Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
Der St. Jugberter Auzeiger und das (2 mal wöoͤchentlich) mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatit. Sonntags mit illustrirter Bei— 
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I 82. Sountag, den 26. Mai 1878. 
X 
Deutsches Reich. 
Einer Deputation aus Schweinfurt, welche in Sachen 
der Sitze der iunftigen Landgerichte jüngst in München war, wurde 
im Jusitizministerium bedeutet, daß die endgiltige Bestimmung der 
—AI oder Februar kommenden Jahres 
werde verdffentlicht werden; für die Fesisetzung der Zahl der lünf⸗ 
tigen Landgerichte seien verschieden e Bestimmungen der Einführungs⸗ 
geseßze von Einfluß, so z. B. ob die Führung der Handelsregister 
den Amtsgerichten oder den Collegialgerichten übertragen werde, 
ferner, ob die Zwangsversteigerungen den Notaren verbleiben, endlich 
ob für eine Vermehrung der Amtsrichter die erforderlichen Mittel 
don den Kammern bewilligt werden. 
Berlin, 28. Mai. Die „Nordd. Allgem. Zeitung“ er⸗ 
fährt von „competenter“ Seite, Se. Maj. der Kaiser habe schon 
n voriger Woche erklärt, auf das Entlassungsgesuch des Ministers 
Fall nicht eingehen zu koönnen. An diese Adlehnung hätten sich 
iber weitere Crörterungen geknüpft, so daß die entscheidende Wen⸗ 
dung noch ausstehe. — Dasselbe Blatt erklärt ferner, von der nach 
Zeitungsmeldungen angeblich in Aussicht genommenen Beschränkung 
dez Wahlrechts und Verlängerung der Legislaturperiode (zur Be⸗ 
kämpfung der Socialdemokratie) sei in den jüngsten Berathungen 
des Staatsministerlums nicht die Rede gewesen. 
Berlin, 23. Mai. In der heutigen Sitzung des Reichs⸗ 
tages wurde zuerst die Rechtsanwaltsordnung durch ubstimmung 
süber? den ganzen Gesetzentwurf genehmigt. — Es folgte dann die 
erste Beraihung der Vorlage betreffend die Ausschreitungen der 
Socialdemokratie. 
Berlin, 23. Mai. Die Reichstagssession wird, wie wir 
hören, morgen, Freitag, Abends 7 Uhr, durch den Präsidenten des 
Keichskanzleramts, Hofmann geschlossen werden. (Berl. Tagebl.) 
Es dürfte von Interesse sein zu erfahren, daß die dem Atten⸗ 
alsgesez im Bundesrath angehängten Motive von dem baierischen 
Bundesrathsbevollmächtigter verfaßt sind. 
Zu der Nachricht, daß die deutschen Botschafter bei den Regie⸗ 
rungen, dei welchen sie beglaubigt sind, sondirt hätlen, ob Geneigt⸗ 
heit zu einem energischen und solidarischen Vorgeben gegen die 
Socialdemokratie vorhanden sei, bemerlen die „Neuesten Nachrichten“, 
das Organ der liberalen Abgeordneten: „Uns erfüllt diese Nachricht 
mit Scham. Wie! das große, einige Deutschland, Sieger in 
hundert Schlachten gegen das mächtige, intelligente und geachtete 
Frantreich, Deutschland, von dessen Entscheidung, wie man in Wien, 
in London und in Petersburg ganz offen zugesteht, der Wellfrieden 
abhängt, soll nicht allein fertig werden mit seinen Socialdemokraten! 
Die Millionen, die in den jüngsten Tagen mit jubelndem Zuruf 
aiser und Reich auf's Neue Treue gelobt, sollten nicht ausreichen. 
zu deren Vertheidigung; fremde Hilfe soll angerufen werden? 
Welche Selbsterniedrigung!“ 
Bezüglich des Vereinswesens werden aus dem Erfurter 
Parlamente von 1850 folgende Worte des damaligen Abgeordneten 
o. Bismarde citirt: „Gerade in dem Vereinswesen sehe ich die 
gefährlichste Waffe der Geister, die verneinen, gegen jede obrig 
keitliche Autorität. Warum soll die Obrigleit sie nicht zerbrechen, 
obald sie die Macht dazu fühlt? Ich glaube, daß Dies ein Recht 
ist, das Vereinsrecht, dessen Mißbrauch entschieden den Gebrauch 
übertrifft; es wird oft gesag?, man solle nicht das Kind mit dem 
Bade ausschütten; was nicht mißbraucht werden könne, sei auch 
nicht zu gebrauchen, und dergleichen mehr; dieses Recht aber wird 
so viel mißbraucht, daß es ganz unbrauchbar ist. ... Ich möchte 
Sie also bitten, meine Herren, Alles zu thun, was nach den vor⸗ 
liegenden Anträgen, von denen ich bedauere, daß sie nicht noch 
weiter gehen, in Ihrer Macht sieht, damit dieser Blasebalg der 
Demokratie nicht in den Händen verbleibt. um die Kohlen unter 
der Asche anzublasen.“ 
Ausland. 
Paris, 22. Mai. Die Girardinsche France, welche eine 
gewisse Fühlung mit russischen Kreisen hat, meldet, daß Kaiser 
Alexander II. von Rußland geneigt sei, falls der Krieg mit Eng⸗ 
land vermieden werde, von der Regierung zu Gunsten des Großfürsten⸗ 
Thronfolgers zurückzutreten. Dieser wird als Alexander III. dem 
russischen Volle eine Verfassung ollroyiren. 
London, 24. Mai. Der „Standard“ erfäbrt, daß die 
Mittheilungen Schuwalow's den heutigen Ministertath beschäftigen 
werden. Wie das Blatt weiter wissen will, wären die neuerlichsten 
zünstigen Erwartungen anscheinend gerechtfertigt, obgleich noch nichts 
sest geregelt se. Der Kongreß werde aber zusammentreten, falls 
nicht stoͤrende Zwischenfälle eintreten und die Elemente für eine 
Verständigung zwischen England und Rußland feien gewonnen. 
Der Zar kam Engiand mit erheblichen Zugeständnissen entgegen 
und pbschon noch diele Schwierigkeiten zu überwinden seien, dürfe 
ine friedliche Löͤsung doch erwartet werden, wenn die gegenwärtige 
Stimmung des russischen Kabinets andauere. 
Vermischtes. 
Von den aus dem Remontedepot Fürstenfeldbruck an den 
Zuchtbezirt Zweibrücken abgegebenen 16 Zu chtstuten, welche 
im Mittwoch in Zweibrüden eintrafen, ist eine Derselben in den 
Besitz von Herrn Urban Jalob in Rohrbach gekommen. 
Henugstbach, 23. Mai. Vorgestern hatte ein sechs⸗ 
ähriges Mädchen von hier das Uxglück, vom Feuer so verbranni 
zu werden, daß es heute Nacht starb. Dasselbe war in der Küche 
nit Feuerschüren beschäftigt; die Kleider wurden vom Feuer erfaßt 
und verbrannten fast vollständig am Leibe. Wieder eine Mahnung, 
daß man Kinder nicht unbeaussichtigt lassen soll! 
FPirmasens, 20. Mai. (P. A.) Vor dem k. Zucht⸗ 
oolizeigerichte in Zweibrücken wurde der Schuster Heinrich Breith 
zon hier verschiedener Einbruchsdiebstähle ꝛc. überführt und zu 3 
Jahren Gefängniß verurtheilt. Genannter B. hatte sich im vorigen 
Jahre nach seiner Verhaftung irrsinnig gestellt und war deßhalb 
ur Beobachtung in d'e Kreisirrenanstalt Klingenmünster gebracht 
vorden, von wo es ihm zu entweichen gelang; er wurde jedoch 
päter wieder aufgegriffen. 
4 Die allgemeinen Bestimmungen, nach welchen Vollksschulen, 
Studien⸗ und sonstigen Lehranstalten (Instituten) bei Ausflügen 
uuf den Pfälzischen Bahnen Fahrtoxermähßigungen gewährt werden, 
—VXXXXXXV 
Lückfahrt werden je ein Lehrer oder Schüler auf ein einfaches 
Fahrbillet hin⸗ und zurückbefoͤrdert, welchem auf der Rückseite durch 
die Abgangsstation der Stationsstempel beizudrucken ist. 2) Bei 
inmaliger Benützung einer Bahnslrecke zur Hin⸗ oder Rückfahrt 
erfolgt die Beförderung von je zwei Lehrern oder Schülern auf 
ein einfaches Fahrbillet, wobei die Abstempelung unterbleibt. 3) 
Zinder unter 10 Jahren werden je zwei auf ein einfaches Billet 
uind zwar sowohl zur Hin⸗ und Rückfahrt (1) wie bei einfacher 
Fahrt (2) zugelassen. Diese Ermäßigungen werden nur bei einer 
Betheiligung von mindestens 20 Personen und unter Ausschluß 
der Sonn⸗ und Feiertage ertheilt. Die Giltigkeit der Billete 
beträgt für Strecken bis einschließlich 30 Km 1 Tag, für größere 
Strecken 2 Tage. Bei Benützung von Schnellzügen sind Schnell⸗ 
ugsbillete zu loͤsen. Angehörige der Schüler, welche sich eiwa den 
Ausflügen anschließen, haben die gewöhnlichen Fahrtaxen zu ent⸗ 
richten. Gesuche um Fahrtaxermäßigung sind bei der Direltion 
einzureichen. 
Mänchen, 22. Mai. Der ehemalige Adjutant des 
Prinzen Adalbert, dann Packträger, zuletzt Commissionär dahier, 
Fallot von Gemeiner, ist vorgestern hier im groͤßten Elend gestorben. 
Falsche Zweimarkstücke, deren Gepräge ziemlich 
zut ist, die aber leicht an dem fettigen Gefühl und an dem leichten 
Bewicht zu erklennen sind, werden augenblidlich vielfach in den 
ändlichen Steuerkassen in Zahlung zu geben versucht, find aber 
iberall sofort als falsch erkannt worden. Der arbeitenden Land— 
»eböllerung mit den groben und rauhen Händen sind die Falsifikate 
vornebhmlich mit Leichligkeit in die Finger zu spielen. Die Stück⸗