Full text: St. Ingberter Anzeiger

wisenschienen ist seit dem Ueberwiegen der Bessemer Slahlschienen 
fast erloschen. Dagegen wird mehr Eisen zum Oberbau der Eisen⸗ 
hahnen verwendet (Schwellen). Die Suarwerke haben namhafte 
Opfer gebracht, denn die Herabsetzung der Lohne war bei dem 
heuern Lebensunterhalt nicht thunlich. Bedauert werden die seit 
I. August 1874 bestehenden hohen Frachtpreise in Bezug auf Erze 
und Rohe sen von Siationen der Luxemburgischen und Reichseisen⸗ 
hahnen. Die Glasindustrie geht zurück. In Bezug auf die Ta— 
hatsfabrikat'on wird noch immer geklagt über die Straßburger Ta⸗ 
balsmanufaktur. Es heißt sodann: „Sehr zu bedauern wäre es 
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durchginge; ganz unberechenbar wäre aber der Schaden für die 
Tabals'ndustrie, mit welcher die Wohlfahrt von so vielen Tausen 
den verknüpft ist, wenn solche in Geistalt einer Fabrikalionssteuen 
erhoben würde“. Es ist ganz naturgemäß, daß der Handelsberich“ 
mehr die lokalen Ansichten sammelt. Aber der Reichstag wird wol 
ebenso na'urgemäß den allgemeinen Standpunkt vertrelen, und die 
Wohlfahrt von Millionen im Auçe behalten. Das Monopol wird 
iudeß wohl durch keine Euquete hinreichend empfohlen werden. 
Die Geldverhältnisse sind nach dem Berichte schlimm gewesen. Die 
Reichsbanknebenstelle hat 4 Millionen weniger Umsatz. Dagegen 
hob sich der Giroverkehr an derselben sehr und betrug 63 Millionen 
Mactk. Der Andang theilt mehrere Schreiben mit, z. B. über dit 
Bemühungen des statistischen Amts, genauere Nachweise der Ausfuhr 
zu erhalten, über eine in Saarlouis residirende Schiffsuntersuchungs 
fkommission, eine Agitation gegen den Consumverein zu Grube von 
der Heydt, Verkürzung der Creditfristen, Aufnahme von Wechsel⸗ 
prolesten, Herftellung einer Haltestelle zu Scheidt oder Schafbrücke 
(Halberg und Saarhafen). Die Menge von Eirzelheiten in dem 
deißig gearbeiteten Becicht vird es vielen Interessenten wünschens⸗ 
werih machen, den ganzen Jahresbericht zu besitzen. (S. Z3.) 
F* Das unter dem Titel „Rheinschnaken“ seither im Verlage 
der Vereinsdruckerei in Mannheim erschienene Wizzblatt zeigt in 
jeiner gestrigen Nummer an, daß es von jetzt ab zu erscheinen auf— 
hört. Hiermit ist die ganze Reihe der im Laufe der letzten Jahre 
hier gegründeten Witzblättet von der Bildfläche verschwunden und 
aur das älteste humoristische Blatt, die „Mannheimer Familien⸗ 
blätter“ vulgo „Stadtbas“ übrig geblieben. 
FKempten. Das Bezirksgericht Kempten hat den Bier⸗ 
brauer Lorenz Schlechter in Lindau, welcher von einer Berliner 
Firma ein Heitoliterfaß Glyzerin und ein Kilogramm Salizylsäure 
unter der Deklaration „Holzglasur“ bezogen und für sein Bier 
berwendet hatte, wegen Betrugs zu 21 Tagen Gefängniß und 
wegen Uebertretung des Malzaufschlagsgesezes in eine Ge'ldstraft 
hon 4000 M. verurtheilt. 
F (Zur Warnung vor hohen Hacken). Montag Abend wollte 
eine Frau die Treppe eines neuerbauten Hauses in der Dreikönig⸗ 
straße in Frankfurt a. M. heruntergehen, auf dem linlen Arm ihr 
7 Monate altes Kind tragend. Mit dem Absazß ihres einen 
Schuhes blieb sie plötzlich an einer Treppenstufe hängen und griff, 
um nicht zu fallen, mit der freien rechten Hand rasch nach dem 
Treppengeländer, sich krampfhaft daran anklammernd. Durch diese 
hastige Bewegung entglitt das Kind ihrem Arme und stürzte über 
das Geländer weg in den mit Steinplatten gepflasterten Hausflur. 
Der sofort zu Rathe gezogene Arzt constatirte, daß das Kind durch 
den Fall einen Schädelbruch erlitten und schwerlich mit dem Leben 
davon lommen wird. 
fFLabiau. Von einem Hause der Marktstraße wurde 
hier folgendes Placat abgenommen und der Polizei eingereicht: 
Labiau, 19. Juni 1878. Zu dem Attentat Nobiling's 
jüge ich hinzu, daß es nur techt und billig ist, den (io!) Kaiser 
zu erschießen. In vier Wochen ist der Kaiser eine Leiche und wir 
werden unser Ziel erreichen wonach wir lange Jahre gestrebt haden. 
Einen von den Geschworenen trifft das Loos. An allen Orten 
werden diese Zettel erscheinen. Lassen sie die Verhafleten nicht 
los, so geschieht das schreckliche. Im Namen der Socialdemokraten 
von Labiau. Forschet nicht, wer es geschrieben hat, sonst kostel es 
euch fürchterliche Opfer. Wir rächen uns blutig. 
Bekanntlich ist in Labiau und Umgegend die Socialdemolratie 
niemlich stark verlreten. 
t Die Gesammt-Einnahme der Weltausstellung in 
den Monaten Mai und Juni (mit Ausnahme des Festtages vom 
30. Juli) belief sich auf 3,112,963 Fres. 
f Vor einigen Tagen hatte man in Paris aus der Seine 
in der Nähe von Boulogne den Leichnam einer mit einer gewissen 
Sleganz gekleideten Frauensperson ausgefischt und zur Retognos 
sirung nach der Morque geschafft. Tags datauf erhiest die Polizei 
aus Frantfurt ein Telegramm, welches sie ersuchte, einer jungen 
Frau nachzuforschen, die diese Stadi eben verlassen hatte; das 
Signalement stimmte vollständig mit dem der Ertrunkenen. Es war 
die Frau eines hochgestellien Mannes, die sich in einen Kunstler 
Zerliebt und denselben in Paris aufgesucht hatie; da er sich weigerte 
das Verhältniß fortzusehen, wählte die Unglüdliche, die sich umsonf 
daheim kompromitnirt dalte, den Tod. 
Neapel, 28. Juni. Einem hiesigen Priester mit Na⸗ 
men De Mattia war es vor einigen Wochen gelungen, in der 
dotterie fünf Nummern zu errathen und darauf einen Gewinn von 
über zwei Millionen ausbezahlt zu erhalten. Dieses glückliche Spiel 
releidet nun ein Nachspiel, indem gegen den Gewinner, der nach 
Paris reiste, ein Haftbefehl erlassen und die von ihm bei der Bank 
von Neapel hinlerlegle Summe von 750,000 Lire mit Beschlag 
delegt wurde. Ueber den Grund dieses Vorganges, der die çanze 
Stadt in Aufregung versetzt, herrschen verschedene Gerüchte. Am 
wahrscheinlichsten durfte ein Betrug in Verbindung mit e'nigen 
dottobeamten dabei vorgeherrscht haben, da de Maitia der Sohn 
rines früheren Lottokollekteurs ist, das Spiel in seiner Familie 
mmer heimisch war und derselbe immer in Gesellschaft von Lotto⸗ 
eamten gesehen wurde. Die auf schriftliche Denunziation einge⸗ 
leilete Untersuchung wird die näheren Umstände aufklären. 
citerarisches. 
Eine längst mit Spannung erwartete Abtheilung von „Brehm's 
Thierleben“ Werlag des Bibliographischen Instituis in Leipzig): 
zie Riederen Thiere, von Professor Oscar Schmidt in Straßburg, ist 
jetzt in der zweiten, umgearbeiteten Auflage zum Abschluß gebracht und muß 
als eine Glanzpartie dieses klassischen Werkes bezeichnei werden. 
Gerade auf dem Gebiete der niederen Lebewesen bewegt sich die Forschung, 
ungeregt durch die Ideen Darwins, Häckels und anderer Koryphäen der Eni— 
vickelungstheorie, in neuester Zeit so umgestaltend wie auf keinem anderen. 
Durch die neu erdffneten zoologischen Stationen zu Neapel, Triest ꝛc. wurden 
em Forscher zudem Beobachtungsgebiete erschlossen, die bisher so gut wie 
nicht vorhanden waren. Die Resultate sind bekanntlich von der weiitragendsten 
Bedeutung und mußten auch der Schmidt'schen Darstellung in „Brehms 
Thierleben“ ihren Stempel aufdrücken. Seine ebenso umfassenden wie erfoͤlg⸗ 
eichen Studien gerade in diesem populären Werke niedergelegt und so zum 
Bemeingut gemacht zu haben, ist ein Verdienst Oscar Schmidts, das in 
hohem Grade anerkannt werden muß. 
Auch mit Bezug auf die außerordentlich reichhaltige Illustration ist dieser 
Band geradezu epochemachend zu nennen. Freilich konnte eine so außer⸗ 
gewöhnliche Leistung nur durch außergewöhnliche Mittel erzielt werden. Die 
Zchwierigkeilen in der Beschaffung wirklich wahrheitsgeireuer Abbildungen 
dieses eigenthümlichen Thierkreises kennt nur der Fachmann; ihre Ueber— 
windung ist hier in bewundernswerther Weise gelungen. Wie früher an zahl⸗ 
reichen anderen Küsten europäischer Meere, so neuerdings in dem Aquatium 
zu Neapel während zweier Winter lag der Verfasser speziellen Studien für 
dies Werk ob. Gleichzeitig wurden dort auch unter seiner wissenschaftlichen 
deitung künstlerische Beobachtungen angestellt, die es ermöglichten, dem Buch 
eine Reihe von Thierbildern einzuverleiben, die hier überhaupt zum ersten⸗ 
mal zu finden sind, während andere durch neue richtigere Auffafsung und 
unmittelbar der Natur abgelauschte Bewegung alles bisher Dagewesene über⸗ 
treffen. In der technischen Herstellung, in der Ausstattung des Buches über⸗ 
haupt hat das Bibliographische Institut ein Meisterstück geliefert. 
Der Kleine Meyer. — Wenn Gelehrte, Bibliothekare, Kunst⸗ und 
Alterthumsfreunde, Journalisten, Politiker oder gebildete Leute überhaupi 
über irgend einen Gegenstand des Wissens einer kurzen und bündigen Aus— 
unft in möglichst kurzer Zeit beduürfen, greifen sie seit nunmehr einem 
duftrum zum „Kleinen Meyer“, wie man, im Gegensatz zu Meyers großem 
donversations⸗Lexikon, das bequeme zweibändige Hand-⸗Lerikon zu nennen 
pflegt. Von diesem trefflichen Buch, das schon in seiner ersten Auftage eines 
der popularsten Werle geworden, hat das Bibliographische Institut in Leipzig 
beben eine neue Bearbeitung beendet. 
Ein berühmter Schriftsteller nannte es bei seinem ersten Erscheinen „ein 
Haushaltstuck wie kein anderes Buch“, und das findet seine Bestätigung 
in der ungeheuren Verbreitung, die es gefunden. Jetzt erscheint das Wer 
n hohem Grade vervollkommnet, sowohl durch sorgsaltige Revisfion, neue, 
olanmäßigere Vertheilung dez Stoffes, als auch namentlich durch einen be⸗ 
rächtlichen Zuwachs von Artikeln bis auf die neueste Zeit. Troßz einer Er⸗ 
peiterung um zwanzig Bogen, die allein über 8000 neue Artikel repräsentiren), 
rotz einer bedeutenden Vermehrung der instruktiven geographischen, historischen 
and ftatistischen Karten, der Bildertafeln und mit dewundernswerthem Fleiß 
bearbeiteten tabellarischen Uebersichten ist der Preis (15 Marlk für zwei präch 
lige Halbfranzbände) derselbe geblieben. 
Wem seither Meyers Hand⸗Lexikon gute Dienste geleistet, dem wird es 
in der vervolllommneten neuen Auflage noch weit bessere Dienste thun. Man 
vill nicht immer in bänderreichen Werken suchen, nicht immer in bogenlangen 
Urtikeln blättern, um eine kurze Auskunft zu erhalten über einen Namen, 
rinen Begriff, ein Fremdwort, ein Ereigniß, ein Datum, eine FZiffer, eine⸗ 
Thatsache. wie fie beim Lesen von Zeuungen und Buchern, im Gesprach, 
beim Nachfinnen, Beschauen, Schreiben so oft aufstoßen und im Gedachtniß 
oder Wissen eine Lucke fuhlen lassen. Ein bequemer Band zur Hand, der 
auf den ersten Griff und ersten Blick den verlangten Nachweis kurz, bestimmi 
und richtig gibt, das ist, was man tausendfällig im Leben braucht und 
im „Kleinen Meyer“ in trefflichster Weise hat. 
Die im Gegensatze zu den fonst so theuren Bucherpreisen sich durch 
außerordentliche Wohlfeilheit auszeichnende „Bibliothek der Unterhal— 
tung und des Wissens⸗ Jahrgang 1878 (Preis pro vierwochent⸗ 
licher Band von 256 bis 288 Seiten Taschenformat nur 30 Pfeunig) 
ährt auch in ihren neuesten Bänden fort, nur Vorzügliches und Interessantes 
ju bieten. Wir erhielten vor Kurzem den neunten Band und veröffenilichen 
sum Belege für unser Urtheil nachstehend dessen Inhaltsverzeichniß: Ver— 
chwunden. Roman von Ewald August König. — Vor dem Sturme. 
PRovelle von Franz Eugen. — Zwei Silhouetten am Hofe Karls Xx. 
Von Aug. Scheibe. — Der Wann fur Alles. Zur Charakteristik dez 
dondoner Verkehrslebens. Von H. Thüringer. — Der Bernstein. Kultur. 
istorisch naturwifsenschaftliche Slizze von Dr. W. Heß. ˖— Ein fürstlicher 
Jauer. Aus der russischen Gesellschaft von G. Sqweitzer⸗Mosen. — Das 
erste Wiener Kaffehaus. Eine geschichtliche Erinnerung. Von Hug⸗ 
Zeißzmann. — Den Saluk hildet eine Anzgkl ieueanier Migeellen. 
Fur die Redaction verantwortlich: F. ) ⸗ v 
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