Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler AAnzeiger. 
Der St. Jugberter Anzeiger und das (Z mal woöchentlich) mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt. (Sonntagt mit illustrirter Bei— 
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Aä 38. Donnerstag, den 7. März 1878. 
Deutsches Reich. 
München, *. Miärz. Im Finanzministerium werden zur 
Zeit die durch die Einführung des Malzaufschlags in der Pfal; 
nothwendig gewoidenen organisatorischen Bestimmungen ausgearbeitet. 
Eine größere Anzuhl diestheinischer Aufschlagseinnehmer wird in 
die Pfalz versetzt werden. Dem Bejirke der einzelnen Malzauf⸗ 
jchlag⸗ Einnehmereien werden mehrere Gemeinden zugetheilt werden, 
Molog wie dies im diesrheinischen Bahern der Fall ist, dagegen 
dre Anzahl der seitherigen Hebebezirle mit den Aufschlags Ginneh⸗ 
mereien daselbst in Eintlang gebracht werden. M. C.) 
Bersin, 3. Marz. Die parlamentarische Soiree des Reichs⸗ 
kanzlers fand, wie berichtet, noch einmal in den feitherigen Röumen 
slalt, da die neuen Räumlichleiten im ehemaligen Palais Radziwill 
irotz aller Anstrengungen noch nicht fertig gestellt werden lonnten. 
Umer den Anwesenden bemerte man den Feldmarschall Grafen 
Molike, die Prasidenten des Reichstages, v. Forckenbeck, v. Stauffen⸗ 
berg und Fuͤrst Hohenlohe-Langenburg, die Minisser Falk, Achen⸗ 
hach, Hofmann, den Generalpostdireltor Stephan, den Prãsidenten 
und Bicepräsidenten des Abgeordnetenhauses, v. Bennigsen und 
Graf Bethusy, sowie eine Reihe von Mitgliedern des Bundesruthes. 
des Reichsstages, u. A. die Abgeordneten Bamberger, v. Sauden⸗ 
Tarputschen, v. Seidewitz, Volt, v. Kardorff, v. Varnbüler, Graf 
Udo Siolberg. Dr. Kneist, Dr. Lucius, die Elsasser Abgeordneten 
Schneegans, Nessel, Bergmann, sowie viele Mitglieder der Reichs⸗ 
dehörden. Man sah 'den Reichskanzler den größeren Theil des 
Abends (.wei Stunden) in fortgesetzter Unterhaltung mit dem Vrä⸗ 
identen des Reichstages, Herrn v. Forckenbeck. 
Berlin, 5. März. Die „Nordd. Allg. Zig.“ schreibt: 
eber das Entlassungsgesuch des Finanzminsters ist eine abschließende 
Enischeidung bisher noch nicht getroffen worden, da vorher über die 
Schöpfnng des Reichsfinanzamtes und über den Modus der Stell⸗ 
vertretung des Reichskanzlers entschieden werden, auch die Stellung 
des Reichstages zu der Steuerfrage mit ganz anderer Beflimmtheit 
als bis jetzt erkennbat sein muß . 
Berlhin, 53. Maärz. Der Reichstag trat heute in die erste 
Berathung des Gesetzentwurfs betr. die Siellvertretung des Reichs- 
lanzlers ein. An der Debatte betheiligte sich u. A. auch der 
bayer. Ministerptösident v. Pfretzschner; derselbe außerte ungesähr: 
Er möchte die Einrichtung des Bundesralhs ausgenommmen wissen 
bon den Institutionen, welche als unhaltbar bezeichnet würden. 
Er halte sich für verpflichtet, die Stellung der bayerischen Regie⸗ 
rung zu der Frage der Reichsminfserien zu präz firen: „Dieselbe 
ist entsch eden gegen Reichsministerien. Sie kennt als einziges ver— 
antwortliches Reichsorgan mit der Reichsverfassung nur den Reichs⸗ 
tanslser. Sie anerlennt die Nothwendigkeit einer Stelloertretung 
des Reichskauzlers, nie sie die Vorlage wil. Sie würde aber im 
Reichsministerium eine Schwächung des Bundestathes, eine Beein⸗ 
trächtigung der Autonomie (:Selbstfständigkeit) der Einzelstaaten er⸗ 
blicken. Wir finden eine nothwendige Hilfe für die Geschäfte in 
der Vorlage. Gegen Staatsministerien dagegen müfsen und werden 
wir uns energisch erkläͤren.“ — In wesentlich dem gleichen Sinn 
sPrach sich auch der württemb. Staafsminister v. Mittnacht aus. 
Berlhi'n, 5. März. Der Kronprinz von Oesterreich em⸗ 
pfing gestern Nachmutag den Fürsten Bismarck und besuchte Abende 
J unserem Kronxrinzen und dem Prinzen Wilhelm das Viltoria⸗ 
eater. 
Ausland. 
Wien, 5. März. Die Mäßigung der ruffischen Friedens⸗ 
bedingungen üderraschte hier; man erkennt darin in erster Linie 
den Erfolg der Vermittlungen Bismard's, sowie der persönlichen 
Rathschläge Kaiser Wahelms. 
Paris, 5. März. Der „Soleil“ bringt eine Erklärung, 
in welcher angezeigt wird, daß ungefähr 20 Constitutionelle sich 
von der Rechten des Senats getrennt haben, um die Politik der 
Regierung zu unterstützen, so daß im Senat fortan der Linken die 
Mehrbheit ankzelört. — Der Temps“ meldet: Wir erhalten von 
Berlin wichtige Nachrichten. Deutschland, das bis jetzt Frankreicht 
Finladung zur Ausstellung nicht angenommen hatte, beschloß auf 
reue Binen unserer Regierung sich in der Abtbeilung der schönen 
dünste vertreten zu lassen. Wem diese Nach icht sich offteiell be⸗ 
stätigt, so wird die öffentliche Meinung darin ein Anzeichen für 
die Aufrechterhaltung des Friedens in Europa und eine nicht zu 
derkennende Bürgschast der versöhnlichen Beziehungen wischen 
Frankreich und Deuischland erblicken.“ 
Aurs Montzeau-les⸗Mines Eaone⸗et Loire) wird 
zemeldet, daß Sonntag Morgen dafelbst auf dem Plaße vor dem 
Stadthause eine Massenkundgebung streikender Bergleute stattfand. 
Da die Schreier ihre Hochrufe auf die Streiken nicht einstellen 
wollten, ließ der General von Gallifet, der mit Truppen von Dijon 
ztkommen war, auf die Menge schießen, und wie es beißt, sollen 
Zei dieser Gelegenheit fünf Personen verwundet worden sein. Der 
Präfelt,, der Unterpräfekt und der Maire eilten auf den Lärm 
hserbei und bewogen die Arbeiter sich zurückzuzichen. 
London, 5. März. „Daily News“ meldet über die in 
San Siefano übereingekommenen Friedensbedingungen Folgendis: 
Der Friedensvertrag verfügt, daß der künftige Fürst der Bulgarei 
nicht Mitzlied einer regierenden Familie Europas sein darf. Die 
Summe des der Bulgarei aufzuerlegenden Trivuts wird erst in 2 
Jahren fixitt. Bulgarien erhält den Seehasen Kavala. Die 
Russen schiffen sich in Marmarameer ein und kehren durch die 
Straße von Konstantinopel, den Bosporus heim, werden aber nicht 
in die Stadt Konstantinopel einrücken. Alle bulgarischen Festungen 
verden geschleist, und bleiben leine zürlischen Truppen in Bulga⸗ 
rien. Diese Details rühren von Ignatieff her. 
London, 6. März. „Reuters Bureau“ meldel aus Kon⸗ 
ldantinopel, 5. März: Der authentische Friedentvertrag führt den 
Titel „Friedeuspräliminarien“ und enthält 29 Ariiken, deren erste 
Montenegro, Serbien, Rumänien, Bulgarien behandeln. Die Kriegs⸗ 
sostenentschädigung beträgt 1410 Milllonen Rubel, wodon 1100 
aufe die Gebietsabtretungen in Asien abgerechnet werden. Ueber 
zvie Zahlung der verbleibenden 310 Millionen sind keine näheren 
Bestimmungen sowie auch bezüglich der Zahlungstermine und Zinsen 
zetroffen. Die Regierungen von Rußland und der Türkei werden 
ich hierüber später verständigen. Die Grenze Bulgariens bilden 
die rechte Seite des Karassuflusses und das ganze Litorale im 
Osten, im Norden eine Linie Tschismenvarna und Pirot, welches 
hei Bulgarien bleibt. Serbien erhält Sienitza Novibazar und 
danja (2). Moutenegro erhält Antivari, Podgoritza, Spuz. Durch 
Bulgarien wird eine Militärstraße angelegt, welche gleichzeitig für 
Post⸗, Telegraphenverlehr und Truppentransporte dient; letzleve 
dürfen sich obne besondere Ermächtigung nibt ia Bulgarien auf⸗ 
halten. 
Galbatz, 5. März. Die Russen haben begonnen, die der 
Donauschifffahrt entgegenstehende Hindernisse zu beseitigen. Die 
Auffischung der Torpedos dürfte Ende dieser Woche durchgeführt 
sein und die Donauschifffahr! daber in nächster Zeit eröffnet werden 
önnen. 
Die ‚Pol. Cort.“ meldet aus Petersburg: In den 
naßgebenden Kreisen ist man wieder sehr lebhaft mit dem Zu⸗ 
'ammentritt des Congresses beschäftigt. Neuerlich wucrde Berlin 
als Congreßort in Aussicht genommen und man hofft, daß Fürst 
Bismarck dieser Anregung gegenüber sich nicht ablehnend verhalten 
werde. Es bestätigt sich, der Friedensvertrag enthalte die Clausel, 
daß dessen Ratification innerhalb 14 Tagen, vom Unterzeichnungs⸗ 
tage an gerechnet, in Petersburg ersolgen müsse. 
Vetersburg, 5. Maäarz. Der „Regierungsbote“ enthält 
folgende Bekanntmachung zum Vollzug der neulich angekündigten 
Maßregeln: Die Reichsbank gibt am 13. Maärz für 50 Millionen 
Rubel Reichs chatz Obligationen erster Classe aus mit sechsmonat⸗ 
'icher Umlaufazeit zum Nominalwerth von 1000 und 5000 Rubel, 
rückzahlbar an den Vorzeiger zum Nominalwerih nebst 4 pCt. 
Jabres⸗Zinsen