Full text: St. Ingberter Anzeiger

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M 50. Doununerstag, den 28. März * 1378. 
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Deutsches Reich. 
Berlin, 26. März. Die Berufung des Orient Congresses 
stt votläufig aufg egeben. Die Mächte haben den Vorschlag Ruß— 
sands, den Congreß ohne Betheiligung Englands zu berufen, ab⸗ 
gelehnt. (A. 3.) 
Ueher die Stellung der einzelnen Bundesregierungen zu der 
Frage des Tabakmonopohls, wie dieselbe bei der Beant⸗ 
vorlung des mehrerwähnten Rundschrebeus des Reichskanzlers 
Jjervorgetreten ist, berichtet ein Berliner Correspondent der „A. 8.“, 
jaß sich außer Preußen kühr die Einführung erklärt haben: 
Sachsen, Württemberg, Hessen und die große Mehrzahl der kleinen 
Slaatenzgegen, das Monopol Bayecn, Baden, Mecklenburg, 
Oldenburg, die Hansestädte. Demnach wäre also die Mehrzahl 
der Suͤmmen im Bundesrath dem Monopol geneigt. Im Uebrigen, 
ügt der Gewähtsmann der „A. 3.“ bei, kann ein aufmeiksamer 
Bebbachter nicht verkennen, daß die erste Begeisterung für das 
lutrative Tabakmonopol in dem Maß abnimmt, als man anfängt, 
ich die der Einführung desselben entgegenstehenden Hindernisse klar 
ju machen, und zwar ganz abgesehen von den constitutionellen Be— 
denken. Daß mit der Einführung des Monopols die finanzielle 
dage des Resches und der Einzelstaaten mit einem Schlag in eine 
Pänzende umgewandelt werden würde, ist Illusion; räumen doch 
Aibst Anhänger des Monopols ein, daß erhebliche Erlraͤge in den 
ersten zehn Jahren nicht zu erwarten sind. Die sofortige Wirkung 
)er Maßtegel bestände allo nur in der Vernichtung einer großen 
und blühenden Industrie, in dem Ruin des zweiten deutschen See⸗ 
Jandelsplatzes und in der Uebernahme einer in Folge der zu leisten⸗ 
zen Entschädigungen von 200 — 300 Millionen Mark enisteheuden 
Schuldenlast auf das Reich. J 
Ausland. 
Paris, 26. März. Wie die „Eftafette“ vernimmt, wären 
zie für die Weitausstellung bewilligten Credite bereits um 22 Mil⸗ 
zonen überstiegen und mithin eine neue Geldforderung bei den 
Zammern nothwendig; doch ziebe man es vor, dieselbe erst nach 
der Ecöffnung der Ausstellung einzubringen. 5 
Lo'ndon, 26. Mäcz. Gegenüber den Auslafsungen der 
„Agence russe“ sagt die „Morning Post“ in einem inspirirlen 
Arükel: England vehme eine auf Gerichtigkeit basirte Stellung ein 
ind werde sich daraus nicht durch Drohungen vertreiben lafsen. 
Rußland sei bereits in dem Traume befaugen, es habe die Herr⸗ 
chast im Orient in seiner Gewalt; aber es ziele auf Etwas hin, 
was bereits im Besiße Englands sei und ohne Kampf nicht auf⸗ 
zegeben würde. IJ 
London, 27. März. Der „Morningpost“ zufolge wurde 
in weiterer sruchtloser Versuch gemacht, Rußland zur Anerkennung 
zec Responsabilität Europa gegenüber zu bewegen. Rußland ant⸗ 
vortete es halte an der ersten Anschauung fest. Wenn der Kon⸗ 
zreß scheitert, so dürften andere Mittel zur Erzielung der Verstän— 
digung gesuchte, aber wahrscheinlich nicht gefunden werden. Gebe 
Ruͤßland dann nicht nach, so werde das heranziehende Ungewitter 
oãabrechen. 
Ddie Differenzen zwischen Rußland, und En gland 
vegen des Congresses sind noch nicht ausgeglichen. Die russische 
Presse bedient sich gegen England einer Sprache, wie sie kaum 
jeftiger sein kann. Das „Jourral de St. Petersburg“ enthielt 
am Freilag einen drohenden Artikel, in welchem es u. A. heißt: 
Der Praliminarfriede ist abgeschlossen, der Congreß ist einberufen 
ind die vollständige Freihei der Erwägung des Vertrages allen 
Mächten vorbehalten. Die große Mehrheit der Mächte hege die 
rnste Hoffnung, zu einem von allen Nationen gewünschten dauer⸗ 
Jaften Frieden zu gelangen. Indessen werden von England neue 
Schwierigleiten erhoͤben. Während Rußland, indem es den Präli⸗ 
ninarverirag mittheilt und die freie Verhandlung aller Europa 
nteressirenden Punkte annimmt, geneigt ist, die Einschiffung seiner 
Truppen zu beginnen, fährt die englische Flotte fort, obschon Eng⸗ 
and seine Neutralität erllärt hat, im Marmarameer zu kreuzen 
und,, mit Berletzung der Verkräge und des Willens des Sultans⸗ 
die Anzahl seiner Panzerschiffe zu vermehren, trotzdem der Friede 
zeschlossen und kein englischer Unterthan bedroht ist. Ueberdies 
srhebt das englische Cabinet Schwierigkeiten bezüglich des Zusammen⸗ 
ruͤts des Congiefses und verhindert durch den Protest des eng— 
ischen Botschasters in Konstantinopel die Ausführung der ersten 
Zlausel des Friedensvertrages, indem es sich der Einschiffung der 
Truppen in Bujukdere widersetzt. Das „Journal de St. Peters- 
zurg“ fragt, ob es nicht an der Zeit wäre, an das Londoner 
Fabinet die Frage zu richten, was es denn definitiv wolle. Weder 
kghpten noch der Suezkanal sind bedroht. Es wolle nur Rußland 
ine Schlappe beibringen und einen Alt der Präpotenz vollführen. 
Allen Cabineten drängte sich die Frage auf, ob die Eigenliebe einer 
inzigen Macht allein dem Frieden hinderlich sein lönne, wenn die 
zanze Welt denselben will. Je nach der Auwort auf diese Frage 
verde England aufgefotrdert werden, die Meerengen zu verlassen 
oder der Friede der Welt werde von der Willkür der englischen 
Politik abhängen. Diese Sprache läßt in der That an Deutlichkeit 
nichts zu wünschen übrig und man begreift nicht leicht, wie eine 
Verständigung möglich ist, wenn Lord Derby und Fürft Gortschakow 
auch in ihren offiziellen Depeschen sich ähnlicher Ausdrücke bedient 
haben solten. 
Bukarest, 26. März. Rußland soll gereigt sein, daß 
die bessarabische Frage vor den Congreß gebracht werde. Es soll 
hereits erklärt haben, die Dobrudscha für sih behalten zu wollen, 
venn decr Congreß gegen die Rückache Bosfarabiens sich ertlare. 
Die beceite vor sich gehende Bildung eines Verwaltungspersondss 
Jeie nicht Bessarabien, sondern der Dobrudscha. Rußland scheint 
Jen Widerstand gegen die Auslieferung der in Rumänien internirten 
ürkischen Gefangenen aufgegeben zu haben. Eine Depesche der 
Pforte an den rumänischen Minister des Aeußeren ertlärt, die 
Türkeisei bereit zur Uebernahme der Gefangenen, und dankt für 
deren gute Behan dlung. 
Konstantinopel, 26. Marz. Die bisher bei Bujukdere 
kampirenden türkischen Truppen haben sich gegen die Höhen von 
Maslak zwischen Bujukdere und Pera zurückgezogen. Die Russen 
verden jedoch Bujuidere nicht besetzen. (Das Näherrücken der 
stussen an Konstantinopel ist eine Demonstration gegen die Ver⸗ 
tärtung der englischen Floite im Marmora-Meer.) Der Sultan 
zat Osman Pascha zum Obercommandanten der Kaisergarde und 
Tefik zum Chef des Generalstabes ernunnt. 
Konsiantinopel, 26. Maärz. Heute ist hier der 
Broßfürst Nikolaus eingetroffenz er begab sich mit einigen Generalen 
n Gala:Kait (Booi) nach Dolmabagdsche. Der Sultan empfing 
)en Geoßfütsten in Anwesenheit Achmet, Vefils, Reufs, Safpvets, 
Isamans und Onous. Der, Besuch dauerte eine Stunde. Un⸗ 
nit!elbar darauf empfing der Großsücst in Beglerbeg den Besuch 
es Sullans der von seinen Ministern und Würdenträgern begleiter 
var. Der Sultan verweilte eine Viertelstunde bei ihm; sodanu 
ehrte der Gtoßfürst nach San Stefano zurück. — Die Russen be⸗ 
estigten die Stellungen bei Tschotlun, während die englische Flotte 
ortwährend Munition und Proviant erhält. — Die Russen ord⸗ 
jeten die Eutwaffnung der gesammten bulgarischen Bevöllerung an. 
— 
Vermischtes. 
FKaiserslautern, 26. März. Der am Sonntag 
ierselbst versammelt gewesene Ausschuß der „pfälzischen Genossen⸗ 
chaft“ beschloß, den 10. pfälzischen Verbandstag Sonntag den 7—. 
April zu Kaiserslautern abzuhalten. 
PKaiserslautern, 26. März. (Kais. Ztg.) Die vom 
,pfälzischen Gewerbevereinsverbande“ beschlossene Petition an den 
Reichstag bezüglich der Abünderungsvorschläge zur Gewerbeordnung, 
nit deren Ausarbreitung der hiesige Gewerbeverein als Verbands- 
Porott beauftragt worden war, ist gestern nach Berlin abgesandt 
votden, und zwar ist der bekannte Abgeordaete, Dr. Löwe (Calbe), 
welcher Mitglied der Gewerbeordnungs Commission ist, ein fpezieller