St. Ingberler Anzeiger.
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M 25. Sonntag. den 18. Februar 187 6.
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Deulsches Reich.
München, 10. Febr. Zum ersten Male in dieser Sai⸗
on war heute Nachmittag große Tafel bei S. M. dem König.
An derselben habern J. M. de Königin-Mutter, die k. Prinzen
und Prinzejsinnen, die k. Staatsminister, Staatsräthe, die Chefs
der k. Hofstäbe und andere hohe Staals- und Hofbeamten, über
50 Peisonen, Theil genommen. Dem nunmehr aus den 16. do.
anberaumten Hofballe im Saalbau der k. Residenz wird am 20.
de. ein großer Boll bei dem Prinzen Luitpold folgen, nachdem
Tags zuvor das Künstler-Costümfest im l. Odeon stangefunden hat,
ein Fest, zu dem die umfassendften Vork hrungen getroffen wurden,
and das in seiner Art wohl eines der interessantesten und groß⸗
artigsien werden dütfte, das in München noch stattgefunden hat.
Der Carneval ist in diesem Jahre in unse er Stadt überhaupt ein
jehr helebter, si her ein gites Zeichen dasür, daß die Verhältnifsse
hier eben viel besser sind, als eine gewisse Parteip esse immer
dehauptet.
Berlin, 10. Febr. Der Re'chstug beschloß heute bei Fort
etzung der dritten Lesung dee Strafeeseznovelle mit 173 gegen
162 Stimmen die Annahme des 8 1800 (Kanzelparagraph) in
der von Vöͤlk beantragten Fassung; dagegen stimmten die Fort⸗
schrittspartei, das Centrum, die Sockaldemokraten und außerdem
Lasker, Maquel und 5 conservative Abgeordnete. Hierauf wurden
die 88 492 (Duchesne-Paragraph) und Z 3534 (Arnim⸗Paragraph)
mit der von Marquardsen beantragten Abänderungen, alle übrigen
3zz nach den in der zweiten Lesung gefaßten Beschlüssen genehmigt.
— Der General dv. Peucker (früher Reichsktiegsminister) ist heute
rüh gestorben.
Berlin, 11. Febr. Der Reichstag genehmigte in seiner
zestrigen Abendsitzung die Strafgesetzuov llennach der in dritter
Lesung gefaßten Beschlüssen in det Schlußabstimmung mit großer
Majorität. Fürst Bismard verlas dann eine kaiserliche Bolschaft,
durch welche die Sessicn gefschlossen wird. Die Versammlung
rennte sich unter dreimaligem enthusiastischen Hoch auf den Kaiser.
Die Einverleibun Laueuburgs in die preußische Mogarchie soll
zach der in Aussiht stehenden Vorlage schon am 1. Juli d. J. in
Zraft treten. Da bereits ein Kreis Lauenburg in Pommern er stirt,
io wird das Ländchen unter der Bezeschnung „Kreis Herzogthum
Lauenburg“ der Provinzial-Verwaltung Schleswig Holsteins ange⸗
schlossen werden. Dagegen wird offiziös der Nachricht wideriprochen,
daß das gesammte Vermögen Lauenbutas auf den preubeschen
Staat übergehen soll.
Graf Harry v. Aruim hat auf die Nachricht von der lebenß⸗
zejährlichen Etkrankung seines Sohnes aus Florenz telegraphirt, er
werde sofort nach Berlin kommen, unbekümmert um die zu gewär—⸗
tigende Verhaftung, denn er müsse seinen Sohn sehen. Man hat
hm zurüdtelegrapsirt, er möge noch 24 Stunden warten, da so—⸗
iben eint leichte Wendung zum Bessern im Befinden des jungen
Arnim ein zetreten ist. Man eczählt, daß die Familie v. Arnim
zor ungefähr zehn Tazgen eine Bittschrift mit gegen 60 Unter⸗
schriften versehen an deun Kaiser gerichtet habe, in Anbetracht aller
Umstände dem Grafen Hatry v. Arnim eine volle Begnadigung zu
gewähren. Unter diesen Umständen if ein sehr gewichtiger der,
daß auch die Krankheit des Grafen Hariv v. Arnim sehr bedenkl⸗
ber Natur ist.
Ausland.
Wie d'e Wener „Presse“ meldet, hat die deutsche Regierung
die von der österreichischen für das Frühjahr vorgeschlagene Revision
des deutsch-österreichtjchen Handelsdertrages acceptiet mit dem Be—
merlen, daß Deutschland nicht in die proponirte einjährige Ab—
sürzung der Vertragsdauer willigen könne, bevot e'n neuer Han⸗
delsvertrag zu Stande detommen sei.
Vermischte.
NuaderPfalz. 3. Febr.. brinat die Südd.
1
Reichspost“ folgenden Artikel: Das Resultat der Schuldieast:Ex—
pectanten⸗ Prufungen des abgelaufenen Jahres gibt zu interessan⸗
en Vergleichungen des Standes der Schullehrerbüdung in den
»ersch edenen Kre sen Bayerns Anlaß. So lasen wir jüngfst in
iffentl chen Blättern, daß bei der genannten Prüfung in ünter—
ranken unler 41 Erspectanten 7 die Note J und nur 6 die Note
V erhielten d. h. durchfielen. Anders sitellt sich die Summe der
Zchullehrerbildung in der Pfalz dar, wo von 47 Exfpectanten kein
einziger die Note J, dagegen 10 die Note IV erhielten. Wir
iud uns zwar bewußt, daß w'e hiemit der Angabe pfälzischer
Blätter wiedersprechen. welche unr von 5 durchgefallenen Caadida⸗
en berichten; nach dem jedoch, was gelegentilch mündlich aus den
S„chlußverhandlungen der Prufungskowmission derlautete, sollten
virklich 10 Prüflinge geopfert werden, und das mit Recht. Da
ndeß von 5 derfelben einige kränktich waren, andere schon einen
zweimaligen Durchfall erlebt hatten und jett gänzlich aus dem
Schulfach hätten entsernt werden müssen, so ließ die hohe Com⸗
nission, wie urs versichert oird, Gnade für Recht ergehen und
eilte die Noten der mit dem gänzlichen Ausschluß Bedrohten so
ange zu, bis sie als fähig erktärt für duas Schulamt — wenn
zuch in höchst shwachem Grade — gelten konnten. Als die erste
Zunde hiervon verlautete, hielten wir d'esen Sieg der Gnade über
das Recht anfänglich für einen glücklichen Schachzug der beiden
Vertreter der geistlichen Behörden, es wird jedoch bestimmt behaup⸗
ret, daß die erste Anre ung zu diesem milden verfahren von jener
Zeite ausging, Respicieat das Schulwesen der Pfalz seit einigen
Jahren von Amtawegen ugierstellt ist und die darnach u. A. ein
desonderes Interesse daran hat, dasselbe in möglichst günstigem oder
»och in mindest ungünstigem Lichte erscheinen zu lassen. (Ob sich
die Sache auch wirklich so verhält 7)
Aus Bruchmütllbach schreibt die „Pf. Ztg.“ Ein
Dienstkrecht von Karl Spanier, Metzger und Oekonom von Mühl⸗
»ach, Namens Michael Zielinsly aus Posen, welcher mit Streu⸗
nachen im Gebrüch beschäftigt war, erschlug mit der Hacke in ver⸗
lossen er Woche des Nachmittags ein vorüberlaufendes Wildschwein
— einen jungen Keuler — 80 Pfund schwer; dasseibe gerieth
zurch Versolgung des Knechtes auf Eisflächen, wo es keinen Stand
nehr hatte und so leichter zu erlegen war. Ter Knecht wurde
sür seine beherzte und gut ausgeführte That mit 18 Mart honoritt.
F TDas Polizeireriot Landanu hat in letzter Zeit eine An⸗
sahl Weibsperson en, welcht sich als Dienstboten verdingt und das
Draufgeld empfaugten hatten, aber nicht eingeteten waren, zu
Freibeitsstrafen, eine sogar zu 1 Monat Gefäangniß, verurtdeilt.
FSpeyher, 10. Febr. Auf Grund der Vorschtiften über
die Naturalleistung für die bewaffnete Macht im Frieden ist der
Betrag der für die Naturalverpflegung zu gewährenden Vergütung
ür das Jahr 1876 dahin festgessellt worden, daß an Verquiung
iür Mann und Tag uu gewädren ist:
mit Brod. obne Brod.
a) für volle Tageskost 80 Pfennig 65 Pfennig.
b) für Mittagskost 40. 358
c) für Abendlost 25 20 .
d) für Morgenkosi 15 F 10,
tKarlsruhe, 4. Febr. In Folge hoöheren Auftrages
verden d'e amtlichen authentischen Nachrichten über Kaspar Hauser
bei Bassermann in Mannheim erscheinen.
fAmberg, 8. Febr. Das „Amb. Tgbl.“ schreibt: Eine
Beschichte, die leicht Ubel ablaufen kann, wird uns aus Urfensollen
erichtet. Bekanntlich nächtete vor einigen Tagen ein Trupp Zi⸗
jeuner hier, der Tags dararf seine Wanderschaft fortsetzte. Im
Wirthshaus zu Ursensollen gefielen zwei bei dem Trupp befindliche
Zigeunerdirnen einigen Gästen, die sich denn an die NRädchen
nachten. sie regalirten ꝛe. Die Uübrigen Anwesenden, darunter der
derc Bürgerweister, hatten ihren Spaß dabei, und um der allge⸗
neinen Heiterleit die Krone aufzusetzen, improvisirte der letztere eine
Tivi!trauung im Wirthéhause und gab Kraft des Gesetzes — der