St. Ingberler Anzeiger.
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der St. Jugberter Anzeiger und das (2 mal wohentlich) mit dem Hauplblatte verbundent Unterhaltungsblatt. (Sonntags mit illustrirter Vei⸗
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11 13. Dieunstag, den 22. Januar —— 1878.
Dentsches Reich. a
Mäüuchen, 18. Jan. Die Kammer der Reichsräthe ge⸗
aehmigte heute einstimmig den Gesetzentwurf über die provisorische
Steuererhebung für das Jahr 1878, sowie den Gesetzentwurf über
den Bau einer Bahn von Lohr (unterfranken) nach Werthleim,
iber den Ausbau der Bahn von der Station Unterpessenberg nach
zem in der Nähe liegenden ärarialischen Kohlenwerk, über den An⸗
kauf eines Solondampfers sür die Bodenseeschaffuhrt ꝛc. Die Groß⸗
karldacher Schalpetition wurde an den dritten Ausschuß zur Bericht⸗
echattang verwiesen.
München, 19. Jan. Bei den mit dem Mauser⸗Gewehre
porgenommenen Massenproben, wie auch beim Gebrauche desselben
u den Truppenabtheilungen versagten auffallend viele Gewehre (tdit
zu 10 Proc.), wovon man die Ursoche anfärglich dem fehlerhaften
Funktioniren des Zündstiftes zur Last legte. Als sich diese Ansicht
als irrig erwies, glaubte man der ungleichmäßigen Fabrikation der
Patronenhülsen die Schuld beimessen zu müssen, bis sich heraus⸗
stellte, daß die Zündmasse nicht die gehörige Explosionsfähigkeit be⸗
ägt. Versuche im h'esigen Haupilaboratorsum ergaben nun e'nen
beinahe unfehlbaren Zündsatzz, seit dessen Andwendung die Zahl
der versagendin Gewehte auf höchstens * Prozent sank. Zur
Information in Bereitung dieser Zündmasse, sowie in Herstellung
der kleinen Mauser⸗Patrone besti umten Zündlüt hem ist seit einigtr
yr Rn Chemiker aus dem preußischen Veilitäre⸗Laboratotium zu
Spandau in das hiesige Hauptlaboratorium beordert.
München, 20. Jan. Auf die Tagesordnung einer der
nächsten Plenars zungen der Abgeordnetentammer werd gesetzt werden:
Mündlicher Bericht des Petitionsausschusstz über die Petition des
Stadtmagistrats Fürth, die Schädigung der Industrie durch die
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Ausschusses lautet: Die Kammer wolle beschließen, diese Perition
der Igl. Staatsregierung zur Würdigung hinüberzugebenn.
Aus Straßburg, 18. Januar, schreibt man der „st.
Z.“: Die Erwartung, welche der Kaiser im vorigen Jahre bei
einem Besuche im Elsaß aussprach, daß er das Land wiederzusehen
hoffe, wird allem Anschein noch in diesem Jahre in Erfüllunzg
zjeden; der daiser hat den Wunsch ausgesprochen, das 15. Armee⸗
zorps im Manöver zu sehen. Aller Wahrscheinlichlkeit nach wird
Straßburg das Standquartier werden, von welchem aus er das
Hanöverfeld täglich besucht. ·
Ausland.
London, 19. Januar. Der Peiersburger Korrespondent
der „Times“ hört angeblich von dem Verfasser des russischen Waf⸗
renstillstands Entwurfẽ, die Bedingungen würden so hart sein, daß
die Türken sie kaum annehmen können. Das Cityblatt meldet
erner: Die kürkischen Delegirten trafen mit dem Großfürsten und
dem Genetal Ignatieff (4 auf einer Statiouder Jamboli-Eisen⸗
dahn bereits zujammen. Der „Daily Telegraph“ dagegen meldet:
Die Delegirlen trafen den Großfürsten Nlolaus gestern in Tir⸗
nova. Der Großfürst künd'gte ihnen an, er könne erst in Adria⸗
nopel unlerhandeln, welches sofort übergeben werden solle. Die
Delegirten stimmten zu und Djemel Pascha erhiel den Auftrag
Adcianopel zu räumen. Dieser retirirt nach Chekmedje. Die
stussen langen wahrscheinlich in zrei Tagen in Adrianopel an.
Fin Ministerrath in Konstantinopel beschloß nochmals England um
ꝛine definitive Erklaäͤrung anzusuchen.
Det „erste König des geeinten Italieus“ hal am 17 d8.
eine letzte Ruhestätte in dem stolzen zwe tausendjährigen Pantheon
zefunden, welches u. A. auch die sterblichen Keste Raphaels und
ʒes Caidinals Confalvi enthuͤlt. Alle Vorbereitungen zur Leichen⸗
eier ließen von vorn hetein darauf schließen, daß sich dieser Aci
u einer großart'gen nationalen Kundgebuug des italienischen Voltes
jestalten werde. Inmitten dieser Vorbereüungen war eine der in⸗
erressantesten Erscheinungen die loyale und rücksichtsvolle Haltunz
»es Papstes. Wenn man sich erinnerte, mit welcher fanatischer
Intoletanz im Jahre 1861 die Leiche Cavout'ß zu kämpfen haue,
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wie sie von Kirche zu Kirche, von Priester zu Priester wandern
nußte, ebe sie ein halbverstohlenes ehrliches Begräbniß fand, so
vird man den Eindruck ermessen können, den die milde und ver⸗
ohnliche Haltung des Papstes den Manen des italienischen Königt
zegenüber in allen politischen Kreisen machen muß. Freilich wirb
nan sich zu hüten haben, diese persönlichen Gefühle Pius IX. am
Sarge des Begründers der Einheit Italiens politisch zu überschätzen.
„Noch habe ich zu befchlen!“ soll er zornig einem der Uaversoͤhn⸗
lichen aus dem Cardinalscollegium zugerufen haben, und gewiß
siind die dersöhnlichen Dispositionen des Vaticans, die von selbft
asle Hindernisse für die kirchlichen Ceremonien zu Ehren des Königs
aus dem Wege räumten, einzig und allein auf die persönlichen
Futschließungen des Papstes zurückzusühren. Je mehr der koörper⸗
liche Zustand denselben den irdischen Dingen entrückt, desto leb⸗
hafter scheinen jene alten Ueberzeugungen und Empfindungen ia
hm ju erwachen, die das Merkmal seiner ersten Papstjahre gewesen
ind. Daß indeß diese persönlichen Wandlungen für den Rest
seiner Lebenszeit noch irgend welchen Einfluß auf die Geĩammipo—
itil des Vat cans gewinnen follten, scheint uns eine sehr sangui⸗
nische Hoffnung zu sein. Wie in der Kirchenpolitit. so wird auch
in der inneren Politik Italiens der Thronwechsel, zunächst wenig⸗
end, kaum irgend eine sichtbare Veränderung herbeiführen. Die
Feinde des jungen Königreichs hoffen auf die gährenden republika-
aischen Bestrebungen im Lande; wie sehe sie dieselben überschätzen,
zeigt d'e Einhell'gkeit mit der die Nation die Thronbesteigung des
neuen RKöuigs anerkannt hat. Kein Mißton hat diese Anerkennung
zesiört, und in Frankreich wie in Oesterreich dürste man sogat
finden, daß ther zu viel, als zu wenig bei ihr geschehen sei. Auf
velche Partei sich Rönig Humbert auch stüßen möge, schwerlich
vird er irgend eine Partei oder auch nur ine Persönlichieit zut
Derrschaft bringen, weiche der monarch stischen Regierungsfor n feind⸗
ich gesinnt wäre; selbst wenn er in Zutunft einmal gezwungen
vürde, bei decr Wahl seiner Minister noch weiter nach lintks zu
Jehen, als sein Vater that, als er das vorletzte Ministerium er⸗
nannte, wird er doch kaum eißer Opposition begegnen, welche sich
zdegen die Grundlagen der Verfassung und ijener Regierungsform
chtet, welche Italien zu seinen bisherigen Erfolgen geführt hat.
Die auswärtige Politek die bei jedem Thronwechsel vorerst am we⸗
nigsten berührt zu werden pflegt, wird auch von diesem nicht in
andere Bahnen gelenkt werden, als bisher. Der Kreis der Inte⸗
ressenten Italieas kann unter Humbert J. kein anderer sein, als er
s unter Viktor Emanuel gewesen. Diese pvational italicnischen In⸗
ereffenten traten in gewissen sehnsüchtigen Ausblicken, namentlich
zuf das Mitlelländische Meer hin, unter Viklior Emannel wohl
zier und da zu Tage, valießen aber nie die Grenzen weißker Ma—⸗
zigung und werden dieselben auch ferner nicht verlasseudürfen,
venn das neue Königreich seinen heut:gen Plaß unter den Mächten
ehaupten will. Unter diesen Gesichtspunkten betrachtet, verliert
zet Verlust des nunmehr zur Rude gebelteten ersten Konigs zwar
uchts vou seiner nationalen Giöße und Bedeutung, einen sichlbaren
UImschwung in den Verhältnissen aber läßt er nach keiner Seite
zin eiwarten.
Konstautinopel, 19. Jan. Telezrammen aus Kdria⸗
nopel von beute zufolge haben die Turken die Vertheidigung Adriad⸗
nopel's aufgegeben und alle Truppen und Kanonen zurückgezogen.
Der Generalgouverntur bderließ heute Morgen Adriauop⸗l und ließ
aur 72 Gendarmen zur Aufrechthaltung der Ordnung bis zu dem
»evorstehenden Einmarsch der Russen zurück. Nachdem die Russen
zestern in Mustapha-Pascha, einige Kilometer von Adtianopel,
ꝛintrafen, wurden Maßregela getroffen, daß die zurückgebliebenen
Bendarnen nach dem Einmarsch der Russen unbehelligt abziehen
önn⸗s. Heute Morgen ging ein Eisenbahnzug von Adrianobel
ab, welcher alle Freinden und Einheimischen, welche die Siadi zu
»etlassen wünschten. mitnahm. Der französische Consul blieb zum
Schutze der seirer Nation Angehörigen in der Stadt zurück. —
Von Suleimann Pascha liegt noch keinerlei Nachricht vor. — Die
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