Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Ler St. Jugberter Anzeiger und das (2 mal wöchentlich) mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt, GSonntags mitf illustrirter Bei 
lage) erscheint wöchentlich viermal: Dieustag, Donnerstag, Samstag und Sonntag. Der Abounementspreis beträgt vierteljährlid 
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A 97. J Sonntag, den 23. Juni. 1878. 
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Die Expedition. 
ANeutsches Reich. 
Berlin, 20. Juni. die 43 dem belannten Artikel der 
„Karlsruher Zatung“ deducirle Conjectut, daß Fürst Bismarck im 
Bundesrath zu Anfang voriger Woche in Betreff der einstimmigen 
Annahme des Antrages auf Auflssung des Neichstags die Cabinels- 
frage gestellt habe, erledigt sich durch die notorische Thatsache, daß 
der Fürst den betreffenden Sitzungen des Bundesraths gar nicht 
beigewohnt hat. — Heute Vittag findet eine Sitzung des Staats- 
ministeriums statt, in welcher dem Bernehmen nach uͤber die ber'm 
Bundesrath einzubringenden Vorlagen bitr. d'e Bekampfung der 
Sozialdemokratie berathen werden soll. 
Berlin, 20 Juni. Die Delecirten der franzosischen Alliance 
israblite haben Besuche bei fast allen Congreßmitglieder gemacht 
und find überoll sehr aünst'g empfangen worden. Allseitig wurde 
die Nothwendigkeit der Gleichst-Ilung aller Religonsangehörigen in 
den Honaufürstenthümern und im neuen Bulgarien anerkannt. 
Berlin, 20. Juni. Die „Nordd. Allg. Ztg.“ schreibt: 
„Zu der vorgestern mitzetheilsen Erklärung der Leibärzie des 
Kaisers wird offiz ös geschrieben: Die ausführliche Erklärung 
der Leibärzie über das Befinden des Ka'sers war, wie aus ihren 
Worten schon hecvorgeht, dazu bestimmt, allzu hoffnungsvollen Auf⸗ 
fassungen über die daldig⸗ Wiederherstellung des Kaisers entgegen⸗ 
zuireten, besouders wohl den Notizen, welche schon von einem nahe 
bevorstehenden Regierungswechsel und sogar von einer Badereise 
sprachen. Die Veröffentlichung hat nun, wie es in solchen Fällen 
zu geschehen pflegt, die Stimmung nach der entgegengesetzten Seite 
zeworfen und an vielen Stellen einen Pessimismus verbreitet, der 
in den wirklichen Umständen keinen M halt findet. Auf Grund zu 
verlässiger Erkundigungen kann versichert werden, daß der Kronprinz 
gestern gegen de bei ihm sich meidenden Ojfinere sich dahin aus 
gesprochen hat, daß die Hoffnung auf die Wiederherstellung des 
Kaisers nur nicht in so kurzer Zeit, wie vielfach angenommen wurde, 
zuversichtlich gihegt werde.“ 
Alle über die Verhaftung angebl'cher Mitschuldigen des Ver⸗ 
drechers Nodiling verbreneien Nachrichten sind falsch. 
Berlin, 21. Juni 10 Uhr Vormittags. (Bulletin.) Der 
Kräflezustand des Kan sers schreitet stetig vor. In dem He lungs⸗ 
vorgange der Verl tzzungen st keine Storung eingetreten. 
Ueber den Siand der Tabakssteuer-Augelegen— 
beint wird mitgetheut, daß dem Reichskanzler von einem dochgest Iten 
Beamten ein sehyr ausführliches Memorandum üͤberreicht worden ist 
in welchem derselbe sehr eingehend die Nachtheile entwickelt, welche 
sowohl die Einführung des Monopols als auch der Fabrikatsteuer 
mit sich bringen würde, und schließlich Vorschläge macht, wie der 
Tabak zu besteuern sei, ohne daß dadurch der Tabakdau und die 
Tadakindustrie ruinir! wecden. Diese Vorschläge sollen sich, natürlich 
mit veränderten Säͤtzen, ziemlich eag an unser jetziges System der 
Labatbesteuerung anschließen. Ein anderes Memoire in derselben 
Angelegenheit wird jetzt von einem Mitgliede des Reichskanzleramtes, 
welches in vollswirthschaftlichen Dingen als Autorität gilt, aus 
gearbeitet. Nach der Siellung desselben in den wirthschaftlichen 
»Fragen ist mit Sicherheit anzunehmen, daß derselbe sich gleichfalls 
gegen das Monopol und gegen die Fabrikatsteuer aussprechen wird; 
in den weiteren Ausführungen wird er aber von den Ausführungen 
des Verfossers der vorerwänien Denkschrift abwei hen indem er 
vermuthlich einen sehr hohen Eingangszoll unter Modalitäten, 
welche ein Fortbestehen des inländischen Tabaksbaues ermöglichen 
werden, ohne die Dfferenz zwischen Einfuhrzoll und inländischer 
Steuer zu einem Schutzzoll und zu einer Prämie auf die Aus— 
dehnung des Tabakbaues zu gestalten, vorschlagen wiro. Denen 
aber, welche aus der Existenz dieser beiden Denkschriften auf ein 
Aufgeden der Monopolpläne folgern wollen, möchten wir doch in's 
Bedachtniß zurückrusen, wie fest der Reichskanzier einmal gefaßte 
Plane trotz oaller Schwierigke't weiter zu verfolgen pflegt. 
Der geschäftsführende Ausschuß dis südwestdeutschen Partei⸗ 
Tages der Deutsche Fortschritte pariei hat vergangenen Sonntag in 
FJeankfurt den Beschluß gefaßt, ein Zitkular, folgenden Inhaltes an 
die Parteifrennde zu etsenden? Allseitig wuͤrde anertann t, daß es 
etzt, wo es unbedingt erforderlich ist, deu Tealtionären Strömungen 
nit aller Energie entgegenzutrelen, zweckmäßig sei, wenn möglich mit 
der nationall beralen Partei gemeinschaftlich vorzugehen, um auf 
)iese Weise einer Zerspitterung der Stimmen vorzubeugen, welche 
inderelt der lonserdativen, ultromantanen oder sozialdemokratischen 
Hartei Nutzen bringen tönnte. Wenn nun auch hierüber vollständige 
xinigkeit dorhanden war, so waren wir in gleicher Weise eben so 
einstimmig darüber, daß die Aufstelluug und Uuterstützung eines 
der Partei nicht angehorenden Kandibaten von Anfang an nur 
dann erfolgen dürfe, wenn derselbe über drei Punkie ausreichende 
Barantien bieten würde, nämlich 1) daß er untet keinen Umstanden 
für irgend welches Ausnahmes Gesetz eintreien, 2) daß er keiner 
Aenderung unserer Wirthschafts⸗Poluͤit, namentlich der beabsichtigten 
Ponopolisirung des Tabaks oder auch nur der erhöhten Fabrik⸗ 
Steuer zustimmen, 38) endlich, daß er in keinerlei Verlangerung des 
eisernen Militäretats willigen, sondern für die unbedingte vollstaͤndige 
Wiederherstellung des Budgets-Rechis des Reichstags eintreten werde. 
Wenn in diesen drei Richtungen n'cht die genügenden Garantien 
geboten werden, dann ist es unserer Meinung nach unerläßlich, daß 
die Partei Genossen selbst dann, wenn fie bestimmt wissen. daß sie 
unterliegen, seldsiständig vorgehen.“ 
NAusland. 
Paris, 20. Juni. die alljährlich übliche Truppenrebue 
im Bois de Boulogne fand heute stait; an derselben nahmen un⸗ 
gefähr 35, 000 Miann Theil. Ein⸗ große Menschenmenge wohnte 
dem vom Welter begünstigten Schauspiele bei. In der Begleitung 
des Prasidenten der Republit befanden sich viele fremde Offiziere. 
Unter den Zuschauern auf der Tribüne war auch der Schah von Persien. 
In Rußland werden keine sonderlich zuversichilichen Friedens⸗ 
hoffnungen in den Kongeß gesetzt. Die „Neue Zeit“ verfolgt die 
Haltung O stereichs mit Mißtrauen. Jedenfalls“, außert dieselbe, 
haben die Rüstungen Oesterreichs die Beachtung Rußlands auf 
jich gezogen. Jeden Tag bringt der Telegraph uns Nachrichten 
über Ditlozirungen der rufsischen Truppen in Rumänsen zur Sichet⸗ 
stellung unseres Rückens. Diese Bewegungen sind derart, daß sie 
uns nicht nur vor den Rumänen schützen, sondern auch bor ihrer 
Verbrüderung mit den ungarischen Hoͤnbedtruppen. Die Offenheit 
iller d'eser kriegerischen Demonstrationen ist rübrend: der Wiener 
Telegraph bezeichnet den Tag, an welchem das Vorrüden der mobili⸗ 
ärten österreichischen Atmee in Siebenbürgen zur rumänischen Gränze 
hin stattfinden soll und der Bukarester Telegraph zählt jede Stadt 
auf, in welcher unfere Avantposten erscheinen. Noch ist Hoffnung 
vorhanden, daß Oesterreich sich besinnt. Doch haben sich schon die 
ersten Congreßsitzungen nicht ganz günstig gestaltet; zunächst hat die 
Forderung Bismard's, daß alle Vorjchläge ichriftlich eingeliefert 
verden sollten, nicht die allgemeine Zustimmung erhalten; sodann 
zat Oesterreich sich störrig gezeigt, so daß die nachste Sitzung nicht 
nuf den nächsten Tag, fondern erst auf Montag angesetzt werden 
nußte. Der erste Schritt ist schwierig, der weite wird uns 
chon schneller zum Frieden, oder uͤberhaupt nicht zum Frieden 
ühren.“ (Berl. 3t9.)