Full text: St. Ingberter Anzeiger

Vegenzeugen über ein sehr umfängreiches Beweicthema und nach 
Abgabe eines Gutachtens durch Sachverständige erließ das k. Be⸗ 
zicksgericht dahier unterm 8. Mai 1876 in Urtheil welches die 
hellagte Eisenbadngesellschaft verurtheilts, an den Kläger zu bezahlen: 
1) alis Ersatß des seiner Wiese zugtfügten dauernden Schadens 
1300 fl. oder 2228 M. 58 Pf.a gegen welche Summe Kläger 
die stritige Wiese der Eisenbahn in Besitz und Eigenthum abzu⸗ 
reten hade, mit Zinsen vom 1. Oltober an; 
g) als Enlschadigung für' die unbrauchbare Crescenz der 
Jahre 1867, 1888, 1868 und 1870 die Summe von 211 fl 24 
. (362 M41 M) imit Zinsen vom Tage der Klage an; 
3) die Prozeßkosten. 
Gegen dieses Urtheil —ergriff die Eisenbahngesellschaft das 
Nechtsmittel zur Berufung und beantragte im zweiten Rechtszuge 
Dervollständigung des Expertengutachtens vom Jahre 1875 und 
Ernennung neuer Sachverständigen. Durch Urtheil vom Heutigen 
nahm das Berusungsgericht nach eingehender Prüfüng des Prozeß⸗ 
malerials durch den Ggerichtlichen Augenschein, die Zeugenverneh 
mungen und die Gutachten der Sachverständigen als pollständig 
zxwiesen an, daß die Wiese des Klägers bis unmittelhar vor Er⸗ 
hauung der fraglichen Eisenhahnstredde nicht verfumpft war und 
mute, draubare Trescenz geboten hat, daß de aber lediglich in 
Folge der durch die beklagte Gesellschaft hergestellten Eisenbahn⸗ 
bauten versumpfte und eine brauchbare Crescenz nicht mehr ergibt. 
Die Eis⸗nbahngesellschaft wurde deßhalb mit ihrer Berufung abge⸗ 
wiesen unter Verurtheilung derselbden in die Koften des zweiten 
Rechtszuges. Dieser langwierige Prozeß wird die unterlegene Ge⸗ 
fellschaft bezüglich der Kosten wohl auf nahezu 3000 M. zu stehen 
ommen, ein Belrag, welcher den Werth der sirittigen Wiese allein 
schon nicht unerheblich übersteigt. 
7Landan, 28. März. Seit. Moniag Abend werden 
—A 13 Jahre alten 
naben auãa Böchingen vermißt. Aus den“ von den betreffenden 
Familien angestellten Recherchen hat fich Folgendes ergeben: Am 
Hontag nach Beendigung des Unterrichts hatten sich die Beiden 
nach dem Haupibahnhof begeben, woselbst sie zunächst Billete nach 
Winden nahmen. Von dort aus benatzten sie den Schnellzug nach 
Basel. Auf Befragen hatten sie in Winden als Reisezweck den 
Zesuch von Verwandten in Basel angegeben, ihten Schulkameraden 
gegenüber erklärten sie, mach Australien auswandern zu wollen 
und als nachstes Reiseziel hatten fie Genua genannt.“ Auf welche 
Weise sich die briden Schlingel das Reisegeld verschafften, ist bis 
setzt noch nicht aufgeklart, ebensowenig hatte man bis gestern Abend 
aine Spur über ihr Verbleiben. Da fie jedoch unmöglich mit be⸗ 
deutenden Mitleln versehen sein können, so durste das Reiseprojelt 
hdald eine unliebsame Unterbtechung ecfahren und die kühnen Tou⸗ 
risten per Schub in die Arme threr belümmerten Eltern abgeliefert 
werden; die denn wohl auch das Mittel finden werden, denselben 
das Reisefieber auszutxeiben. (Eilbore.) 
F Frankenthal, 26. März. Die belanntlich zu sechs 
Jahren Zuchthaus verurtheilte Neustadter Spitzeder, Lina Steiedh 
ducde im November d. J. in Gant erklaärt. In dem Verfahren 
wurde vieser Tage durch den Gantcommissär der Vertheilungsplan 
aufgestellt; die zu vertheilende Masse deträgt nach Abzug der 
Berichistosten 8554 M., die angemeldeten Forderungen dagegen 
32,617 M. Es erhalten sonach die einzelnen Gläubiger eine 
Dibidende von 0,67 Procent; die am meisten betheilige Wittwe 
Frũnewald erhäli fur hre Forderung von 48,000 M. eine Divi⸗ 
dende von 2889 M. 4 Pf. 
7 In dem Dorfe Wald bei Gunzenhausen warf verflossenen 
Freitag ein dortiger Schmied einen verrosteten Flintenlauf, welcher 
sch schon seit einer Reihe von Jahren unter seinem alten Eisen 
hesanb, ins Feuer, um ihn zu anderen Zwecken zu verarbeiten. Es 
dauerte nicht lange, so krachte ein Schuß und slürzte der 15j6hrige 
Sohn des Schmiedes, welcher daneben stand, tödttich in den Unter⸗ 
leib getroffen zu Boden. In dem Lause befand sich, ohne daß 
Jemand eine Ähnung davon baite, eine alts Ladung und war die⸗ 
salbe durch die Hitze losgegangen. Der Getroffene ist am zweiten 
Tage darauf an der erhaitenen Wunde gestorben. Wieder einmal 
eine Mahnung, keine Schußwoffe in die Hand zu nehmen, ahn 
dieselbe genau untersucht zu haben und sollte die Wahrscheinlichkeit 
riner Ladung auch noch so gering sein. 
7 Mannheim, 27. März. Vor dem hiefigen Schwur⸗ 
gericht fand heute die Contumacial Verhandlung statt gegen Boron 
enst v. Linden und Buchhändler Schabelitz in Zürich, wegen Hoch— 
verraths, Kaiserbeleidigung und Bismarckbeleidigung, degangen dutch 
die zin den hiesigen Buchhandlungen copfiscirte Broschüre: „Det 
ruropäische Krieg, ein Mahnruf an die westeuropätschen Staaten“. 
Die Geschwornen bejahten nach 1 Madiger Berathung die Frage 
des Hochverraths für beide, die Frage der Kaiserbeleidigung wurde 
füͤr beide verneint, die der Bismarckbeleidigung fUr beide bejaht. 
Mildernde Umssände bezüglich des Hochverraths wurden bewilligt, 
die ehrlose Gesinnung verneint. Der Antrag des Stautaanwalts 
zutete für Linden auf- vier Jahre Festungshaft und dtei Jahre 
Befangnih, für Scqhabeliß auf vier Jahre Festang und zwei Jahre 
defängn'hh, wie quf Unbrauchbarmachung der — Ditr 
herichtshof verhangte nach einstündiger Berathung gegen Linden 
wei Jahre secht Monate Festung und sechs Monate Gefängniß, 
gegen Schabelitz ein Jahr drei Moͤnate Festung und drei. Monaie 
Zefaͤngniß, erkannte außßerdem auf Unbrauchbarmachung der Druck 
hrift und Verdffentlichungsbefugniß für Bismarck. Die Verhand 
ung dauerte bis 5 Uhr Abends. Um 64 Uhr beginnt die Ver— 
handlung gegen Joachim Gehlsen und den Verleger Magron in 
Bern wegen Bismarckbeleidigung: 
Für den 7. April ist für Kasseleine Versammlung 
deulscher Tabakinteressirten in Aussicht genommen. Einladungen 
ind an. alle Handelskammern und kaufmannischen Corporatiouen 
erzangen. Man beabsichtigt, eine gemeinsame große Demonstration 
owohl gegen das Monopol wie gegen die Fabritksteuer hervorzu⸗ 
ufen. Man will so viel stat stisches Material zusammentragen, 
mm eine selbststaͤndige Denkschrift daraus herzustellen, die man, als 
lusdruck der Ansichten des gesammten deutschen Juteresses an der 
nhedehhie dem; Reichstage und dem Reiskagzler zuzustellen 
jedennkt. 
u sae parht! Die Kolnitche Zennung und andare 
ztoße Blätter enthaiten eine amtl'che Aufforderung Seitens det 
eichsbank. Direltoriums an alle Besitzer von Banknoten der preu⸗ 
zischen Bank zu Einhundert Mark, diese Noten baldigst bei der 
Keichsbank: Hauptlasse oder bei einer der Zweiganstalten der Reichs— 
ank in Zahlung zu geben oder gegen Baargeld oder Reichsbank⸗ 
noten umzutauschen, da die Eiulbsung der aufgerufenen Noten nach 
dem 1. April d. J. nur noch in Berlin bei der Reichsbank⸗Haupi- 
tasse exfolgen wird. 
Wiern,, Bor dem hiesigen Schwurgericht begann am 
Montag voriger Woche die Verhandluug gegen die Wittwe Therese 
Simmer und deren Eltern, die Eheleute Schulze. Der der Anklage 
zu Grunde liegende Sachberhalt ist folgender: Therese Simmer, 
rine Gistmischerin, deren Tränke zwar, so virl bekannk ist, noch 
eine Vernichtung eines Leben, wohl aber wiederholt schwere 
Zchädigung der Gesundheit herbeigeführt haben, wird von der 
Staatsbehörde des Raubes, der schweren körperlichen Verletzung 
uind des Betruges angeklagt. Die Anklage des Raubes wifft fie, 
veil sie am 1. Juli v. J. die Dienstmagd Margarethe Knoll in 
er Wohnung ihrer Dienstgeber, der Familie Detoma auf der 
Wieden, durch ein Glas nut nargotischem, Pflanzenzift vermischten 
dimbeersaftes in totale Bewußtlosigkeit versetzie und sodann aus 
ʒer Detoma'schen Kasse baares Geid, ein Sparkassabuch, Pret'osen 
und Order szeichen eniwendete. Erst am nachfolgenden Tage erlangke 
zas Diensimädchen wieder den Gebrauch ihrer Sinne und vermochte 
uf die Spur der Thäterin zu führen, welche dem Mädchen wohl 
zicht mit Namen, aber doch dadurch bekaunt war, daß sie bei 
hren Herrenleuten oft zu Besuch gelommen war. — Das zweite 
Faktum, zum Nachtheil des Grafen Pompejus Coconinie Kronberg 
»egungen, bildett xine Zusammensetzung von Betrug und schwerer 
dr perlicher Verlezung. Therese Simmer hatte dem Grafen Coro⸗ 
nni zugesagt, ihm eine reiche Braut zu verschaffen und gewisser⸗ 
naßen als staution seine Unterjchrift auf einer Anzahl Wechfel⸗ 
Blankets verlangt, von denen eines als Wegselvaluta 100,000 
Franck aufwießs. Sie hielt ihre Zusage nicht. Am 23. Januar 
1877 setzte sie dem Grafen, als er sie in ihrem Hause in Döhling 
zejuchte, ein Glas Liqueur vor, nach dessen Genuß der Graf schwer 
nkraulte, um jeine Gedächtnißlraft zu schwächen und ihn zu hin⸗ 
dern, gegen die Giltigkeit der Wechsel Cinmendungen zu erheben. 
— Gegen die Ellera der Therese Simmer, die Ehelenle Schulze, 
st die Anklage erhoben, weil sie von dem geraubten Gelde, obͤwohl 
ie dessen Quelle lannten, Geschenke annahmen. Auch der Gatte 
der Frau Summer stand in Untersuchung, der ihn jedoch sein in⸗ 
wischen eingetreiener Tod entzog. Die Schlußverhandlung in dem 
Brozesse konnte trotz der bereils vor mehreren Monaten abgeschlos⸗ 
enen Untersuchung erst für diesen Monat anberaumt werden, weil 
die Niederluaft der Therese Simmer und ihre vollständige Erholung 
bgewartet werden mußte. — Die Verhandlung vor den Geschwo—⸗ 
ænen, welche sechs volle Tage in Anspruch nahm, endele am Sonn⸗ 
ibend Adend nach 10 Uhr mit der Schuldigsprechung det Haupt⸗ 
ingeklagten in allen ihr zur Last gelegten Fallen und der dein⸗ 
gjemähen Verurtheilung zu 15 Jahren schweren Kerkers mit all⸗ 
nonatlich einem Fastiage in Einzelhaft. Zugleich wird dem Grafen 
Foronini dir Ersatz der ihm im Cibilp.oceß entstandenen Kosten 
ugesprochen, die füns Wegsel für null und nichtig erllärt, ferner 
verden der Margarethe Knoll 300 fi., dem Detoma der angesprochene 
Ersotz zuerkannt. — Ueber die mitangeklagten Eltern der Simmer 
vurde dagegen das Nichtschusdig? ausgelprochen. 
ur die Redaction verant vorilick J — — * 
Sas der Menso sact. wi e et·——— 
Auf keinen Beruf findet diese Verheißung so ditekte Anwen⸗ 
zung wie auf die Landwirthschaft, — macht sich die Löahrheit diefet 
Worte in den Folgen so unmittelbar geltend. — Was mützt Kumt⸗ 
ünget, was niltzt Kraftfutter, wenn dieje unentbehrlichen Hilfsmettel 
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