Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingber let Acnzeiger. 
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28. Samdtaq, den 19. Februar 1876 
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Deutsches Reich. 
München, 15. Febr. Ein Erlaß des Kultusministeriums, 
daß in Fragen der Besundheinspflege und Gesundheitspolizei auch 
der Arzt in den Shhulsitzungen mit Sitz und Stimme Theil zu 
nehmen hat, verdient die groößte Beachtug. Gibt es doch noch 
bdiele Schulen — um nur Eines anzuführen — wo das ganze 
Jahe Lehter und Schüler im Staub und Schmutz sich bewegen 
müfsen, weil im Etar nur die einmalige Ausgabe üüt Aufwafchen 
des Lehrzimmers, und zwar vor der Prüfung. vorgesehen ist. — 
Veaͤnchen, 16. Febr. Dem Vernehmen nach wird von der 
patriotischen Frakluuon eine Inkerpellation an das Staatsministerium 
bezüglich der Abtretung der bayer. Eifenbahnen an das Reich ge⸗ 
dllt merden. 
Munchen, 16. Febt. Schon in einer der ersten Sitzungen 
der Abgeordnetenkammer soll das Project der Erwerbung der deut⸗ 
schen Eisenbahnen für das Reich zur Sprache gelangen, indem 
einige Abbeorbnete der ultramontanen Fraction die Absicht haben, 
eine Anfrage an das Ministerirm zu richten, um zu erfahren, 
welche Siellung die Staatsregierung zu dem fraglichen Project ein⸗ 
nimmt. Es wird zu erwarlen sein, daß die ganze Kammer die 
Interpellation unteiftüßt, da alle Parteien darüber einig sein dürf⸗ 
sen, unsere Eisenbahnen nicht an das Reich abzutreten. Daß auch 
die Staatsregierung diefer Ansicht ist, wird kaum zu bezwe fela sein, 
und so wird die Interpellation wohl den Hinistern jelbst erwüuscht 
rommen. 
Bezüglich der aufgestellten Behaupkung, daß in München 
geprägte Reichsmünzen größtentheils nach Berlin abgeli⸗fert werdea 
nußten, bemerkt der Münchener Korrespondent der „N. A. 3.“: 
„Nur im Jahre 1874 ging ein Theil der hier geprägten Neumünze 
zuf Ansuchen der Reichsregierung nach Berlin. Derselde delief 
sich nur auf ein paar Millionen und wurde längst wieder zurücker⸗ 
staltet. Seitdem wurde von der hiesigen Münze kein Pfennig Neu⸗ 
münze mehr nach Berlin abgeliefert, wähtend die von Verlin be— 
zufs Durchführung der neuen Münzeinrichtung in Bahern nach 
Muchen gelieferte dem neuen Münzlsystem entsprechende Münze 
einen Betrag von 26 Millionen repräsentirt.“ 
Die Aeußerungen des Fuürsten Bismarck über das Zurückgehen 
der deuischen Arbeiten gegenüͤber dem Aufschwunge der französischen 
Production, welche der Fürst auf die Arbeiterbewegung in Deutsch⸗ 
and zurückbezog, hat in parlamentarischen Kreisen nicht überrascht. 
NAuf der leßien Soire des Reichskunzlers lenkte sich das Gespräch 
nuuf den Palaie des Fürsten Pleß, und es wurde von verschiedenen 
Seiten unliebsam bemerkt, daß der Fürst Pleß eine große Zahl 
sranzoͤsischer Arbeiter habe hierher kommen lassen, um das Palais 
im Junera auszubauen und einzurichten. Bei dieser Gelegenheit 
erging man sich in allgemeinen Betrachtungen über die Vorzüge der 
fcanzoͤsischen Krbet und die Stellung der Arbeiter, worauf der 
Furft sich des Weitecen gegen die andauernde Aufmerksamkeit der 
deutschen Arbe'ter füt fernliegende Interessen verbreitete und betonte, 
daß, so lange derartige Abschweifungen fortdauern, an einen Auf ⸗ 
schwung der deutschen Arbeiter nicht 1u denken sei. 
und Wappen. Schon dieser Tage dürfte dem Parlament die dies⸗ 
bezügliche königliche Eröffaung zugehen. (N. fr. Pr.) 
Nach Besr'chten aus Madrid wurde Marfori letzten Samt⸗ 
lag in Freiheit gesetzt. 
In Italien redet man viel von einer merlwürdigen Rede, die 
Beneral Garibaldi vor einigen Tagen dei der Gedächinißfeier der 
Belagerung von 1849 durch die Franzosen gehalten hat. Man 
darf mit dem alten Hetrn wegen seiner Reden und Briefe nicht 
allzuscharf ins Gericht gehen. allein das, was er hier zu Tage 
örderte, war doh gar zu bunt. Er fleht mit dem Konige auf 
zutem Fuße, besucht die Minister, schlittelt ihnen die Hand und ge⸗ 
nießt die Staatspension und trotzdem sagt er öffentlich, die einzige 
uaständize Staatsform sei die Republik und die Minister seien 
Diebe in Livree. Der alte Haudegen soll sehr erzürnt sein, daß 
nan seine Tiberpläne nicht kräftiger unterstützt. — Auch spricht 
nan selbstversändlich Vieles vom Cardinal Hohenlohe und zwar um 
o mehr, je weniger man Bestimmtes weiß. Der Chronist der 
„Gazz. d' Italia“ behaupiet, der Kardinal sei eigentlich vom Kaiser 
jon Oesterreich geschict, um Rom mit Berlin zu versöhnen. Des⸗ 
jalb sei 'auch ein österreichischer Erzherzog dieser Tage insgeheim 
sjier gewesen. — Der Kardinal Ledochowsky wird in nächster Woche 
icher hier erwattet. 
Konstantinopel, 158. Febr. Es wird öffiziell mitgetheilt: 
Zu dem Zvecke, den durch die Rebellion in Bosnien und der 
derzegowina hervorgerufenen Uebeln ein Ende zu machen, und nach 
)en freuudschaftlichen Anschauungen, welde von den durch ihre 
erlönlichen und friedlichen Gesinnungen veranlaßten Großmächten 
iber diese Frage ausgedrückt wurden, hat der Sultan in Bekräfti⸗ 
zung der all zemeinen Bestimmungen des letzten Firmans die Durch⸗ 
ührung der nachfolgenden besonderen Reformen in Bosnien und 
ser Herzegowina angeordnet: Vollstaändige Kultusfreiheit für Nicht⸗ 
nuselmäuner; Ersitzung des Verpachtungssystems durch das Ver⸗ 
valtungssystem; Verkauf der brachliegenden, dem Staate gehörigen 
Brundstücke au bedürftige Einwohner mit Zahlungserleichterungen 
hne Beiaträchtigung des allen Einwohnerklassen bewilligten Eigen⸗ 
humsrechtes; Respektirung der zwischen muselmännischen und nicht⸗ 
nuselmännischen Unlerthanen festgesetzten Gleichheit bezüglich der 
lebertragung des unbeweglichen Eigenthumns; Errichtung je einer 
uus muselmännischen und nichtmuselmännischen Notabeln gewählten 
zemischlen Kommission in den beiden Hauptorten von Bosnien und 
dec Herzegowina, wel e als Sektion des hoben Exekutibrathes be⸗ 
aufieagt wird, über der raschen Durchführung dieser besonderen und 
im Firman enthaltenen allgemeinen Reformen zu wachen; endlich 
verden die für öffentliche Nüßlichkeitsbauten bestimmten Summen 
zuf Antrag der Kommissionen nach Maßeabe der lokalen Bedürf⸗ 
aisse verhältnißmäßig erhöht werden. Diese speziellen Refornmen 
werden aus Fürsorge für Diejsenigen bewilligi, welche durch treu⸗ 
jose Rathschlaäge verirrt sind, und von denen wir wünschen, daß fle 
jum Gehorsam zurückkehren. Für diese wird eine allgemeine Am⸗ 
nestie erlassen werden. 
Ausland. 
Paris, 17. Febt. Die „Ag. Havas“ bringt folgende Mel⸗ 
dung aus Ragusa vom 16. d.: Die in Suttorina unker dem 
Dorfitze Pekoz dersammelten Insurgenten-Führet lehnten Andraffy's 
Reformborschläge ab; sie betrachten dieselben als diplsomatische In- 
riguen. (Und nun? Jatzt beginnen die Schwierigkeiten erst recht 
jür die Mächte, vor allen für Oesterreich.) (Pf. K.) 
Gerüͤchtweise verlautet in London, daß die Koͤnig'n Viktoria 
den Titel „Kaiserin von Ind'en? annehmen werde. Die Timet 
ntlätt sich mit solcher Evertualiiät ganz einverstanden. Man rechnet 
ffenbar dabei auf Erhohung der Subordination der indischen Va⸗ 
'allenfürsten, deren undändigem Stolze ein geringerer Titel wenig 
mpniren würde. Die erst neuerdinge in Schwung gekommene 
Zezeichnung Englands als „asiatische Macht“ erhielt dadurch Siegel 
RVermisqh tes. 
f Aus dem Alsenzthale schreibt man dem „Nordpf. 
Wocherbbl.“: Der bei uns immer fühlbarer werdende Mangel an 
Dienstboten zwingt auch unsere Landwirthe, zu dem anderwärts 
eteits mit Erfolg angewendeten Mittel zu greifen, und sich Dienst⸗ 
boten aus Ostpreußen kommen zu lassen. Bereilts ist eine größere 
Anzahl von Dienftboten bei verschiedenen Agenten bestellt worden, 
uind noch immer hört man von neuen Lücken, die unbedingt aus⸗ 
gefüüllt werden müssen. Die eingezogenen Erlundigungen über die 
disher eingetroffenen Dienstboten lauten durchgehends sehr zuftieden⸗ 
dellerd, allein es machen sich bei der Art und Weise det Bezugs 
ielfach so grobe Mißstande geltend, daß wir es für unsere Pflicht 
alien, beĩ Zeiten in der Presse auf dieselben aufmerkfam zu 
nächen. — Wir haben heute selbst drei Contracte von drei aus der 
Frovinz Posen durch einen Agenten Wischanowski aus Posen ver⸗