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die Braut dieses Nobiling, ein Fräulein Meta Schmidt, Tochier
eines Försters in der Nähe Eislebens, hobe am 3. d. M., als
am Tage nach dem Attentate, einen Brief von ihrem Bräntigam
empfangen, den sie sofort verbrannt, und am 4. d. M. sei sie
spurlos verschwunden. Letzleres wird durch einen Aufruf der tief⸗
bekümmerten Angehörigen der Verschwundenen in einem Eislebener
Lokalblatt bestätigt, in welchem sie bitten, des einundzwanzigjährigen
Mädchens, welches im Hausanzuge das „Hotel zum Schiff“ in
Eisleben verlassen, um nahewohnende Bekaunte zu besuchen, aber
nicht zurückgekehrt sei, im Betretungsfalle sich annehmen und es zu
den Eltern zurückführen zu wollen. Der Behörde ist es nun auch
gelungen, den aus Brasilien heimgekehrten ehemaligen Formermeister
G. Hund, welcher in der Muͤllerstraße 182 wohni und ein bedeu⸗
tendes Vermögen von Brafilien mit nach hier gebracht haite, als
die „Goldader“ der Berliner Sozialdemokratie zu entdeden. Der⸗
selbe war am zweiten Feiertäge zur Vernehmung vor die Kriminak
behörde sistirt. Hund hat die Mittel zur Begründung des Arbeiter⸗
bildungsinstitutes hergegeben. Er unterstützte die Sozialdemokraten,
die aus dem „Nordklub“, der bei seiner Gründung eine harmlsse
Dereinigung bildete, einen hochrothen, revolutionären, sozialdemo⸗
kratifchen Verein bildeten, mit anschnlichen Getdmitteln. Dieser
Llub tagie in letzter Zeit Rosenthalerstraße 61 beim Restaurateur
Grüneberg, auch Nobiling war Mitglied dieses Klubs. — Hund
wendete bei den letzten Wahlen bedeutende Summen an, die Wahl
köwe's für den Reichstag zu hintericeiben und den Sozialisten
den Sieg zu sichern. — Als der wegen Majessätsbeleidigunz am
letzten Sonnabend zu 5 Jahren Verurtheilte in seine Zelle abgeführt
wurde, äußerte er; „Davor hütte ick ooch zweemal ordenilich in⸗
brechen loͤnnen.“ Diese Aeußerung charalterisirt genugsam, weß
Geifteskind dieser Majestätsbeleidiger war.
NAusland.
London, 10. Juni. (ESozialistische Demonstration.) Die
süngste Demonstration der deutschen Sozialisten vor dem deutschen
Boischafthotel in London, bei welcher 6 bekanutlich auch Schlägereien
gab, fand letzten Samstag ein Nachspiel vor dem Zuchtpolizeigerich
in Bow ⸗Street. Ein Rädelsführer der Sozialisten, Namens Adolph
Siegel, seines Zeichens ein Schneider, hatte mit seinem Auhange
einen Landsmann, Gustab Adler, der zur Arbeiter⸗ Deputation ge⸗
bötte, die dem Kronprinzen eine Ergebenheitsadresse überteichte,
mißhandelt. In Folge dessen verklagte Adler den Siegel, aber
da sich die angebliche Mißhandlung nur als ein bloßes „Hut vom
stopfe schlagen“ erwies, sprach der Polizeirichter den Angeklagten
unter der Bedingung frei, daß er einen Bürgen finde, der für
sein künftiges friedliches Verhalten eine Kaution von 10 Lstr.
erlegt. Nachdem sich ein solcher Bürge gefunden, wurde Siegel
auf freien Fuß gesetzt und verließ unter dem Geleite einer Menge
deutscher Sozialisten den Gerichtssaal.
London, 12. Juni. Die Deutschen in Edinburg haben
beschlossen, an den Kaiser eine Adresse zu senden, in welcher sie
ihren Abscheu über die zwei Attentate und die Hoffnung ausdrücken,
daß eine solche That niemals wieder den deulschen Namen be
flecken möge.
Konstantinopel, 12. Juni. Es tauchen neuerlich
wieder eraste Anzeichen auf, welche auf die Absicht der Russen
schließen lasser, sich in kurzer Zeit aus San Stefano in der Rich⸗—
lung auf Adrianopel zurückzuziehen. Es ist aus dem russischen
Hauptquartier der Auftrag ergangen, alle Vorräthe aus San Ste⸗
fano und Tschataldja innerhalb eines Zeitraumes von 20 Tagen
nach Lule Burgas und Adrianopel zu schaffen. Die Insurgenten
im Rhodopegebirge sollen sich gegen die Angriffe der Russen erfolg⸗
reich dehaupten und in neueren Kämpfen den letzteren mehrere Ka⸗
nonen abgenommen haben.
PVermischtes.
FWie die „Neust. Bgztg.“ mittheilt, hat auch bei der Ver—
haftung des Atitentäters Nobiling der unvermeidliche Pfälzer nicht
gefehlt. Die drei ersten Personen, die in Nobiling's Wohnung
eindrangen, waren bekanntlich der Hotelier Holtfeuer, ein Offizier
und ein Kellermeister Karl Dietz. Letzterer ist aus Forst, also ein
Pfälzer, und ein Sohn des dortigen Polizeidieners Dieß. Da
die pfälzer Küfer und Kellermeister bekanntlich nicht zu den sensi⸗
diven und schwachnerbigen Naturen zu gehören pflegen, so mag der
Umstand einen Begriff von dem furchlbar aufregenden Charatter
der Vorgänge gehen, daß Dietz hinterher vom Weinkrampf befallen
wurde.
F Der historisch gewordene berühmte Lambrechter Geisbod
wurde am Dienstag in Deideshe im von dem in Rhodt wohn⸗
haften Gutsbesitzer Hrn. Friedrich Steigelmann ersteigert. (G.)
FLandau, 11. Juni. Der am 3. Mai de. Is. wegen
Verdachts des betrügerischen Banlerotts verhaftete Kaufmaun Fer⸗
dinand Levyy von Germeroͤheim wurde am Samstag Nachmittag
cus der Haft entlassen.
, A. es Tandseltte
Rähe von hier, die sich über das Eigenthumsrecht eines Sackes im
Werthe von vielleicht 50 Pfennig nicht einigen konnten glaubten di
Sache vor Gericht bringen zu müssen. Die Affaire ging glücklich
yon statten, es kam zum Vergleich und in die Kosten von — 38
Marl haben sich die Beiden gegenseitig zu theilen. (Kh.)
fFAugsburg, 9. Juni. In vergangener Nacht ergeignete
sich nach der „A. Z.“ ein trauriger Vorfoll. Ein junger Manu,
Vamens Wallishauser, neckte und insultirte den Militärposten am
Zeughausplatz, sfuchte das Gitter des Kugelgartens zu üdersteigen
ind wagte schließlich sogar einen thätlichen Angriff, worauf der
Posten, nachdem er weederholt angerufen und gewarnt hatte,
Feuer gab und den Ex,edenten in den Unterleib traf, was noch
im Lause des Tages den Tod desselben zur Folge hatte. Der
Betödtete war selbst Soldat und stand sogar bei derselben Kom—
dagnie, der auch der Posten angehört (er war nur auf einige
Tage beurlaubt); um so unbegreiflicher ist es, daß er, der doch die
Instruktion der Wachtposten kannte, in so leichtfertiger Weise seip
Leben auf's Spiel etzte.
GBSunzenhaufsen 10. Juni. (Großes Schadenfeuer.
deute Mitternacht entstand in Rosth a. Sand ein großer Brand
Derselbe brach in einem Bäderhause in der Nähe der Schule aus.
Diese nebst 15 Häusern, wie auch die Kirche sind vollstündig per⸗
rann. Leider sind auch Menschenleben zu beklagen. Fünf Männer
nd durch eint einflürzende Mauer getödiet wordin. Einer der Ge—
dteten hinterlaͤßt eine Willwe mit 14 Kindern. Entstehung des
Brandes his jetzt unbcumt.
7 Maunnz, 11. Jußi. Waohrscheinlich in einem Anfall b00
Beistesstörnng oͤffnete am Montag ein hiesiger Weinhändler un
Füfer seine fümmtlichen Faͤsser und ließ seinen ganzen Vorrath, 15
Stück Wein, in den Keller laufen. Rachdem er zugesehen, dis der
letzte Tropfen in der Senkgrube des Kellers verschwunden war,
begab er sich in jeine Wohnung und schnitt sich mit seinem Rustr⸗
messer den Hals daxh. — Gestern wurde ein hiesiger Obsthändler
wegen Majestätsbeleidigung verhaftet.
fBiberach, 7. Juni. Heute murde ein hier in Arbeit
dehender Schrifisetzet Nanens Mayer, gebürtig aus Kirchheim⸗
olanden in der Pfalz, wegen Beleidigung des Kassers verhaftet.
Der Bursche konnte schon em Sonutag koum seine Freude üder
das schändliche Altentat verhehlen.
rLeipzig, 10. Juni. Die Abneigung gegzen die So—
zialdemokraten wird hier in einigen Kreisen so weit getrieben, daß
»eispelsweise in einzelnen Bierldkalen an notorisch als Sozialisten
hekannte Persönlichteiten kein Bier verabfolgt wird. „Die herr—
jchende Tagesströmung schiezt ia ihrem Uebereifer eben leicht über
das Ziel hinaus.“
F Berlin, 8. Juni. Unter den bei den hiesigen Social⸗
demokraten aus Anlaß des jüngsten Attentats beschlagnahmten
Paperen befi det sich, wie man der „Germania“ schreibt, ein Ge.
dicht, in welchem der Mord als VMiittel behufs Beseitigung der ge⸗
sellschaftlichen Schranken empfohlen wird. Tie bezügliche Stelle
des mit „Zuruf? belitelten Gedichtes lautet:
„Die Schranken, die gezogen, müssen fallen,
Durch Blut und Trümmer laßt zum Ziel uns wollen
Und selbst den Mord nicht scheuen, wo's von Nöthen“.
An einer Stelle heißt es:
„Wach, Deutschland, auf in Bergen und in Auen!
Was säumst Du noch die volle Krast zu weihen
Der ein'gen That, die Hife wird dverleihen,
Hör auf zu harren auf Vernunfl zu bauen!“
fBerlin, 12. Juni. Die Einrichtung des Kongreß⸗
Saales und der anliegenden Räume wurde heute Äbend vollendet.
Den Boden des Kongreß- Saales bedeckt ein mächtiger Teppich, auf
welchem der hufeisensötmige Tisch aufgestellt wird. Die Sessei
sind mit Leder von grüner Farbe überzogen; von gleicher Farbe
ist die Decke des Tisches. Die Protokollsührer sißen an den bei⸗
den unteren Enden des Tisches, dem Präsiditenden gegenüber. An
den Wänden des Saales stehen zahlreiche mit rother Seide über⸗
ogene Stühle. Der Buffetraum ist mit Treibhouspflanzen sehr
geschmackvoll dekorirt.
Uéeber die Sozial-Demoktatie schreibt die
„Berl. Ztg.“: Wer von der Sozial⸗Demobkratie ernstlich bedroht
wird, das ist nicht der Staat, sondern die moderne Gesellschaft.
Das jetzige Bürgerthum mit all seinen Institut'onen, die Freiheit
der Erwerbsthätigkeit des Individuums, das Eigenthums- und das
Erbrecht, die Ehe, mit einem Wort: jedes Heiligste und jedes un⸗
entbehrlichste in den bestehenden Einsichtungen der heutigen Gesell⸗
chaft bilden die Angriffsobiekte für jene Partei. Somit ist e—
zuch die Gesellschaft, die sich zu vertheidigen hat, füe d'e der Krieg
zegen die Sozial⸗Demokratie ein Akt der Nothwehr und deshalb
ꝛine Pfleht gewotden. Wie diese Gesellschafi diesen Krieg zu
jühten hat, dazu hat die von der sozialdemokratischen Partei bisher
Heobachtete Taltek selbst die Anweisuag gegeben. Es wird noch in
aller Lebenden Gedächtniß sein, mit weich rückfihuloser Richtach⸗