Full text: St. Ingberter Anzeiger

Paris, 2. Juli. Der Schah von Persien ist 
heute abgereist, um sich nach Wien zu begeben. — Erzherzog Albrecht 
von Oesterreich ist gestern Abend hier angelommen und am Bahn⸗ 
hofe vom Marschall⸗Präsidenten empfangen worden; heute ist der 
Erzherzog wieder abgereist nach dem Seebad Trouville. 
— Ueber die letzten Stunden des Pariser Aufenthalis des 
Schah von Persien weiß der „Figaro“ noch Folgendes zu berichten: 
Dem Beranien des Grand Hotel, in welchem Nasr⸗Eddin abgestiegen 
var, ließ er durch Mirza Hossine⸗Khan einen prachtvollen Kaschmir⸗ 
Shawl mit der recht orientalischen Bemerkung überreichen, derselbe 
sei für seine Ehefrau oder, wenn er eine solche nicht hätte, für 
jine beliebige andere Person bestimmt. Die Hotel⸗Rechnung belies 
sich auf den relauiv bescheidenen Preis von 76,000 Fres. (mit Ein⸗ 
schiuß der Depeschen), also eiwa 3454 Fres. pro Tag für 32 
Personen, die geladenen Gäste nicht gerechnet. In Fontainebleau 
war dem Schah für einen Aufenthalt von 24 Stunden eine Rech⸗ 
zung von 14,200 Fres. präsentixt worden, die man nach langen 
Unterhandlungen so gütig war, auf 7000 Fres. herabzusetzen. Es 
hieß darin u. A.“ Blumen 1500 Fres., 20 Hühner 400, eine 
Figarre 8, vier Zimmer 200, zwei Kisten Cigaret:en 50, zwölf 
Pfirfische 120, eine Melone 60, drei Wagen 800 Fres. Um ein 
Ühr Nachmittags holte det Marschall Mac Mahon den Schah im 
Hotel ab und geleitete ihn nach dem Bahuhof, wo ein aus acht 
Waggons bestehender Separatzug seiner harrte. Beim Abschied 
erhielien der persische Konsul Odiaet und der Gesapdischafisarzt 
Dr. Quarante die Mittheilung, daß sie zu Großoffizieren des 
Sonnen⸗ und Löwen⸗Ordens ernannt seien. Das nächste Reiseziel 
des Schah ist Salzburg, wo er zwei Tage zu verweilen gedenlt. 
Vom alten Garibaldi liegt in SEachen des Sozialismus 
ein recht wunderliches Schreiben vor, das an den Chefredakteur der 
Capitale“ gerichtet ist und in der Uebersetzung folgendermaßen 
jautet: „Caprera, 21. Juni 1878. Es ist noch nicht lange Zeit 
Jer, daß ich die beiden Kaiser von Deutschland und Rußland lobte, 
uind es reut mich Dieß nicht. Sie sind wahrlich wohlverdient um 
den menschlichen Fortschritt, und ich war ob der gegen den ehr⸗ 
würdigen Wilhelm gerichteten Mordversuche cgewiß betrübt. In 
diesem Falle glaude ich nicht für einen intransigenten Kommunarden 
gehalten werden zu müssen und, wie alt ich auch bin, einen Rath 
ettheilen zu können. Die allgemeine Besorgniß ist heute auf die 
AUrt, den Sozialismus zu zügeln, gerichtet, und es scheint mir leicht, 
Dieß zu erreichen: 1) Abschaffung der stehenden Heere, durch 
welche die Leute mit ungeheurem Vortheil dem Aderbau zurückge⸗ 
geben werden, und Aufhebung des Pauperismus. 2) Das Eisen zur An⸗ 
sertigung von Pflügen und Grabscheiten und nicht mehr zu Instrumenten 
der Zerstörung zu benützen. 8) Sich zu begnügen für zwölf und nichtmehr 
für Tausende zu essen. 4) Endlich, internationales Schiedsgericht, 
um die Streitigkeiten zwischen der Nationen zu regeln, und nicht mehr 
menschliche Schlachtbänke. Ich schließe mit einer Bemerlung an den gegen⸗ 
waͤrligen Kongreß: daß, wenn den Sklaven nicht Gerechtigkeit widerfahren 
wird, wir Rebolutionen predigen werden. Immer Ihre G. Garibaldi.“ 
Permisqchtes. 
fZweibrücken, 28. Juni. (Schwurgericht.) Verhandlung gegen 
FacobeSchwender, 24 Jahre alt, Fuhrmann von Kirkel, wegen zweier 
herbrechen des Versuchs des Todischlags. Vertheidiger: Anwalt Frenckel. 
Der Angeklagte bemuhte sich im Herbst 1877 um die Liebe der 20 Jahre 
alten Katharina Fey von dem zur Gemeinde Kirkel⸗Neuhäusel gehörigen 
Abstäberhof. Die Fey wies seine Bewerbungen auch eine Zeit lang nicht 
zuruck; an Weihnachten 1877 suchte fie mit ihm zu brechen und zwar wie 
sie angab, um deßwilien, weil ihre Eltern ein Verhältniß mit dem Angeklagten 
nicht leiden wollten. Er kam nämlich am ersten Weihnachtsfeiertage Abends 
auf den Hof und wollte ihr ein Christgeschenk Überbringen; sie nahm aber 
dasselbe nicht an und ging nicht einmai zu ihm heraus. Dies erbitterte ihn 
so, daß er sich mit der Vrohung entfernie; „Wenn sie das Geschenk nichl 
nehme, werde sie keine 21 und er leine 24 Jahre alt.“ Von da an war 
zwar das Verhäliniß noch nicht aufgegeben, indem sich das Mädchen noch 
hie und da seine Begleitungen gefallen ließ, aber ihm gelegentlich zu verstehen 
gab, daß er von ihr ablassen möge, da ihre Eltern seinen Wunschen entgegen 
eien. Am 12. Mai abhin wurde zu Neuhäusel in der Hussong'schen Wirth⸗ 
schaft ein Ball abgehalten, den die Katharina Fey mit ihrem 18 Jahre alten 
Bruder Karl besuchte. Bei ihrem Eintreten war der Angeklagte schon in der 
Wirthschaft anwesend und saß alein an einem Tisch. Die Fey suchte ihm 
ndglichft ausguweichen und zeigte fich frostig gegen ihn, tanzte zwar auf sein 
Berlangen mit ihm, gab ihm aber zu verstehen, daß fie nichts von ihm wifsen 
wollie. Dies erregie, wie er auch aussprach, seinen Zorn, daß er die Wirth⸗ 
chaft verließ und eilends nach Hause, d. h. nach Kirkel lief. Auf dem Weg 
dahin holte er einige auf dem Heimweg begriffene Mädchen ein, denen gegen⸗ 
über er die Bemerkung fallen ließ, er hahe eiwas auf dem Herzen, in fünj 
Minuten werde er wieder in Neuhäusel sein! In seiner Wohnung hielt er 
sich kaum eine Minute auf, steckte zugegebenermaßen hier einen scharf geladenen 
Revolver zu sich und sprang dann sofort nach Reuhäusel zuruck. Er traf die 
Fey, die gerade im Begrifse war, nach Hause zu gehen, mit ihrem Bruder 
und dem Lorenz Denne vor der Hussong'schen Wirlihschaft und richtete sofort 
in Denne die Frage: „Willst Du das Mädel heimführen?“ Als dieser 
migegnete, es preffire ihm nicht, begann er die Frey zu schimpfen, worauf 
diese, unterstützt von Denne, enisprechend erwiderte. Ver Angellagte verließ 
zehi die Andern und ging gegen Kirkel zu, während Denne die Geschwistet 
Fey auf ihrem Wege nach dem etwa 26 Minuten von Neuhaäusel entfernt 
degenden Abstäberhof begleitete. Als fie noch etwa 10 Minuten von dem 
Abshäberhof entfernt waren, trat plößzlich der Angeklagte hinter einer am 
Wege stehenden Pappel hervor auf fie ju, zog die Hand aus der Hosentasche 
and feuerte rasch shintereinander auf das sich zur Flucht wendende Mädchen 
wei Schüsse ab, wodurch dafselbe eine ganz unbedeutende Verletzung an der 
Innenseite des linken Armes und der entsprechenden Stelle der linken Seile 
rlitt. Dann schoß er zwei Schüsse gegen den Denne ab, wandie sich aber 
neich nochmals gegen die Katharina Fey und gab zwei weitere Schüsse auf 
iese ab, von denen einer ihr linkes Knie traf, so daß sie zusammensank 
ich jedoch rasch wieder erheben konnte. Der Angebklagie ergriff jetzt die 
Flucht nach dem nahe gelegenen Walde, während Denne und die Geschwister 
Fey sich nach Hause begaben. Die Wunde der Katharina Fey am Knie 
lutete wohl anfänglich stark, war jedoch schon nach 14 Tagen ohne allen 
kachtheil verheilt. Die Kugel hatte das Oberlkleid, zwei Untexröcke und daß 
demd durchdrungen, war jedoch nicht in dem Knie siecken geblieben. Denue 
var auch von einer Kugel getroffen worden, wie ein Loch in dem Brusttheil 
eines Rockes bewies, jedoch hatte sein Körper keine Verletzung erlitten. Die 
heschworenen erlannien in der Verletzung der Fey eine Koörperverletzung nach 
z 2234 des Reichsstrafgesetzbuches, ohne mildernde Umstände anzunehmen. 
Die Strafe lauteie auf Grund dessen auf 8 Jahre Gefängniß. 
rKirchhheimbolanden, 8. Juli. Am I1. und 2. 
ds. Mits. wurde dier der 12. Verbandstag der pfaälzischen Credit— 
genossenschaften (Vorschußbereine; Vollsbanken) abgehalten. Ver—⸗ 
reten waren auf demselben die Vereine Alsenz, Bergzabern, Blies⸗ 
astel, Dahn, Dürkheim, Edenkoben, Frankenthal, Glanmünchweiler, 
ßrünstadt, Kaiferzlautern, Kandel, Kirchheimbolanden, Kusel, 
dambrecht, Landau, Ludwigshafen, Neustadt, Obermoschel, Pirma 
ens, Rockenhausen, Speher, St. Ingbett, Winnweiler, Zweibrücken. 
— Nach dem vom Verbands⸗Direktor erstatteten Bericht ist die 
Mitgliederzahl der dem Verband angehörenden Vereine im vorigen 
Jahr auf 9095 gesttegen, der Betrag der Vorschüsse um 200,000 
Mark gewachsen, der Gesammtumschlag um 26 Millionen Mark. 
Das eigene Capital der Vereine betrug im vorigen Jahre 4,5542,000 
Mark, das fremde Capital, das sie in Besitz hatten, 18,228,000 
Mark. — Als Ort für den nächsten Verbandstag wurde Speher 
zestimmt, als Abgeordnete zum allgemeinen Vereinstage in Eisenach 
Zebhart von Zwerbrücken und Schwarz von Kaiserslautern gewählt. 
Diesen Abgeordneten ein bindendes Mandat in der Nevisorenfrage 
zu geben, lehnte die Versammlung ab. 
F Dürkheim, 2. Juli. Die auf dem Hohberg am letz— 
sen Sonntag gefundene männliche Leiche wurde heute als die des 
29jährigen ledigen elternlosen Dienstlnechtes Johannes Jaß von 
daardt durch seinen Kost- und Logisgeber Joseph Jausel von dort! 
tesognoscirt. Jaß ist seit dem 14. April jüngst von Haardt ver⸗ 
chwunden. Daß hier ein Verbrechen vorliegt, ist nicht im ent⸗ 
erntesten anzunehmen, da der Verlebte sich nur mit ganz wenig 
geld, höchstens einem Wochenlohn von 6—7 Mk., von zu Haufe 
eutfernte und dessen Werthsachen, Uhr und Ring, ja noch bei der 
deiche gefunden wurden. Wahrscheinlicher ist dazegen, daß sich der⸗ 
elbe nach Verausgabung feines wenigen Geldes selbst den Tod 
»urch Verhungern gegeben hat, da er schou früher einen derartigen 
Zelbsimordversuch machte und sich einmal auf einem Heuspeicher 
zersteckt hielt, wo er jedoch noch rechtzeitig entdeckt wurde. (D. A.) 
FRheinzabern, 1. Juli. Gestern Nacht wurden hier 
dem Herrn Bürgermeister, Adjuntten, Gemeindeschreiber, Polizei⸗ 
ziener urd noch einigen Bürgern, darunter Gastwirth König, die 
Fenster eingeworfen. Da dieser grobe Unfug ziemlich gleichzeitig 
derübt ward, so muß man annehmen, daß mehrire Subiecte sich 
zaran betheiligten. Wie ich höre, soll dabei das Leben eines Kindes 
ehr gefährdet gewesen sein. Hoffentlich wird es der Polizei ge⸗ 
ingen, die Thäter zu ermitteln. (Pf. 3.) 
FFrankenthal, 2. Juli. (Pf. K.) Christoph Goger, 
38 Jahre alt, Maurer von Friedelsheim, hatte am 8. Juni ab⸗ 
hin zu Dürlheim in der Kuni'schen Wirthschaft, nachdem die Wir— 
hin die Depesche über das Altentat auf den Kaiser Wilhelm vor⸗ 
zelesen hatte, sich in so unehrerbietigen Aeußerungen und unfläthigen 
wWünschen gegen den Koͤnig von Bahern und den deuischen Kaiser 
rgangen, doß ihm heute das Bezirlsgericht zur Buße eine neun⸗ 
nonatliche Gefängnißstrafe auferlegte. Der k. Staatsanwalt hatte 
eine solche von 3 Jahren beantragt. 
Speier, 3. Juli. Gestern Nachmittag ereignete sich bet 
)en Pionier-Uebungen auf dem Rheine der sehr bedauernswerthe 
Unglücksfall, daß ein Unteroffizier des 5. Chevaurlegers⸗Regiments 
Julie aus Lachen), welcher erst vor zwei Tagen zur Uebung bei 
)em hiesigen Pionierbalaillon eingerüdt war, ertrank. Derselbe fiel 
vährend der Fahrt auf dem Rhein kopfüber hinein, und es konnte 
dessen Leiche bisher noch nicht aufgefunden werden. (Pf. 3.) 
FSaarbrücken, 3. Juli. Heute Vormittag sistirte die 
Polizei eine Menge Handwerksburschen und anderer vagirender 
Hesellen, prüfte ihre Resselegitimationen und behielt Diejenigen in 
zerwahr, welche sich nicht genügend auszuwiisen vermochten oder 
esetzwidrigen Verbanden angehören. Wie wir hören, ist diese 
hon lange gewünschte schärfere Ueberwachung des Vagabunden⸗ 
zud Strolchenthums endlich höhern Ous versügt worden. Wer 
»a weiß, woe viel arbeitscheues Gesindel unter der Maske eines 
—X 
insere Gegend durchzieht, der kann das energische Auftreten det 
Behoͤrden mur loben. (Saarbr. Ztz.) 
f Saarbrücken, 4. Jul:. Nach dem neuesten Berich! 
ꝛer Handelztammer hat sich die allgemeine Geschäftslage in unserm 
Bezirk nicht gebessert, eher noch verschlechtett. Die Produktion der