Full text: St. Ingberter Anzeiger

am Abend vorher ein Ständchen gebracht, und die beiden Bilrger⸗ 
meister und ein Stadtrath überbrachten ihm Namens der Stadi 
ihre Glückwünsche. 
Saarbrücken, 13. März. Ein unangenehmes Aben⸗ 
zeuer in unserer Stadt passirte gestern Abend zwischen 8 und 9 
Uhr einem jungen israelitischen Handlungsreisenden aus Mainz. 
Derselbe gerieth, etwas ang⸗heitert, hintet dem Circus auf deir 
Bleiche in die Gesellschaft leichtsinniger Frauenzimmer, welche deth 
Fremden sein Por?monnaie oder Pottefeuille mit ca. 800 M. in 
Zolb uad Papier wegstibitzten und ihn, der ortsuntundig, aus 
dem finstern Platz stehen ließen. Hoffentlich gelingt es der bereiis 
benachrichtiglen Polizei, dem dupirten Don Juan wieder zu seinem 
Gelde zu verhelfen. (Saarbr. Zig.) 
t'Wie die „ITr. Zig.“ vernimmt, ist die Eröffnung den 
Moselbahn zwischen Diedenhosen und Trier (bezw. Ehrang) auf 
den 1. Mai festgesetzi. 
Ratingen (reis Düsseldorf.) Zwei Gaste mahlen 
in einer Wirthschaft als Fastnacht sscherz „die Waage“, wobei die 
Arme nach dem Nücken zu verschlungen werden und Einer den 
Andern mit dem Rücken aufhebt. Der Eige, ein Müuüllir, wurde 
aber von seinem Partner zu weit gedoben und flog über den Kopf 
desselben in die Stube, wobei er so schwere innere Verletzungen 
rlit, daß er am nächsten Morgen starb. 
F Der großherzoglich hessische Kriegsrath Wiegend, welcher 
wegen bedeutender Unterschlagungen nach Amerika fluchtig geworden 
var und in Hamburg einen Selbstmordversuch gemacht hatie, ist 
am 9. März in Darnstadt eingeliefert worden. 
Allerhsqhhste Medizinalpfuscherei. Der 
kleine Sohn des Koches und Restaurateurs Teichert in Berlin litt 
seit seiner Geburt an Krämpfen; alle Hemusmittel und Medikamente, 
delche die Etern anwendeten, schenen das Uedel nur zu verschlim. 
mern. Die Frau eines Schloßbeamten rieth dem Vater des 
Knaben, sich an die Großherzogin von Mecklenburg⸗Schwerin, ene 
Prinzessin aus dem Hause Schwarzburg⸗Rudolstadt, gedoren 1850, 
zu wenden; diese habe ein ganz vortreffliches Mittel gegen Kuder— 
främpfe. In der That kam auf ein Bittschreiden aach Shwerin 
nach wenigen Tagen ein Packet und dazu ein Begleitbrief fol enden 
Inhalts bei dem Bitist ller in Berlia an: „Herrn Philipp Teichert, 
Herlin. H'erneben erfolgen die von Ihrer Eheirau erbelenen 
Schlagpulver füt Ihren an Krämpfen leidenden 214.jährigen 
Sohn, jedoch wird Ihnen wegen des zarten Alters Ihres Sodnes 
cnpfohlen, vor oder beim Gebrauch dieser Pulber einen Arzt bei⸗ 
uziehen. Großherzogliche Hofmarĩchall ⸗Amts-Registratur in Schwerin. 
hoͤfsekretar Peters.“ Die beigegebene gedruckte Gebrauchs nwe sung 
rug die Ueverschrift: „Nachricht von einem Pulver für den 
Schiag oder das sogenannte Unglück.“ Zum Einrühren der Pulver 
war eine Flasche mit Maiblumen-Wasser beigelegt worden. Hert 
Teichert zoz bei Anwendung der Pulver seinen Hausarzt zu Rathe. 
Das Resutlat wird „vorläufiz“ als ein günstiges bezeich et. 
f In der Nacht vom 10. auf den 11. ist dicht vor den 
Thoren Köln's ein schleußlichet Mord verüdt worden. Der Be—⸗ 
fitzer einer dort belegenen Wirtyschaft war gegen 12 Uhr nach 
hause gekommen, gleich nachher hörten Vorübergehende klägliches 
Hilfetufen aus dem Hause und den Schall heftiger Shläge. Man 
drang in die Wirthschaft und fand den Besitzer todt in seinem 
Blute lieger. Dem Unglücklichen war mit einem harlen Instru⸗ 
strumente der Schädel Aängeschlagen, an seinem Halse zeigte sich 
line klaffende Schn'ttwunde, auch waren demselben an einer Hand 
mehrere Fenger durchschnirten; die lezgenannte Verletzung rührte 
augenscheinlich daher, daß der Verstorbene das Messer, dessen sich 
der Moͤrder bei Vollführung der ruchlosen That bediente, abzuringen 
dersucht halte, wobei ihm die Klinge durch die Hand gezogen worden 
war. Die Werthgegenstände, welche der Ermordete mit sich führte, 
fanden sich noch bei der Leiche vor. Es liegt demnach die Ver⸗ 
muthuag nahe, daß die That as Rache begangen worden ist. 
Noch in derselben Nacht wurde ein Schwiegersohn des Ermordeten 
derhaftet; wie es heißt, fand man Blutfputen an dessen Kleidern. 
auch war er an einer Hand verwundet. 
x Der zweite deutsche Lehrertag wird am 11. bis 13. Juni 
in Magdeburgetagen. Für die Tagesoidnung sind folgende 
Gegenstände in Aussicht genommen: 1. Organisation des deuischen 
dehrerlages; 2. Eingade an den Reichstag, betreffend die 88 223, 
230 und 232 des Strasgesetzbuches; 3. aus den „Fragen zum 
Unterrichts⸗Gesetze“ besonders die Ftagen, über welche bisher eint 
Finigung nicht erzielt ist; 4. Lehretinnen⸗Frage; 5. vetschiedene 
Berechtigungen und deren Einfluß auf den eigentlichen Zweck der 
Schule; 6. Stellung der Lehrer in der Gemeindeverwaltung. 
7 'Die Falsifikate von den Zwanzigpfennigstücken mehren sih, 
—R Weise, daß 
man in ojßftziellen Kreisen bereits eine andere Form der Aus⸗ 
prägung für diese Münzsorle in Erwägung gezogen hat. 
p'Drei Weisdeitsregeln. Aus dem Leben des 
— Bismarck erzählt W. Buchener folgende Episode; „Graf 
dienberg. früber bessischer Gesaudter in Varis. dann Gesandter 
des Deulschen Reiches, ein eifrlger Handschriftensammler, überreichte 
auch dem Fürsten Bismardk sein Album zur Einzeichnung, welchem 
Gesuche dieser nach einigem Zözern willfahrte. Das Blatt, auf 
welches Bismarck schrieb, trug bereits zwei andere Deulsprüche. 
Der vormalige Minister Guizot hatte geschrieben: In meinem langen 
Leben habe ich zwei Weisheitsregeln gelernt, die eine, viel zu ver⸗ 
jeihen, die andere, niemals zu vergessen! Der feine Thiers, Guizol's 
jangjähriger Widersacher, hatte darunter geietzt: Ein wenig Vere 
zeßuͤchkeit schadet der Aufrichtigkeit der Verzeihung nicht! Und 
wieder darunter steht von Bismarck's Hand: Ich meinerjeits habe 
im Leben gelernt viel zu vergessen und mir viel verzeihen zu lassen! 
FArbeilter Wohnungen. In Hamburg hat ein Con⸗ 
sortium hervorrogender Männer eine geweinniltzige Bauge'ellschaft 
zum Bau von Arbeiter Wohnungen gegründet. Es soll eine Colo— 
zie kleiner Häuser, zunächst etwa 400, erbdaut werden. Die Be⸗ 
wohner sollen durch die zugleich zur Amorifsation des Anlagecapi⸗ 
jals destimmte, übrigens noch immer nicht hode Methe allmählich 
in den Besitz der Häuser gelangen. Emen Zins von vier Procent 
joffen die Uaternehmer von dem Aalage Capital dennoch zu erlan⸗ 
zen. In Märkisch Gladvach bewährt sich ein solches Unternehmen 
‚orttefflich. Daß die Atbeiler allmählich kleine eigene Hauser er⸗ 
atigen, ist von außerordentlicher Bedeatung. In der Arvbeiter· Ca⸗ 
serne ist die Familie nur eine Nummer, die nach Möglichkeit ge⸗ 
preßt, ausgesogen und herumgeworfen wird, wahrend das Häuschen 
der Baugefelischaft zugleich ein Spariopf ist, der den Prolelarier 
unvermertt dum ausassszen Bütger macht. — Das Unternehmen 
ist nur mit Freuden zu begrüßen. 
7 In Paris wirs die Personal⸗Einkommensteltler neu fest⸗ 
Jesteli; dabei hat es sich ergeben, daß die Familie Rothschild 
ährlich 1,207.330 Francs zu entrichten hat. 
Lackirte Butter. In England kommt seit einiger 
Zeit Butter in den Handeh, die besonders für den Tafelgebrauch 
Feliebt ist und höher bezahlt wird, als gewöhnliche Butter von 
lleicher Qualitaäl. Sie hat ein glänzendes, jast eibartiges Aus⸗ 
ehen und nimmt sich, schön geforut Un Formen ged ückt) sehr 
sut aus. Das einfache Verjahren, das bisher als Gegeinneiß be⸗ 
vadrt wurde, ist im Wesentlichen Folgendes: die Butter wird 
orgfältig ausgewaschen, geballt oder geformt und bis zum folgen⸗ 
den Tage stehen gelassen. Dann löst man einen Theelöffel voll 
veißen Zickers in e Liter heißem Wassers auf, leg“ die Ballen 
zuf ein weißes Tuch und bestreicht sie mittelst eines feinen, nicht 
u kleinen Pinsels rasch mit der heißen Flüssigket. Die Wirkung 
st, daß die Oberfläche ein wenig schmilzt aber sogleich wieder fest 
vird, wobei ein lackartiger Glanz wie Eis zurück-leibht. Man 
ann die Butler auch einfach in die Flüssigkeit eintauchen; es er⸗ 
ordert aber dies eine gewisse Uebung und Geschicklichkeit. 
f In der englischen Armee bestest die Einrichtung, daß für 
Trunkenheit in und außer dem Tienste eine Geldstrafe von 28 bis 
IL verhängt und der dadurch enistehende Fonds zu Geschenken au 
Leute von guter Führung verwendet wird. Es müssen in den 
tzten Jahren recht häufig Bestcafungen vocgekommen sein, denn 
»om 1. April 1869 bis 1876 sind im Ganzen 122,3481. jährlich 
aljo mehr als 170001. eingenommen worden. Im vorhergegan⸗ 
zenen Jahrzehnt vetrug die Summe der Steafgelder nur 110.000 
L, also jährlich 11,0001L. 
f Ein Blatt in San Francisco bringt folzende ori⸗ 
zinelle Anzeige: „Man wünscht mit bärtigen und fetten Damen, 
Tircassierinnen ooer sonstigen weiblichen Curiositäten in Korrespon⸗ 
denz zu treten, die, als Kompensation füc ein treues Hetz und 
einen aufrichtig ergebenen Gaͤtten, sich entschließen würden, die 
Sommermonate auf Reisen zuzubringen, und dem Einsender die 
Frlaubniß zu ertheilen, das Geld an der Kasse in Enpfang zu 
Jebmen. 
Handels⸗ und Verkehrs-Nachrichten. 
Laut Bekanntgabe der Ministerien des Innern und der Fi⸗ 
nanzen werden die vom 1. März an neben den Einsechstelthalern 
ußer Kurs gesetzten e⸗, *hae und s⸗-Tholerstücke landgräflich hes⸗ 
ischen und kurhessischen Gepräges, die s⸗, 10⸗ und Un2: Groschen⸗ 
Zwei⸗ und Einpfennig)⸗Stücke, die nach dem Martsystem ausge— 
zrägten Fünf-, Zwei⸗ und Enpfennigstücke mechlenbucgischen Ge⸗ 
zräges, obgleich sie in Bayern nicht als geseßliches Zahlunzsmittel 
zelten, bis 1. Juni bel den banetischen Finanzlassen in Zablung 
genommen. 
Der Bankverein Aschaffenburg, eine der traurigsten 
Schöpfungen der Gründungeperiode hat deine Liqu'dation deschlossen 
— 
Dienstespafrichten. 
Der k. 2. Staatsanwalt Schäfer in Landau wurde auf An⸗ 
juchen in gleicher Eigenschaft nach Kaiserslautern versetzt. Der k. 
1. Staatsanwalt K. Osthelder in Frankenthal wurde zum Appell⸗ 
»atb in ZBweibrücken ernannt. 
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Fur die Redaction verantwortlich: 5. Dw