Bissmarck mitgetheilt, dessen neuliche Nachtitch Unter 
haliung natürlich von den Hötern nur in dürftigen Umrissen 
wiedergegeben werden konnte. Der Kanzler verglich nämlich Eng- 
land und Rußland mit dem Fisch und dem Wols,. welche in Streit 
gerathen, ohue sich an dea Leib kommen zu können. Sie schlügen 
mit langen Stangen aufemander, ohne sich etwas zu thun. 
Berlin, 7. Dez. Der „Nationalzeitung“ zufolge hat der 
Bundesrath gestern beschlossen, die Betheiligung an der Pariser 
Weltausstrilung abzulebnen. 
Ausland. 
Wien, 6. Dez. Nach Meldungen der hiesigen Abendblätter 
gaben heute in Prag abermalige Exzesse von Studireaden der 
1 
Universität stallgefunden, so daß die Polizei einzuschreiten genöthigt 
war. In einem Aufrufe des Rectore der Universität werden für 
den Wiederholungéefall die schärfsten Maßregeln angedroht. — 
Die „Politische Cotrespondenz“ meldet aus Bukarest, daß seil 
em vor einigen Tagen begangenen Selbstmord des dortigen Ban⸗ 
juiers Jaques Poumey nicht nur die Zahlungsfähigkeit des Bank⸗ 
jauses Poumey, sondern auch noch überdies der Besitz eines Ver⸗ 
nögens von 2 Millionen constatirt sei. 
VPrag, 6. Dez. Die Zusammenrottungen in und vor der 
Lniversicät haben zwar gegen Abend größeren Umfang angenommen, 
doch ist keine erhebliche Ruhestörung zu beklagen. Die Zugänge 
jum Universitätsgedäude waren von der Polizei besetzt, die auch jede 
zrößere Ansammlung der Massen hintanhielt. 
Rom, 6. Dez. Der König reist heute nach Florenz zum 
Besuche der dort weilenden ehemaligen Kaiserin Eugenie. — Der 
zum päpstlichen Staatsjecretär ernannte bisherige Ptonuntius in 
Vdadrid Cardinal Sianerni ist in Rom eingetroffen. 
Petersburg, 6. Dez. Laut Telegramm des „Regierungs⸗ 
mzeigers“ ist der Großfürst, Oberbefehlshaber der activen Armee, 
Nekolaus Nikolaiwitsch in Aischenw am 5. Dezember, Morgens 6 
Uhr, mit allen Feldäwtern angekommen. 
Das „Berl. Tagbl.“ schreibt: Die Erdff ung der Vor⸗Kon⸗ 
erena in Konstantinopel ist auf nächsten Montag festgesetzt 
vorden. Wie erinnerlich, bleibt die Pforte von der Konferen; 
rusgeschlossea. Die 6 Großmäshte sind dahin übereingelommen, 
zei ihren Besprechungen von dem durch die Pforte pltötzlich in die 
Diskussion geworfenen türkischen Verfafsungs-Entwurf vorläufig keine 
Kotiz zann hmen. D'eser Entwurf wird bis auf Weiteres völlig 
gnorirt bleiben und soll nicht einmal in den Vourvarlers zur 
3prache kommen. 
Die J'olirung Englauds wird diplomatischerseits als eine vol⸗ 
endete Thatsache betrachtet. Diplomatische Kreise wissen jetzt als 
zossitiv, daß der Graf Andrassy dem Lord Salisdary erklärt hat, 
Desterreich „werde die Ereignisse ruhig gehen lassen,“ das heißi 
nit anderen Worten, Ende dieses Jahres wird Rußland wahr⸗ 
cheinlich den Einmarsch in die Türkei beginnen. Wenn aber Eng⸗ 
and protestirt, wird es mit seinem Protest allein dastehen. Binnen 
dutzem ist die schon früher erwähnte „erklärende“ Note des Fürsten 
Hortichakoff zu erwarten, in welcher derselbe unter Darlegung der 
Bründe den,rujssischen Einmarsch in Bulgarien den Kabinetten mit⸗ 
theilt. 
Der Gropfürst Oberkemmandant der russischen Süd⸗Armee hat 
vor einigen Tagen dem Cjaren einen Vorschlag unterbreitet, welcher 
dahin geht, der Staat solle sich der bei dem beborstehenden Kriege 
hrer Familien beraubten Ernährer annehmen. Der Kaiser Ale⸗ 
zander hat den Antrag genehmigt und wird der Senat die Höhe 
)er betreffenden Pensionen norm ren. Großfürst Nitkolaj hat sich 
dadurch die Sympathien seiner Armee erobert. Eine Kundgebung 
üür ihn wird in den Armeekreisen vorbereitet. Der Kommandam 
er Truppen des Aiewer V'steiktes hat an dieselben folgenden 
Tagesbefehl erlassen: Nach dem Willen des Czaren ist diesem Ar⸗ 
neelo ps die Ehre zu Theil gevorden, als das erste die kürkische 
Brenze zu überschteiten und die ruhmvolle Waffenthätigteit zu be⸗ 
zinnen. Inobem der Kaiser dieses Korps in die vorderste Reihe 
vies, geruhte er die Erwartung auszusprechen, daß es die Aufgabe, 
velche ihm geworden, zum Heile Ruklands und der heiligen Sache 
erfüllen werde. 
New⸗PYortk, 6. Dez., Abendz. Die Prüfungstommission 
für die Wahlen in Florida erklärte die repudl kanischen Wahl⸗ 
maäͤntet ⸗Kand: daten für die Päsi ventenwahl a'ss mt 903 Stimmen 
Majotität gewählt, demnach sind die Stim nen jenes Staates für 
die Wahl von Hayes gesichert. Der oberste Gerichtshof von Süd⸗ 
Carolina hat die von den Demokralen konstituirte Rebräsentanten⸗ 
sammer für die legale erklärt. 
Ueber die Wahl Umtriebe in Nord-Amerika liegt heute 
aus New⸗ MPork eine Depesche vor, welche besagt: In der am