St. Ingberler Anzeiger.
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AM 1I33. Samstag, den 24. August —BB 1878.
Deutsches Reich.
.Maänchen, 21. August. Se. Maj. der König wird von
Schloß Berg demraͤchst hierher kommen, um die Eidesleistung des
neuen Erzbischofs von München und des neuen Bischofs von Speyer
entgegen zu nebmen. Nach erfolgter Eidesleistung wird die Con⸗
ecrat on der beiden Bischofe in der Metropolitankirche dahier voll⸗
ogen werden.
Das Ergebniß der Reichstacswahlen in Bahern stellt fich
olgendermaßen: 31 Ultramentane und 17 Liberale einschließlich
oer Freikonservativen — also dasselbe Verhältniß wie beini vorigen
Reichstag. München ist den Liberalen verloren gegangen, dafür
haben sie diesmal den Wahlkreis Kronach Oberfranken) erobert.
Im Uebrigen hat sich nichts verändert. Niederbahern und Ober⸗
afalz haben, wie seither, ganz schwarz gewählt, Oberbayern deß⸗
zleichen. In Unterfranken haben die Schwarzen alle Sitze inne
dis auf einen (Schweinfurt); eben so ist's in Schwaben. In Ober⸗
ranken und Mittelfranken ist daß Verhältniß umgekehrt; da konnten
die Schwarzen nur se einen ihrer Leute durchsetzen. Die Pfalz hat
ich ihren alten Ruhm bewahrt: sie allein schickt lauter freisinnige
AIbgeordnete.
Berlin, 21. August. Der Reichskanzler Fürst Bismarck
st vom Kammergericht auf den 4. Ociober Jl. J. als Zeuge in
zer Proceß⸗ Angelegenheit des Frhrn. v. Los vorgeladen. (Fr. J.)
Berlein. Nach dem BVeschlusse des Bundesrathes vomn G
zuni soll eine Untersuchung über die Frage der Steuerfreiheit des
Spiritus, der zu gewerblichen Zwecken dient, veranlaßt werden.
Pie derlautet, wird die betreffende Commission im Spätherbst ein⸗
jerufen werden. Außerdem ist es beabsichtigt, eine Commission
Zachverständiger zu berufen, welche die Frage. ob Spiritus nach
Maß oder Gewicht zu verireiben, beziehentlich zu versteuern sei,
iner Prüfung unterwerfen soll. (Fr. 3.)
—A Hetzerei gegen die
Liberalen doch noch Blut gefordert, das über Diejenigen
ommt, welche sich nicht gescheut haben, die unfinnigen Verleumdun⸗
en besonders über die nationalliberale Partei zu verbreiten. Es
st in Harburg bei der Stichwahl zwischen dem bisherigen Verkreter
Oberbürgermeister Grumbrecht und dem welfischen Kandidaten
Brafen Grote, der von den Sozialdemokraten unterstüßt wurde, zu
inem Putsch gekommen, bei dem außer mehreren Verwundungen
uuch zwei Todesfälle zu konstatiren sind. Schon seit einigen Tagen
paren die Liberalen ihres Lebens nicht mehr sicher.
Nach einem Bericht der „Frkf. Zig.“ wären in Harburg
»ei den Unruhen 14 Personen schwer, 70 leicht verwundet worden;
wei sind lodt.
Die Freiconservativen stellten im Wahlkreise Mühlha usen⸗
Zangensalza für die dort vorzunchmeude Nachwahl den Gra⸗
en Wilhelm Bismarck als Reichstaäͤgscandidaten auf.
Als am 13. Juli der Berliner Friede unterzeichnet wurde,
rehlle es schon damals nicht an Stimmen?; die an feinen Bestand
sicht glauben wollten und leider haben dieselben nicht Unrecht ge⸗
abt. An Sielle des früher wüthenden russisch-türkischen Krieges
ind nun eine Reihe von Einzelaufständen getrelen, deren Beendigung
ich durchaus nicht absehen läßt. Der Aufstand im Rhodopegebirg
auert, wenn auch nicht mehr mit der anfänglichen Heftigkeit, fort.
In Bosnien haben sich Türken und Christen gegen die öster⸗
eichische Occupation erhoben und hier wird der kleine Krieg irotz
gomentaner Erfolge der öslerreichischen Waffen auch noch geraume
Jeit audauern. Die Lazen im Baluͤmer Gebiet widersetzen sich der
ussischen Occupatiou ebenfalls mit bewaffneter Hand und, um das
shaos vollständig zu machen, droht jeht auch noch ein Privatkrieg
ischen den Monkenegrinern und den Bewohnern derjenigen Prodinzen
zubrechen, welche durch den Congreß an Montenegro abgetreten
dene In diesen Gebeels: heilen ruüsten sich die Einwohner, höchst
FTheinlich unter ansgiebiger Unterstützung der Türkei, ebenfalls
ampfe und nach der ganzen Sachlage wird die Besetzung
nanevinzen für Montenegro keineswegs leicht sein. Rechnet
qdändiu noch die Unzufriedenheit in Griechenland und die Auf
Thessalien, so wird man zugeben müssen, daß das Ergeb⸗
niß des Friedens von Berlin alles Andere, nur nicht den Frleden
gebracht hat, und daß die Regelung der orientalischen Wirren in
absehbarer Zeit kaum zu erwarten ist. Hoffentlich wird es der
Diplomanie, die wohl recht bald wieder in den Vordergrund treten
wird, gelingen, den neuerdings auf der Balkanhalbinfel ausge⸗
brochenen Braud zu loclisiren und zu verhüten, daß bie jeßt nun⸗
betheiligte Mächte in Mitleidenschaft gezogen werden.
Aussland.
Wiäen, 21. Aug. Die „Polit. Korresp.“ meldet aus Kon⸗
dantinopel von heute: Die Pforte setzt ihre Einwirkungen in Be—
reff der Beschwichtigung des Aufstandes in Bosnien fort. — Die
Pforte gestattete dem Grafen Zichy Einsicht in alle nach Bosnien
ind der Herzegow'na abgesendeten Depeschen und betheuerte neuer⸗
»ings das Bedürfniß nach Ertßaltung uünd Pflege der freundschaft⸗
ichen Beziehungen zu Oesterreich. — Zwei Bataillone der türkischen
daisergarde daben Befehl erhalten, sich theils nach Smyrna, theils
ꝛach Samos einzusch ffen. — Dieselbe Korrespondenz weldet aus
Fattaro von heute: Zwischen den Türken und den Montenegrinern
ind die Feindseligkeiten wiedet ausgebrochen. Seit gestern früh
»egannen die Kämpfe bei Podgoritza. — Die „Pol. Korr.“ erführi
jerner von guter Seite, Hafiß Pascha habe nicht das Vorrücken der
laiserlichen Truppen gegen Serajewo abgewartet, sondern sich am
18. d. im Bivouak von Blazni gestellt. Derselbe sei bis auf
veitere Ordre nach Brod gesendet worden.
Paris, 20. August. Die Nachricht mehrerer Blaätter, daß
Madame Thiers demnächst die Memoiren ihres Mannes heraus⸗
jebeu werde, wird dementirt; der Expräsident der Republik hat,
wie man versichert, keine Memoiren hinterlassen. — Die mit der
Weltausstellung verbundene Natisnallotter'e in nunmehr offiziell auf
den 20. Oktober festgesetzt. — In Lourdes ist heute, wie man der
„Union“ telegraphirt, aus Paris ein großer Pilgerzug eingetroffen,
n welchem man vierhundert Kranke zaͤhlte, die ihre Heilungan
der Wunderquelle suchen. ——
Rom, 20. Auq. Bei Arcidosso in der Provinz Grosseto
'and zwischen den Behörden und einem gewissen Lazzaretti, der mit
zinigen seiner Anhänger eine neue Religion proclamiren wollte, ein
»lutiger Couflikt stalt, in welchem zwei Personen (daruner Lazza⸗
zetti) getödtet und zwölf verwundet wurden, worunfer vier Agenten
der Polizei.
New-⸗York, 20. Aug. Das gelbe Fieber fordert besonders
in Grangda zahlreiche Opfer, die Sterblichkeit nimmt zu; fast keine
vom Fixber befallene Person gewinnt Genesung. Die Eisenbahnen
und Dampfshiffe sind von flüchtenden Menschen angefüllt. Zahl⸗
zeiche Aerzte und Krankenpflegerinen, viele Lebensmittel und Medi—
kamente sind dahin abgegangen.
Unsere wirthschaftliche Lage und die Getreidezölle.
Ueber die Ftage der Getreidezoͤlle, welche durch die unter der
Parole „Schutz der nationalen Arbeit“ auftretende Agitation unserer
chutzzollne rischen Großindustriellen schließlich mit Nothwendigkeit
jervorgerusen werden mußie und welche um so mehr an Bedeutung
jewinnt, je klarer es sich zeigt, daß die drohende Gefahr einer
chutzzöllnerischen Reaktion wesentlich in einem Bündniß der indu—⸗
triellen und agrarischen Schutzzöllner liegt, bringt die „Landwitth⸗
chafiliche Zeitung für das nordöstliche Deutschland“ einen beherzi⸗
genswerthen Artitel, welchem wir folgende Ausführungen entnehmen:
Fragen wir uns, ob die Konkurrenz des „billiger produciren⸗
den Auslandes“ wirklich so eine erdrückende ist, daß wir an dem
ohnenden Fortbetrieb der Landwirthschaft schit verzweifeln müssen,
io läßt sich nicht läugnen, daß in Folge der in dem letzlen Jahr⸗
ehnt in Amerika und Rußland ausgebauten neuen Eisenbahnkom—
munikalion immer neue Produktionsgebiete dem Weltverkehr er⸗
chlossen werden. Soll doch Rußland in den Jahren 1865 bis
1875 sein Bahnnetz um das Vierfache seiner Ausdehnung vom
Jahre 18685 vergrößert haben.
Bei ruhiger Erwägung sind jedoch zwei Dinge nicht zu über—⸗
sehen.
Einmal haben die kolossal gestiegenen Zufuhren keinen beson⸗