Full text: St. Ingberter Anzeiger

Oer St. Jugberter Anzeiger und das (2 mil wöoheatlich) mit dem Huuvlblatte verbundene Unterhaltungsblatt. (Sonntags mit illustrirter Bei⸗ 
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As 711. a I —R Dienstag, den 7. Mai I P 1878. 
A, 
—— — 
28Deutksches Reich. 
Berlin, 8. Mai. Die drei Tage ganzer oder the'lweiser 
Beschlußunfäbigkeit haben dem Reichsstage seinen Arbeitsplan- voll⸗ 
sändig in Unordnung gebracht. Von der Dinstags-Ankündicung 
es Präsidenten v. Forckenbick, es solle in der zweiten Hälste dieser 
Voche der Gesetzentwurf über die Tabaks⸗-Enqque'e zur ersten Lesung 
elangen, ist keine Rede wieder gewesen. Heute wurde in sechs⸗ 
ündiger Sitzung die zweite Berathung der Gewerbegefetz-Novelle 
ag'nnen, die doch wohl sicher mindestens drei Sitzungstage in 
Unspruch nimmt. Inzwischen kommt vielleicht hinter den Coulissen 
ine Verreinbarung zu Stande, wonach fast alle Vorlagen in den 
Irunnen geworfen nud die entscheidenden Kämpfe zwischen dem 
deichslanzler und der bisherigen Reichslagsmehrheit vertagt werden, 
is auf Weiteres also ein Justand der inneren Bersumpfung Be— 
qujs fortgesetz er gegeuseitiger dilatoriicher Vehaudlung Platz greift. 
—Die Beschlüsse der heutigen Sitzung haben das Gewerbegerichts⸗ 
jesez in Einzelheiten noch über die Kommisfionsbeschlüsse hinaus 
erbessert. Als eine glückliche Verbesserung ift beim F 7 die An- 
nahme eines Antxages des Abg. Lasker zu erachten, wonach die 
mpfangene Armenumierstüßurg die Lählbarkeit in das Gewerbege⸗ 
icht nicht ausschließen soll, wenn die innerhalb der leßten drei 
Jahren aus öffentlichen Mitteln empfangene Unterstützung zurüder⸗ 
nattet ist; ebenso die Genehmigung des soztaldemokratischen An⸗ 
rages, wonach die jämmtlichen Beisitzer, denen die Regierungs Vorlage 
ur Reisekosten gwähren wollte, eine für Arbeiter und Arbeitgeber gleiche 
Zergütigung der Reisekosten und Zeitversäumnißß erhalten sollen. 
Beim 8 8 unterlagen zwar die Anträge, welche die Beisitzer der 
Sewerbegerichte durch die Gemeindeverttetung (statt durch den Ma⸗ 
zistrat) berusen wissen wollten, indem dafür außer Forischrittspar⸗ 
ei und Centrum nur wenige Rationalliberale stimmten; allein es 
suwenigstens durch Ablehnung des Amendements des Abg. Bür⸗ 
zermeister Grumbrecht, der einem unfehlbaren Mag strat die Wahl 
uicht entzogen wissen wollte, die Möglichkeit offen gelassen, die Wahl 
der Beifitzer den betheiligten Arbeitgebern zu gleichen Theilen zu 
übertragen. Ein Streit über die Angerressenheit der Zulafsung 
ines Rechtsmittels gegen Urtheile der Gewerbegerichte Ffuͤhrte zu 
einer Aenderung der Kommissionsvorschläge. Ein Antrag der 
Fortschrittspartei (Bürgers u. Genossen), den 8 19 zu streschen, 
»urde abgelehnt; es wird also in Orten, wo Gewerbegerichte nicht 
eflehen, der Gemeindevorsteher die ziemlich bedenkliche Pflicht 
jaben, Streitigleiten zu entscheiden, die sis auf Antritt, Fortseßung 
ↄder Auflösung des Arbeits oder Lehrverhältnisses, auf Ausgan⸗ 
digung oder Inhalt des Arbeitsbuches oder Zeugn sses beziehen. 
Befremdlich wat es, daß nach den Debatten üder die Schlußbestim⸗ 
nungen noch große Meinungsverschiedenheit über den Wirkungskreis 
des Geseßes besteht, namentlich darüber, ob es auf Berge und 
Hdüttenardeiter Anwendung findet, wie Lasker enigegen der Meinung 
der Slaatsregierung und der Abg. Hammacher Aund Stumm be 
jauptete. 
In militärischen Kreisen hat eine Aeußerung großes Aufseten 
herborgerufen, welche der Kaiser gelegentlich einer der letzten Teup⸗ 
enbesichtigungen gethan haben soll, indem er bezüglich der schwe⸗ 
peuden Streitirage zwischen Eagland und Rußland bemerlte, er 
werde seinen Neffen, den Kaiser Alexander nicht im Stich lassen. 
Indessen ist die Auslegung, Daß dam't auf ein actves Einlenken 
Deutschlands zu Gunsten Rußlands hingewiefen werden sollte, 
icherlich übertrieben und lag dieselbe auch wohl nicht in der Ja⸗ 
sention des Sprechenden. Für die vorherrschende Stimmung iis 
dieselbe allerdings charalteristisch. 
4ussand. 
Wien, 5. Mai., In der Orientfrage liegen nach der 
Momagsrevue momentan keine neuen Nachtichten vor. Die Voraus⸗ 
sezung, daß England die Cirkularnote Gortschakoffs deamworien 
AXI Unterhandlungen über 
die Demarlationslinie, diesen würde zunächst ein Ideenaustausch der 
Zabinette über die Haubtfroce folgen, und erst wenn hierlibet ein⸗ 
Berständigung erzielt ist, soll der Kongretß zusammentreten. In⸗ 
wischen dauern beidersests die Rüstungen mit ungebrochen⸗r Energie 
art. Ein Londouer Telegramm desselben Blaites meldet, die 
vortigen Blätter avisirten, England werde vetlavugen, daß die 
ussischen Truppen einige Tage früher zurückgehen als die englische 
Flotte. 
London, 5. Mai. Rußland hat versoͤhnliche Vorjchlage 
zemacht, welche gestern dem Kabinetstathe vogelegt wurden, aber 
och nicht ojfiziell formulirt sind. Man meint hiet, daß wenig 
Aussit auf die Erhaltung des Friedens bleibt, wenn in denselben 
as Verlangen Enalands vicht bereits zuaestanden ist. 
— ———— — a 
Sermischtes. 
7St. Ingberfte 6. Mai. Bei einem qgestern durch 
hiesige Jagdliebhaber zu Neuhäufel veranstalfeten Fuchsgraben 
purden aus einem Baue die anssändige Zahl von zehn juagen 
rüchsen zu Tage gesördert, wobei noch 5 lebend. 
— Den Dienstboten Michael Bauer, Johann Hem⸗ 
nerling und Barbara Omlor — alle zu Rattertrhof Gemeinde 
dassel, wurden aus dem Paalzischen Diensibotenstift pro 1877 für 
angjährmge treue D'enste Ehrenbriefe und dem Hewmerling noch 
ine ectöhte Geldbeiohnung im Betrage von 80 Mark zu Theil 
ind unterm 4. ds. Mis.durch das Bürgermeisteramt St. Ingbert 
ffentlich und feierlich übergeben ⸗· WWVM 
—Kirkel, 8. Maĩ. Heute Nachmittag um 3 Uhr bei 
einem Gewitter wurde der 68 Jabre alte Ackeret Friedrich Schwarj, 
vescher zwischen dem Eschweiler Hof und Neuhͤusel in dem Felde 
nit Kartoffelseten heschaͤft'gt war von dem Btiß gettoffen und 
olieb auf der Stelle sodt, ebenso die eine seiner dbeiden Küde, 
vährend 46 der mit Schwarz an der Arbeit beschäftigten Frauens⸗ 
zerson und zweien Kindern Nichts gethan hut. Deer Pflug, mit 
velchem der Gehroffene gearbeitet datie, wurde vom Blitz zer⸗ 
rüm nert 
Für 1878 erhallen u. a. solgende tath. Qultusgemeinden 
Staatsbeiträge: Kusel für Kirchenbau, Nuünschweiler für Pfarrhaus⸗ 
zau und Rohrbach bei St. Ingbert für Kirchenbau jede 170 M. 
fKaiferslautern, 4. Mai. Die beiden kürzlich hier 
verhafteten Haadwerlsburichen wurden wieder freigegeben, nachdem 
die Section des vodt aufgefundenen Handwerksburschen Drexler er⸗ 
geben hat, daß derselbe nicht in Folge erlutener Korperverlehungen, 
oudern an einem Lungenschlage heslorben ist. 
FMesßtz, 2. Moi. (Oochwasser der Mosel.) Bei Ars 
jafte der Strom den Eisenbahndamm auf einer Strecke von 120 
Meter viermal durchbrochen; emer dieser Durchbrüche war 40 
Meier, die andern drei je 10 Meier breit. Zur Ausfüllung die⸗ 
er tlaffenden Lücken l'eferten die beiden Eiseawerle don Ars 15 
Waggon Schlacken (à 5000 Kilogramm), die Eisendahn⸗ Verwal⸗ 
ung ließ 22 Waggon Sieine, 50 Waggon Kies und 3 Waggon 
Faschinen anfahren; erst mit Verwendung dieses ungeheucen Ma⸗ 
lerials gelang es, die Durchbrüche zu verstopfen. 120 Ardbeiter 
waren darau beschaäftint. 
FBerlin, 3. Mai.“ Bei dem Brand in der Berliner 
Brodfabrik kamen leider drei Feuerwehrmänner um. Ala der Gie⸗ 
»el wanlte, wurden die don der hinteren Seile anzreiferden 
zprißen schleunigst zurüclgezogen zʒ ein Feuermann wurde jedoch 
pon dem einstützenden Giebel begraben und lofort getödtet; einem 
anderen rissen de herniederprasselnden Trümmer einen Fuß ab, 
der heute Vormittag noch im Schutt verborgen war, vnd drachen 
hin den Oberschenkel des anderen Fukes, so daß auch er nach 
einer Stunde qualvollen Schmerzes auf der Brandftätte den Ge'st 
uitfgab, und endlich fiel ein im obderssen Slocvert beschäftigler 
Oberfeuermann mit den drennenden Diden durch wurde aber von 
einen Leuten geretlet und schwer verletzt nach Bethanien gedbracht. 
Tin Spritzenmann, der mit seiner Fackel von unt ˖ n her deñ Feuer⸗ 
wehtleuten bei der Abtragung einer Maner leuchtete, wurde ver⸗ 
chüttet und war, da eine riesige Mauermasse auf ihm lastet, no⸗ 
dis beute Vormittag nicht um Vorschein kran