Full text: St. Ingberter Anzeiger

gberler Anzeiger. 
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meunuhn 
M 5. Dienstag, den 8. Januar 1878. 
Deutsches Reich. 
Berlin, 6. Jan. In den preußischen Ministerien wie 
im Reichskanzleramt richtet man sich auf die Organisations: Veräu⸗ 
derungen unter det Hand schon jeßi ein. Zu allererst dürfte ein 
Reichsfinanzamt errichtet werden, das sich aus der jetzigen Finanz⸗ 
Abtheilung des Reichskanzleramto entwickelt. Der Geheime Regie⸗ 
rungstath Dr. Michaselis bleibt Direltor, Chef wird der Finanz⸗ 
minisiser Camphausen. Dieser ersten Umgestaliung werden dann 
andere folgen, zunächst die Ausgestaltung des Reichsjustizamts, weil 
diesem in Nücdsicht auf die deutsche Jusstizreform wichtige Aufgaben 
jufallen, die keinen Aufschub dulden. Die Dezentralisation des 
Reichskanzleramts stellt an das Letztere nuue Auforderungen, zu 
deren Erfüllung nicht mehr der Staatsminister Hofmann, sondern 
zin Verstanenzmnann des Reichskanzlers berufen werden dürfte, der 
an der Reorganisation der Reichsbehörden wesentlich betheiliet ist. 
Es werden sich die Dingte in ihrem Verlauf ganz von selbst so ge⸗ 
stalten, daß Jeder ohne Weiteres Rudolf v. Bennirsen als den 
nothwendigen Chef des umgestalteten Reichskanzleramts ansieht. 
Wit folgen in diesen Mittheilungen den Andeutungen hochgestellter 
VBeamten, die den Rücdtritt des Herrn Hofmann als unerläßlich 
ansehen und die, so willig sie auch einräumen, daß der Chef des 
Reichtkanzleramts durchaus bemüht war, den Wunschen aller unter 
hm arbeitenden Beamten gern entgegen zu lommen, doch von der 
Nothwend'igleit einer Reform längst überzeugt waren. Berl. T.) 
Wie unterrichtete Personen erzählen — schreibt man der 
„Magd. Zig.“ von Berlin — wird der Präsident des Reichs⸗ 
anzleramts, Staatsminifter Hofmann, seinen Abschied focdern. 
Man duingt diesen Entschluß des Ministers mit der Reise des 
Herrn v. Bennigsen nach Varzin in Verhindung, und bemerkt, es 
habe dem Präsidenten des Reichskanzleramts nicht gleichgültig sein 
sönnen, daß über die anderweitige Ausgeslaltung der Reichsämtet 
Bethandlungen ohne sein Vorw'ffen geführt worden seien. Herr 
Hoffmann siehdt sich durch die Varziner Besprechung als deplacitt 
an und will, wie es scheint, nicht länger auf einem Posten bleiben, 
der wahrscheinlich ihm früher oder spüter doch entzogen werde. 
Es wird angenommen, der Staatsminister Hofmann trag⸗ sich mit 
der Absicht, nach Darmstadt zurüchzukehren. 
Aussfand. 
Wien, 8. Januar. Eine der ‚Polit. Corr.“ aus Galatz 
zulommende Depesche meldet, daß die Donau dort so fest zugefroren 
ist, daß sie in zwei Tagen für die schwersten Fuhrwerle passirbar 
werden dürfte. Die Besezung von Sulina durch die Russen ist 
bevorstehend. 
Wien, 7. Januar. Das Telegraphencorrespondenz: Bureau“ 
meldet aus Konstantinopel, 6. Januar; Die Disposition der Pforte 
ist fortwährend einem Waffenstillstand sowie dem Frieden günstig, 
sie wartet ledoch das definitive Resultat der englischen Schritle bei 
Rußland ab, bevor fie eine Entscheidung trifft. 
Amtlich wird aus dem russischen Hauptquartier Bogot, 5. 
Januar gemeldet: „Der Vetlust der Russen beim Balkanübergang 
detrug nuct 200 Mann; der det Türken war enorm. Die ganze 
Ebene von Komarzi ist mit Leichen bedeckt. In Tischlowaz und 
—XEV0—— Versprengte 
Flüͤchtlinge werden massenhaft gefangen. 
Wie nach Betensburd gemeldel wird, sind von der kür⸗ 
tijchen Armee nur 40,000 Mann nach Rumelien abmarschirt; hin⸗ 
gegen verbleiben 70,000 Mann in den bulgariichen Festungen sowie 
in Ratgrad, Eskidjuma, Osmanbazar und Bagardschik. 
Petersburg, 5. Januar. Der „Agence russe“ zufolge 
liegt keine offizielle Bestätigung der Meldung auswärtiger Blätter 
bor, nach weicher die Psforte den deutschen Boischaiter Prinzen 
Renß ersucht habe, ihre Friedenbedingungen der russischen Regierung 
mitzutheilen. (Auch von Berlin aus wird diese Angabe als falsch 
itlärt.) — Die „ügence russe“ wendet sich gegen die Behauptung 
her endglischen ministeriellen Blätler, daß es Rußland zwar zustaͤnde. 
irekt mit der Pforte einen Waffenstillstand, nicht aber den Frieden 
wbzuschließen, und hebt hervor, ein Waffenstillstand sei nicht möglich 
nhue vorherige Annahme der Friedenspräliminarien. Die Turkei 
abe aus gleichem Grunde im vorigen Jahre den Abschluß des 
Waffenstillsiandes mit Serbien und Montenegro verweigert. Ruß⸗ 
and werde sich nicht von diesem Grundsatz des Volkerrechts ent⸗ 
ernen. 
Petersburg, 85. Januar, Ahends. (Amtlich.) Groß⸗ 
fürst Nikolaus meldet an den Kaiser: Am 8. Januar nach einem 
inbedeutenden Scharmützel bei dem Dorfe Wratschdewna nahmen 
die Russen Sofira ein; der dabei erlittene Verlust belief sich auf 
nur 24 Mann. 
Petersburg, 7. Januar. Die „Agence russe“ sagt, 
Brivaitelegramme melden: In Folge des von England der Pforte 
rtheilien Rathes, direkt mit Rußland zu verhandeln, werden tür⸗ 
ische und russische Bevollmächtigte demnächst zujammentreffen. Die 
lenderung (2) der englischen Politik soll hervorgerufen sein durch 
ine Unterredung Gorijchakoffs mit Lord Loftus (dem britischen 
Zotschafter in Petersburg). 
germüschtes. 
fSt. Ingbert, 8. Januar. Gestern Nachmittag gegen 
22 Uhr brannte die in den Großgärten gelegene Werlstätte deß 
züfers Rodenvusch sammt Holzschuppen vollftändig niedet. Werk⸗ 
cuge, Fässer und ein großer Holzvorrath wurden bis auf Weniges 
in Raub der Flammen. Glädklicherweise isft, wie uns gesagt wird, 
vas Verbrannte versichert. 
— Am letzten Sawstag verunglüdten 2 mit Sprengung dvon 
Zteinen beschäftigte Arbeiter in dem großen der Bahndirektion ge⸗ 
sörigen Steinbruche bei Weidenthal, durch Entzündung 
iner im Sprengloche sich befindlichen Pulvirmasse von 16 Pfund. 
Finer der Arbeiter, Sohn einer armen Wittwe von Weidenthal, 
vurde sofort gelödtet, dein andern wurde die rechte Hand abgerissen 
ind et auch noch im Gesicht so erheblich beschädigt, daß an seinem 
Uufkommen gezweifelt wurde. 
Landau, 5. Januar. EC. A.) In der berflossenen 
Nacht wurde bei Herrn Goldschmied Kling in der Kirchgasse ein 
bedeutender Diebstahl verübt; der zu leicht verschlossene Laden eines 
Schaufensters wurde geöffnet, die Glasscheibe eingedrüctt und der 
zanze Inhalt des Schaufensters — Gold⸗ und Silberwaaren im 
Werthe von circa 3000 M. — gestohlen. 
Neustadit, 4. Jan. Nacdem ein ziemlich vermdgender 
Bauerzmann in Lachen schon mehrmals am Erhängen verhindert 
vurde, hat derselbe heute Nacht seinen Borsotz doch endlich ausge⸗ 
ührt und zwar im Beisein seines siebenjährigen Sohnes, der troß 
einer Bitlen ihm mit einer Laterne zu dieser Arbeit leuchten 
nußte. (Pf. V.) 
f In der Nähe von Glanmünchweiler, so wird 
der „Pi. V.“ von dort berichtet, fand kürzlich ein Treibjagen statt, 
hei welchem 36 Hasen und 1 Hirsch geschossen wurden. Wer den 
Zchaden hat, braucht füt den Spott nicht zu sorgen und so rejzi⸗ 
irt auch der undarmherzige Vollswitz mit obigen Worten ein Vor⸗ 
'ommniß, das fuür die Betheiligten von höchst nachtheiligen Folgen 
ein kann. Der geschossene Hirsch ist nämlich ein „Herr Hirsch“, 
»er als Jäger an der Treibjago Theil nahm und der so unglüdlich 
'n's Gesicht geschossen ist, daß wahrscheinlich ein Auge verloren 
zehen wird. 
F Ein Gaunerstückchen seltener Art wurde in der Nacht zum 
3. ds. M. in einem Gasthofe in Frankenthal ausgeführt. 
xẽs erschien nämlich dafelbst ein gutgelleideter Mann, der sich in 
»as Fremdenbuch als „Johann Maier, Oekonom aus Offstein“ 
inzeichnete und erklärte übernachten zu wollen. Weil er morgent 
rüh fort müsse, zahlte er sogleich seine Zeche für Abendessen, Logis 
ind Frühstüctt. Als er früh Morgens zum ersten Bahnzuge weg⸗ 
zing, erllärte er am Abend wieder zu lommen. Nach seinem Weg⸗ 
Jange bemerkte man, daß das Licht in seinem Zimmer noch brannte