Full text: St. Ingberter Anzeiger

8* —. Ingberher Anzeiger. 
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der St. Ingberter Anzeiger und das (2 mal woͤchentlich) mit dem Haupliblatte verbundene Unterhaltungsblatt, (Sonntags mit illustrirter Bei⸗ 
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M 35. Samstag, den 2. März 1878. 
Deutsches Reich. 
Wie bayerische Blätter berichten, kamen in einer der letzten 
Sitzungen des Finauzausschufses der Abg.⸗Kamm:t vor deren Ver⸗ 
agung auch noch die s. Z. vielbesprochene Angelegenheit der un⸗ 
darleten Einführung des Mauss,e r g e, we her e s zur Sprache. 
Der Kriegsminister bemerkte in dieser Hinsicht Folgendes zu seiner 
Rechtfertigung: Er für seine Person habe die Werder: Gewehre für 
‚öllic enisprechend gehalten, aber von Seite der Kriegskommission 
vurden einige Bedenken geäußert, es könnten doch Defekte eintreten. 
x58 handelt sich nun um Anfertigung der durich den Kredit im Ge⸗ 
etzt vom 29. Juli 1876 bewilligten 53,000 Gewehre. Angesichts 
er geäußerten Bedenken zog der Kriegsminister es vor, diese Ge⸗ 
vehre nach dem Mausersystem fertigen zu iassen, wodurch keine 
Mehrausgaben entstanden, weil die Vorrichtungen zur Herstellung 
„on Wausergewehren in Amberg bereits vorhanden waren, da für 
hreußische Rechnung dortselbst große Quantitäten solcher Gewehre 
ingeferrigt worden waren. Den Kriezsminister habe bei dieser 
Maͤßregel lediglich der Gedanke geleilet, das Land vor möglichem 
Schaden zu bewahren, denn wenn das Werdergewehr die befürch— 
eten Mängel zeigte, so müsßte er mit einer Kreditforderung von 
CMill onen M. zur Beschaffung einet neuen Bew ffaung vor die 
dammer treten. 
Aus Berlin meldet ein „Lloyd“-Telegramm, daß der rus⸗ 
ische Versuch, Berlin zum Couferenzort zu machen, von Fürst Bis⸗ 
narck mit der Erklärung zurückzewiesen worden sei, daß wenn man 
ine Residenzstadt im Auze habe, nur Wien gewählt werden lönne. 
Die Commission, welcher der vom Abgeordneten Schulze⸗ 
Delitzich eingebrachte Gesetzeniwurf, betreffend die privatrechtliche 
Ztellung der Erwerbs- und Wirtoschaftsgenossenschafien zut Vor— 
eraihung überwiesen ist, beantragt durch den Referenten Adg. 
Träger: „Der Reichstag wolle in Etrwägung, daß das Bedürfniß 
u einer Revision dies Gesetzes, betreffend die pridatrechtl'che Stel⸗ 
ung der Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenfchaften, überhaupt, 
nusbesondere aber in der Richtung anzuerkennen ist, den Beginn 
der Mugliedschaft beitretender Genossenschafter, das —X 
wusscheitender Genosseuschafter und den zusässigen Zeitpunkt des 
ogenannten Umlegeverfahrens jestzustellen, beschließen: den Hertn 
Reichstauzler aufzufordern, den Eutwurf einer Novelle zu dem Ge— 
jetze, detreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs⸗ und 
Wirihschafis zenossenschaften, in welcher die in dein Anttage des Adg. 
Dr. Schulze angeregten Puntte ihre Berücksichtigurg finden, mit 
hunlichster Beschleunigung ausarbeiten zu lassen.“ 
Ausland. 
Wien, 26. Febr. Dem Vernehmen nach sind in den letzten 
Tagen alle Vorbereitungen für ein mililärisches Avancement und 
die Anstalten gelroffen worden, um im Mobilisirungsfalle sofort 
u den erforderlichen Ergänzungen bei der Besetzung der Oifiziers⸗ 
tellen schreiten zu lönnen. (N. Fr. Pr.) 
Wien, 27. Februar. Das „Fremdenblatt“ erhält von 
erläßlichsier Seite die Mittheilung, daß alle all armirenden Gerüchte 
on ruffischen Truppenbeweguugen an der österteichisch ungarischen 
Brenze, sowie alle angeblichen Gegenmaßregeln durchaus unbegrün— 
get sind. (Fr. Zig.) 
Das „N. Wiener Abdbl.“ schreibt: „Fürst Gortschakoff soll 
rach unseren telegraphischen Meldungen den Zusammentriit der 
zonferenz als nicht vor dem 14. Aptil mögzlich erklätt haben. 
raf Andrassy hatte, nechdem alle Mächte, die der Conferenz über⸗ 
Jaupt zugestimmt, das Wunschenswerihe möglichster Beschleunigung 
Mertaunnt hatten, den 10. März vorgeschlagen. Die Einwendungen, 
welche Rußland hiegegen erhob, exinnern durchaus an die früheren 
Ausflüchte, womit Europa über die Vorenthaltungen der Waffen— 
tillstandsbedingungen und Friedenspräliminarien beschwichtigt werden 
ollie. Es wurde nämlich von russischer Seite erklärt, daß die 
Rücksicht aquf die Personen der zur Conferenz zu entsendenden Bevoll⸗ 
mächtigten es unmözlich mache, sich mit dlesem Datum einverstanden 
zu erklären, nachdem dieselben sich zut Stunde so weit entfernt 
hon Petersburg befinden, daß es unthunlich wäre, sie noch vor 
geginn der Conferenz nach Petersburg zu berufen, um ihnen die 
öthigen Instruklionen zu ertheilen, ohne ihr rechtzeitiges Eintreffen 
n Baden Baden zu vereiteln. Offenbar ist Dies auf Ignatieff 
ind Schuwaloff gemünzt, die derzeit in Adrianopel und London 
heilen. Daß i8 Rußland mit diesen Einwendungen gegen einen 
aldigen Zusammentritt der Conferenz lediglich darauf ankommt, 
zaropa, beziehungsweise Oesterreich', „in den April zu schicken“, 
legt auf der Hand. Und es ist ein gar zu fauler ofsiziöser Trost, 
iese Eine differirende Stimme werde den festgestellten Plan, die 
Fonferenz möglichst bald zu eröffnen, nicht deeinträchtigen, wenn 
ben diese Eine differirende Stimme diejenige Rußlands ist.·. 
Für die Beurtheilung der Mittheilung der „Agence Havas,“ 
daß der „Friede von Konstantinopel“ bereits abgefchlossen sei, 
ehlt es noch an weiteren Depeschen. Daß der Abschluß stündlich 
rrfolgen kann, ist eben so gewiß, als daß die Türkei nes zu einem 
Ibbruch der Verhandlungen nicht kommen lassen kann; lange Hinaus⸗ 
GZzerung liegt augenblicklich nicht im Bereich der Wahrscheinlichkeit. 
Idessen sind die Dinge so sehr im Schwauken, daß über die eine 
der andere Wendung sich keinerlei Berechnung aufstellen läßt. 
Ebensowenig sind nähere Angaben über die von „Reuter's 
tzureau“ gemeldeten Fritdensbedingungen eingelaufen. Die Span⸗ 
ung ist daher überall eine große. In Wien nimmt die Gereizt⸗ 
eit der Stimmung zu. So lesen w'r heute im „Fremdenblatt“: 
Der heutige Tag hat weder eine Bestätigung, noch eine Berich— 
gung der gestrigen Meldungen der „Agence Havas“ über die 
uͤjsisch-türkischen Ftiedensbedingungen gebracht. In diesem allseitigen 
-chweigen liegt aber immerhin eine Art von Bekräftigung, und 
o dird man denn, wenn nicht bald eine authentische Richiigstel⸗ 
ung erfolgt, sich gewöhuen müssen, das Unglaubliche zu glauben. 
z3 scheini, daß die Pforte zwar noch Astrengungen macht, eine 
x*xcmäßigung der horrenden Ansprüche Rußlands in dem oder 
enem Punfte durchzusetzen, daß sie sich aber, eingeschüchtert durch 
ie Drohung der Wiederaufnahme der Feindselizkeiten sofort nach 
iblauf des Waffenstillstandes, im Ganzen in ihr Schechal ergeben 
sat. Von Konstantinopel aus wird nämlich eine rasche Unterfertigung 
cz russisch ürkischen Friedens -Instrumentes in Ausgicht —XL 
luch der Besuch des Großfürsten Nikolaus tritt wieder in den 
zordergrund, und zwar in Verbindung mit e'nem Vorrücken der 
Zussen gegen Gallpoli. Jede dieer beiden Eodentualitäten müßte 
ffeubar in London auf das Unangenehmste empfunden werden.“ 
London, 25. Febr. Die „Times meldet aus Wien vom 
Zonntag: Rußland erklärte: der Friedensbedingungen seien dreier⸗ 
ei; sie lägen erstens im ausschließlichen Interesse beider Kontrahen⸗ 
en, zweitens in den gewisser Ennzelstaaten, drittens in dem Euro⸗ 
s.“ Zu der ersten Kategorie, welch? dem Kongresse blos behufs 
er Ratffiz'rung vorgelegt werden soll, gehören dit Fragen bezüglich 
Meinasteus, der Bulgakei und der Kriegsentjhädigung sammt den 
Jürgfchaften für letztert: zur zweiten die Fragen bezüglich der 
Honau, Serbiens, Bosniens, Montenegto's und der Herzegowina; 
ur dritten die Dardanellenfrage. Rußland will blos die beiden 
etzteren Kategorien dem Kongresse zur Etörkerung untecbreiten. 
London, 27. Februar. Die Regiezung bestellte in Dundee 
0,000 Sandsäcke, binnen 3 Wochen zu liefern. — Das Märzheft 
er Zeitschrift „Neunzehntes Jahrbundert“ enthält einen Artikel 
‚on Gladftone (bekannt als Türkenfeindd, worin die Orientfrage 
esprochen und ausgeführt wird, daß, nachdem dic Regierung hee 
hlossen habe, die drage der Durchfahrt der Kriegsschiffe durch die 
Jardanelien der Entscheidung Earopas zu überlassen, für sie auch 
icht der getingste Vorwand zu einem Separatkriege oder zu Sepa⸗ 
at⸗Operalionen in der Levante übrig bleibe. — Die „Pallmall⸗ 
hazetie“ ist ermächtigt zu erllären, daß die Regierung beschlossen 
Jat, im Falle eines Krieges Lord Napier von Magdala als Ober⸗ 
efehishaber des Expeditionzcotpe mit General Garnet Wolseley 
Is Generalsstabschef zu verwenden.