Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
Der St. Jugberter Anzeigor und das (2 mal wo chentlich) mit dem Hauptblaite verbundene Unterhaltungsblatt. (Sonntags mit illustrirter Bei⸗ 
lage), erscheint wöchentlich viermal: Dieustag Dounerstag, Samstag und Sonutag. Der Abonnementspreis beträgt vierteljährlich 
WMart 20 R.⸗Pfʒ. Auzeigen werden mit 10 Pfa., von Auswörts mit 13 Pfg. für die viergespaltene Zeile Blattschrift oder deren Raum. Reclamen 
mit 30 Pfg. pro Zeile berechnet. 
4 200. Samstag, den 16. Deeember 9 1876. 
Deutsches Reich. d J 
Aus Muünchen, 13. Dez., geyt der „AIg. Ztg.“ folgende 
fficiöse Notiz zu: Eine größere Anzahl von Blättern beschäft'gt 
ich mit einer aus der „Hoffmann'schen Corresponden“ ühben 
zegangenen Notig, nach welcher der Entwurf einer Stenerreform 
reiner Vollendung eutgegengehe und zur Berathung desselben eine 
urze Frühjahrssession des Landtags beranlaßt werde solle. Wir 
ind in der Lage zu erklären, daß hiusichtlich der Anberaumung 
einer solchen Frühjahrssession zu dem besagten Zwick zur Zeni 
veder eine Anregung gegeben noch ein Beschluß gefaßt ist.“ 
Zu den Reichstagsmahlen wird aus München ge⸗ 
hrieben: Gedenktafeln, die in den Kirchen uud Rathhäusern rr⸗ 
richtet sind, nennen die Namen unserer Gemeindeungehöt'gen, die 
vore6 Jahren für das Benerland gefallen si tdd. Sse“ habenden 
Sieg miterrurgen und durch ihre Waffenthat den Grund zum 
eutschen Reiche gelegt. Napoleon L. hatte das alte deutsche Reich 
n Teümmer geschlasen; die Hoff nung aber, daß „Kaiser und 
kesch“? einmal wieder eruͤehen verden Ekonnte er den Deutscheu 
ucht entteißen. Der Arieg von 1870771 gas uns wieder ein 
daiser und ein Reich; das damalz von sammtlichen deutschen 
olksstämmmen vergossene Blut hat diese langersehnte Frucht ge⸗ 
eitigt. Seien wir dankdar dafür! — Wi— tief der Wunsch nach 
kdaiser und Reich in allen Deutschen ledte, das wissen wir ja 
elbst. Wurde nicht im Jahre 1870 das Wiedererstehen des 
eutschen Rechs b grüßt und davon die Sicherheit gegen so große 
»ortomuinisse erwaret, wie sie am Anfang des Jahrhunderts unser 
aud zerrissen haden? Wir ehren das Andenten der Todten am 
esten, iudein wir das, wofür sie gestocben sind, hochhalten. Was 
»arn alle die schönen Steze vom Jahre 1870 merth, wenn die 
eutsche Einheit — das deutsche Reich — je wieder Schaden litte? 
Die Erinnerung au unsere Valer, Soͤhne, Bruder und Freunde, 
nie in Fra kreich ihr Lehen ließzen, fordert von uns, daß wir treu 
um Renche stehen. Wir dürfen nicht wieder zum Spotte des Aus⸗ 
andes werden, indem wir ge,en uns selbst und gegen unsere 
ige en Inte essen zum Nitzen der Feinde handeln, die beständiq 
un den Grenzen Unseres Landes lau⸗rn. 
Der eine oder der andere unter uns erinnert sich ans seiner 
genen Jugendzeit und wer Uebrigen haben es wohl dutzende 
Dale don unsern Vätern und Großvaterr erzäblen hö en, daß zu 
lafang des Jahrhunderts unter Napoleon J. ganz Deusschlaud 
Jahre lang von den Franzosen besetzt war. Brave, ehrliche Männer 
ie ihe Vaterland gerne gereitet haälten wurden stedbr eslich ver⸗ 
olgt, gefangen gehasten und standrectlich erschossfen, Frauen und 
Nädchen wurden ncht geschont; den Bürgern vnd Bauern wurde 
er letzte Keeuser abgenommen uͤnd ebenso wurde der Schmuck der 
dirchen für Kriegszwecke eingesch nolzen. Als im Jahe 1870 der 
jranzosenkaisser Napoleon III. es wieder so machen wollte, da ging 
e Sache ganz anders. Das srauzösische Heer kam gar nicht über 
en Rhein und der von Frankreich frevelhaft begonnene Krieg wurde 
uf seiren eigenen Feldern in einigen Monaten zu Ende geführt. 
doer kam das große Unglück am Anfange des Jahrhunderts und 
ꝛet tasche Sieg im Jahre 18707 Zuͤ Anfang des Jadeh inderts 
daren die Deutschen unter sich uneinig; kein Land kümmrie sich 
in das andere und so konnte jedes einzeln der Reihe nach ganj 
icht Uberwunden und geknechtel werden; erst als die Noth am 
roͤßten war, fanden sich damals die deutschen Staaten zusammen. 
im Jahre 1870 dagegen waren die Drutschen von Anfang an 
ug;z sie rückten miteinander ins Feld und zeigten dem Franzosen, 
au sie sUh die ftüher erhaltene Lehre, daß sie nur durch Einig⸗ 
it flegen könnten, gemerkt hatten. Diefe Einigkeit ble bend zu er⸗ 
alten, das ist der Zwed des deutschen Reishes Wer es mit sich 
ind seinem Lande gut meint, der muß daher —R 
innt sein. 
Berlin, 11. Dez. Nach der Wes.Zig.“ ist der Herzog 
jugen bon Württemberg in preußische Kriegsdienste uͤbergetreten. 
kr wird mit seiner Gemahlin, der Großfürstin Vera, nach Breslau 
ibersied ⸗Iin und dort die Führung eines Regiments übernehmen. 
Berlin, 11. Dez. Von zuverlafsiger Seite wird bestätlgt, 
uß Kaiser Wilhelm geleg⸗entlich seines am 1. Januar 1877 zu 
ziernden siebenzigjährigen Militärdienstjubiläums eine urnfassende 
Amnestie erlassen wird. J 
Berlin, 13. Dez. Geichstag.) Der Antrag Windthorft 
etr. die Susbendirung des Gesetzes über die Eisenzölle wurde mit 
3201 gegen 116 St. abgelehnt. J J — 
Berlhin, 18. Dez. Der „Prov.Korr.“ zufoͤlge dürfte sich 
er Schluß der Session des Reichstages bis zum 21. oder 22. 
Ddezember vrzögern. — 
Berlin, 13. Tez. In dem Schreiben des Reichskanzlers 
on 12. c. welches dem Präsidium des Reichsstags die Beschlüsse 
es Bundesraths gegenüber der zweiten Lesung der —A 
utihete, heißt e8; Der Bundesrath sei bestrebt gegenüber den 
jeschtüssen des Reicbztages in der weilen Lesung die Differenzpunkte 
if ein moͤzlichst geriuges Maß zurückzuführen, und habe bei vielen 
Junkten, vbgleich dieseiben zu begründeten Bedenken Veranlassung 
eageben hätten, verzichtet, diese Bedenken weiter zu verfolgen. Ander- 
is seien die verbündeten Regierungen verpflichtet, in ihrem Ent⸗ 
genkommen diejnigen Grenzen einzuhalten, deren Ueberschreitung 
ls Gefährdung der ihrer Oohut vorzugsweise anvertrauten öffent⸗ 
cheu Interessen erscheinen müßte. Der Reichskanzler hofft, es 
erde auf Grund dieser Besch'üsse des Bindesrathes gelingen, das 
roße nationale Werk der deutschen Justizreform gedeihlich abzu⸗ 
tzließen. Nachdem der Präsident des Reichslages obiges Schreihen 
s Reichslanzlers verlesen, beschloß das Haus auf den Vorschlag 
»es Präside iten, die dritte Berathung der Jastizgefetze auf einige 
dage zu verschieben. 
Die Nachricht von dem Plane Bismarks zur Gewinnung der 
Zayern und Badenser durch Beibchaltung der Schwurgerichte bei 
Ireßvergeben für ihre Läuder soll sih nach der „Süod. Pe.“ de⸗ 
ätigen; die letztere soll in der Form bewerlstelligt werden, daß die 
leberweisung der Preßvergehen an die Schwurgerichte auf dem 
VBege der Lindesgesetz gebung erfolgen kann. Also nene Ausnahme⸗ 
estimmunzgen in einem zur Herstellung der Rechtseinheit bestimnten 
hzesetze, und das lediglich wegen der nervosen Abneigung des Reichs⸗ 
anzlers geaen die deutsche Presse. Hoffentlich oder vielmehr gewiß 
leiben die libecalen Abgeordaeie der beiden genannten Lander bei 
er für den 15. d. Mts. erwarteten Wiederaufnahme der Debatte 
zurch die dritie Lesunz der Reich zjustizgesetze standyaft; 'n diesem 
JZunkt datf nun einmal nicht nachgegeben werden! 
Ausland. 
Pest, 13. Dez. Man erwartet, Rußland werde verlangen 
ind wahrscheinlich duch erlangen, daß auf der Konferenz ausdruück⸗ 
ich erklärt wird, daß im Falle die debotenen Garantien sich un— 
virlsam erweisen, sofort auf Oklupation zurückgegriffen werde. 
Auch Ludwig Kossuth hat in der orientalischhen Frage ge⸗ 
prochen. Der Posi wind darüber geschrieben: Dir Exdiktator 
rudwig Kossath hat von Codleguo aus 'an einen Freund in Ungarn 
inen langen Brief über die Orientfrage gerichtet. Dieser Brief, 
m Ocgan der ungarischen 1848.r Partei veröffentlicht, macht 
ugenblicktich in Ungarn diel von sich reden. Kofsauth ecklärt, was 
reilich nicht überraschen kann, daß Oesterreich Ungatn sofort gegen 
Lubßland marschiren müsse. Als merkvürdig muß belont werden, 
»aß Angesi zts der Orienifrage Kossuths Heß gegen das „Haus 
Oesterreich“ erlischt, und daß selbst er ein engis Zusamwengehen 
det beiden Reichshälften, allerdings ge jen Rußlaud, predigt. 
Paris, 10. Dez. Die franzoͤsische Depulirtenkammer hatte 
Dank den Bemuhungen der Bongpartisten gestern wieder ihr kleines 
-zkandälchen. Während der Rede des Deputirten Menier über das 
Iudget ereignete sich ein sehr anstößiger Zwischenfall, zu dem Paul 
»e Cassagnac wieder Anstoß gegeben hatte. Derselbe unterbrach 
»en Redner in feiner ungezogenen Weife und rief ihm schließlich zu, 
zas ein einfacher Chotolaner“ qgar nichts von finanziellen Dinden 
—