Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberker Nnzeiger. 
Der St. Ingberter Anzeiger und das (2 mal wochentlich) mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt. Sonntagt milt illustrirter Vei 
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— 208. ar Eainstag den 80. Deeember 
6 1876. 
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diegenen Vortrags in ziemlich geireuen Worten wiederzugeben ver⸗ 
buchen: — F 
Meine Herren! Sie erwarteten den Vertreter unseres Wahl⸗ 
reises im Reichstag heute in ihrer Mitte zu sehen; Sie erwarteten, 
daß er ihnen Bericht erstatlen werde über die Art und Weise, wie 
rx das ihm geschenlte Nertrauen zum Wohl ünserek ere ses und 
unt Wohl des Ganzen ausgeübt hat. Wie sie schon gehött, war 
OHen. Such mi dit leider unmöglech, heute vor ihnen zu er⸗ 
che nen da ihun ein ploͤtzliches Unwohlsein an das Bett fesselt. 
Wir kommen von seinem Krunkenbelt und bringen Ihnen seine 
Brüße. Hr. Schmidt bedauert es recht sehe, daß er das gegebene 
Wort nicht einlösen kann; er bedaueri es um so mehr, da er ge⸗ 
disse Interessen des Ortes St. Ingbert vor Ihnen gur 
Sprache bringen wollie. Doch sagte mir Hr. Schmid't „Ich 
verde später, sobald es mir nur moͤglich ist, nach St. Ingbert 
'ommen und dann soll Alles nachgeholt werden.“ Erwarten sie 
iber nicht von mir, daß ich Rechenschaft über das Wirlen unsered 
Abgeordnelen Hrn. Schmidt ablegen werde, dies ist unmöglich: 
denn Rechenschaftsablage ist eine höchst persönliche Sache. Gestatten 
Sie mir jedoch, da Herr Schmidi leider zur Berichter stattung über 
ein Wirken im Reichstag nicht erschienm ist, Rechenschaft abzulegen 
iber das Wirken unseret Parlei. Da wird man uns zuerst fragen, 
yb die bayer. Fortschrittspartei auch in der verflossenen Sesston 
»as Richt ge getroffen hat. M. H ! Wir wissen recht wohl: die 
national-iberale Partei ist zur Zeit wohl die best verleumdete im 
Vaterland; es wirken da viele Nomense zugleich. Nun gegen alle 
Borwürfe wollen wir uns nicht vertheidigen. Wenn man der na⸗ 
ional⸗liberalen Partei zum Vorwurf macht, daß fie an der Ent⸗ 
ittlichung, an dem Rain des Vaterlandes Schuld sei, wenn jene 
derren, welche die Verleumdung vorbringen, fuͤr sich in Anfpruch 
nehmen, als wahrec Hort der burgerlichen Feeiheit und Unabhän⸗ 
zigkeit dazustehen, so fürchten wir, wir verstehen uns wechselfeitig 
uicht. Doch gegen andere, schwerere Vorwürfe muß sich unsere 
Partei vertheidigen, weil sie lesder bon einer Seite kommen, die 
ins feüher nicht so feindlich gegenüberstand, mit der wir in guten 
ind schlechten Tagen sozar zusammen gekämpft haben; dieses hef⸗ 
ge Gegner der national⸗liberalen Partei ist die Forischrittspartei 
n Preußen. Die Ursachen dieser feindfe ligen Stellung sind wohl 
auptsüchlich persönl cher Natur und die Nachwehen jenes erditterten 
Barteiktampfes in Preußen dvor 66 und bis jetzt. Doch hoffen wir, 
aß jene Herren, welche gegen unsere Partei vorgehen, in nicht 
allzu ferner Zeit einsehen werden, daß die viel zeschmãhren Haäupter 
ʒet nati oral⸗liberale Partei Realpolitit getrieben haben. 
Ee sind im verflossenen Reichstag Gesetze gewesen, welche die 
Zorwürfe hervorriefen, die Vorwürfe welche immer dahin klangen: 
u große Henneigung nach dem Ministerium, Schwanzwedeln und 
Abhängigkeit vom großen Bismarg. Nun, meine Herren, die Er— 
olge find jetzt schon auf Seite der nationalliberalen Partei. 
Wie groß war der Kampf um das Wehrgesetz: „Das ift ein 
örmliches Aufgeben der bürgerlichen Fre'hert; unsere ganze Jugend 
egt man in die Kaserne; 18 st unerträglich; unser Nachbar wird 
irawöh isch und stait des Friedens werben wir den Krieg haben. 
Meine Herren! Die Anstrengungen der mächtigsten Partei im 
Reichstag haben uns allerdings ein machtiges Heer geschaffen, ein 
Heer, das Deuischland den Einfluß nach Außen hin sichert. Nun, 
meine Herren! es dürfte bekann sein, daß Deuischland nach dem 
Urtheil der unbefangensten Voölker der Hort des Freedens gewesen 
st und seien Sie überzeugt, ohne diesen Frieden wäre die Kriegs⸗ 
ackel, die dott im Osften entbrannte, auch in andere Länder ge⸗ 
tagen worden. Der schwerste Vorwurf aber ist in der jüngsten 
Zeit gegen de Liberalen erhoben worden. Es sind Veriäumdungen, 
velche den Vertretern derselben in allen möͤngl chen Veiwünschungen 
n 'die Heimath nachgesandt wurden. Und das ist geschehen? 
Dantk der Haltung der nationalsüberalen Parhei ist volbracht, was 
n unserem deuischen Vaterlande die Sehsucht aller verstandigen 
derzen war. Wir haben eine Macht nach Außen, die Regulirung 
ZDeutsches Reich. F IJ 
Berlin, 23. VDez. Wie nachträglich bekannt wird, hat 
der Kaiser gestern vor dem feierlichen Schluß der Reichstagssession 
Gelevenhe it genommen, dem Justizminster Leonhardt vor dem ver⸗ 
sa nmelten Bundesraihe seinen besonderen Dank und seine lebhafte 
Ane kennung sür die grotzen Verdienste auszusprechen, welche fich 
der Minister um das Zustandekon men der Justizgesfetze erworben 
hat. Belanntlich hat der Kaiser den Minisier gestern auch durch 
Verleihung des Großlreuzes zum Rothen Ad erorbden ausgezeichnet. 
Mit diesen Vorgängen zerfallen die von einem Provinziotblatt 
verbreiteten Gerüchte über den Rücktritt des VPiinisters. Leonhardt 
in sich zusammen; im Gegentheil erfahre ich, daß derselbe sofort 
Anordnungen in seinem Ministerium cetroffen hat, um die Aus— 
führungsgesetze zu den Justizgesetzen für Preußen vorzubereiten. 
Berlin, 27. Dez. Dvie Verleihung des Sterns zum 
Zronen-Orden zweiter Classe an den Prasidenten des Reichstags, 
m. Forckenbeck, wird in hiesigen politischen Kreisen als er⸗ 
seuter Ausdruck der karserlichen Genugthuung über das Zusta de⸗ 
lommen der Justizgeseze aufgefaßt. Der Kaiser empfing vor⸗ 
gestern Herrn v. Forckeubeck in besonderer Audienz. 
Nusland. 
Wien, 27. Dez. Nachrichten aus Belgrad bestätigen, 
daß der vorgestern dort angekommene russische General Nkin dee 
Stell: Tschernajew's, der nicht uach Serbien zurückkehrt, ühernimmt. 
Nelitin hat eine Rebue über sänmtliche, aus russischen Freiw elligen 
hestehenden Absheilungen der serbisnen Armee abgehalten und dem 
versammelten Difiierkorps erklärt, er sei auf Befehl des Kaisers 
gekoumen, um das tommando der Acmee zu übernehmen. Die 
Korpskommandanten erhielten den Befehl, sich u verweilt an ihren 
Best⸗mmanzsort zu begeben. Säumtliche Freiweslige murden an⸗ 
newiesen, an die Dring abzug'hen. 
Bukarest, 26. Dez. Die Kammer nahm einen Gesetzentwurf 
an, der die Gemenden verpflichtet, diee Felder der einberufenen 
Reserbisten zu dest llen und für deren Familien zu sorgen. 
London, 27. Dez. Die „Tines“ warnt gelegentlich einer 
Bespcechung der nenesten Nahrichten aus Konstantinopel die Pforte 
wiederholt vor den Folgen eints Wide:standes gegen das Reform⸗ 
programm der Couferenz: weder Englard noy andere Mächte 
würden die Türkei von sicherem Verde ben retten; sie durfte sogar 
mit mehr Feinden als Rußland abzurechnen haben. 
Konstantinopel, 28. Dei. Die Agenece Habas“ meldet: 
Die Pforte scheint nicht, wie gerüchtweise verlautete, beschlossen zu 
haben, die Vorschläne der Mächte forinell abzulehnen. Midhat Pasha 
desuchte heute die Boichifter und Bevollmächtigten, sprach adet bon 
keiner Ablehnung. Marquis Salisbury erklärte heute dem Sultan, 
daß alle Mächte dar u einig seien, auf der Annahme ihrer For— 
derungen zu bestehen und daß im Falle einer Ablehnung alle Bot⸗ 
asier abreisen wärden. Die nächste Conferenzũtzung wurde auf 
Donuerstag feftgesetzt und die Pfo ie wind aleden ihre Entschlie⸗ 
zungen bekanat geben. Sir Heurh Elliot reis demnächst ab O— 
dian Effendi geht in besonderer, wie es heihßt finanzieller Mission 
nach Paris und London. Er soll verfuchen, Geld zu beschapen. 
New-York, 25. Dz. Nach Berich en aus Sas Do⸗ 
mingo ist daselbst Revolution auszebrochen. Der Präsident Gon⸗ 
Jalez wurde abagesetzt und ist flüchtig. (I. M 
r St. Ingbert, 29. Dez. In der gestern Ahend 
im Oberhauser'jchen Saale abgehaltenen zahlreich besuchten Bürger⸗ 
dersammlung erstatteten die Hr. Advokat Anwai' osenberger 
und Hr. Wolff aus Zweibrücken, die an Stelle unseres plößlich 
erktantten Reichstags-Ad eordneten Hr. Sh midt erschienen und 
pon dem Präsidenten der Versammlung, Hr. Schauck, vorgestellt 
worden waren, ziemlich ausführlich Bericht über die Bedeutung und 
datz Wirken der national⸗liberalen Partei. Zunächst wollen wir im 
Folgenden den Inhalt des von Hr. Rofenderger gehaltenen ge·