St. Ingberler Anzeiger.
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AM 138. Samstag, den J. September 1878.
Deutsches Reich.
Munchen, 28. August. Bezuglich der dies jährigen In⸗
picirung der bayherischen Truppen durch den Kronprinzen des
deutschen Reiches ist nun folgendes bistimmt: Se. 1. 7 Hoheit
wird, von Stuttgart kommend, am 5. September Abends in Ulm
eintreffen und sich von da am kommenden Morgen mit Benützung
der Eisenbahn nach Roggenburg begeben, um den Feldmanövern
der 1. und 2. Division beizuwohnen. Am Abend kehrt der Kron⸗
prinz nach Ulm zurück und begibt sich dann von da aus am
Morgen des 7. September, gleichfalls mit Benützung der Eisenbahn,
ͤber Günzburg nach Roggenburg, um dem Corpsmanöver des J.
Urmee-Corps beizuwohnen. Nach Beendigung des Maudbers am
7. Seplember Nachmittags, wird der LKroͤnprinz über Augeburg
nach Berlin zurückreisen und am 8. September, mithin einen Tag
vor Eröffnung des Reichstags, dortselbst eintreffen. Zur Benützung
bet den Mansöbern sind dem Kronprinzen Pferde und Equipagen
aus dem lk. Marstalle dahier zur Verfügung gestellt. Die aus acht
Bataillonen bestehende erste Infanterie Brigade ist sammt ihrem
Stab heute von hier zu den Manövbern bei Illertssen in Schwaben
per Eisenbahn befördert worden. Da das erste Cürassier⸗Regiment
und der größte Theil der Batterien des 1. und 3. Artillerie—
RKegiments München schon vor mehreren Tagen verlassen hat, so
bestehl die hiesige Garnison zur Zeit nur aus 7 —800 Mann.
München, 29. Augdust. Der seitherige Forstmeister von
der Oberpfalz und Regensburg, Herrmann Fürst, wurde zum
Director der neuorganisirten Forstlehreransialt Aschaffenburg berufen.
Berlin, 29. August. Die Nationalliberaien des 1. Ber—
liner Wahlkreises beschlossen gestern v. Stauffenberg als Candidaten
aufzustellen. Die Forischrittspartei desselben Wahlkreises beschloß,
Ludwig Löwe aufzuftellen. Eine Versammlung nationalliberaler
Wähler des 2. Berliner Wabhlkreises beschloß gestern mit 165 gegen
101 Stimmen, ein Compromiß mit der Fortschrittspartei nicht ein⸗
zugehen, sondern selbstständig einen Eandidaten aufzustellen.
Ausland.
Gastein, 29. August. Die Bäder bekommen dem deutschen
Kaiser wie in früheren Jabren so qut, daß dieselben seit geste rn
bereits auf die Dauer von 20 Minuten ausgedehnt werden konnten.
Die erfrischende Alpenluft begunstigt“ dei der guten Witterung die
Rekonvaleszenz ungemein.
Wien, 27. August. Vor einigen Tagen wurde hierher
gemeldet, daß an der siebenbürgisch- rumänischen Grenze zwei ruͤs—
sische Spione verhaftet worden seien. Wie siebenbürger Blätter
nun melden, fand man bei denseiben Abbildungen und strategische
Beschreibungen weiter siebenbürgischer Pässe und aller Grenzbefesti⸗
gungen. Haupisächlich waren die Blodhäuser berücksichligt, außer⸗
dem fand man Landkarten und andere belastende Aufzeichnungen.
Der eine der Splone, Leopolo Hauser, soll ein Wiener sein; er
diente vor einigen Jahren als Ingenieur einer Eisenbahnbau—
Unternehmung in Oesterreich, gerieth durch deren Falliment in
mißliche Verhältnisse, war ein paar Jahre brodlos und kam voͤr
einigen Monaten nach Bulgatien, um sich daselbst bei den pro—
jektirten Eisenbahnbauten eine Sielle zu suchen. Der zweite, mit⸗
verhaftete, als Spion verdächtige Mann, Manides, gibt sich für
tinen lürkischen Hauptmann aus. Beide besitzen in Wien ausge⸗
stellte Pösse.
Paris, 80. August. Das „Amäisblatt“ schreibt: Die
Münzconferenzarbeiten sind geschlossen; internationale Abmachungen
sind nicht aus den Berathungen hervorgegaengen. Der staltgefundene
Austausch von Gedanlen und Meinungen wird aber die Regie—
rungen aufklären und das Stadium und die Lösung der Fragen,
detreffen die Geldzirkulation, in den verschiedenen Ländern er⸗
leichtern.
London, 29. Aug. Der „Daily News“ wird aus Berlin
gemeldet, daß die Großmächte beschlossen haben, die in der türkischen
Note (in Betreff Griechenlands) enthaltene Beleidigung nicht flill⸗
chweigend hinzunehmen. Principiell ist eine aktive“ uud rasche
Interdention zu Gunsten Griechenlands beschlossen worden, bezüglich
der Form sind jedoch die Verhandlungen noch schwebend.
Rermischtes.
tH. Guth, Meqhaniker in Neustadt a. H., erhielt ein Pa⸗
ent auf eine doppelwirkende Kapselpumpe mit centralem Ausguß;
d. Spöhrer, Ingenieur in Zweibrücken, ein solches auf einen
Wagoonschieber für Eisenbahnen.
F.Speyer, 30. August. Die „Ep. Z.“ schreibt: „Un—
jere Bierbrauer haben aus Anlaß des in der Pfalz eingeführten
Malzaufschlags eine Erhöhung des Bierpreises beschlossen. In den
Wirthschaften, in welchen das Bier bisher 12 Pf. kostete, wird es
vom J. September ab 13, in denjenigen, in welchen es bisher
11Pf. galt, 12 Pf. kosten.“ Und in ber „Rhpf.“ lesen wir;
„Auf die dahier von den Bierbrauern beschlossene Preis-Erhöhung
)es Bieres hin hat bereits eine hübsche Anzahl junger Leute sich
zegenseitig verpslichtet, in einem Sitze höchstens „ein Glas Bier zu
rinken, das Weitere ist abzuwarten?.
F Mannheim, 27. Aug. Die hiesige Strafkammer ver⸗
urtheilte heute den Oekonom und Kaufmann Emil Schwind von hier
vegen Unterschlagung, Untteue und einfachen Bankerotts zu 6 Jahren
uind 6 Monaten Gefängniß und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte
nuf 3 Jahre. Die Unlerschlagung ihm anvertrauter Gelder beziffert
ich auf 250 - 300,000 M. Mit dieser ungeheueren Summe will
der Angeklagte Differenzen gedeckt haben, welcher ihm durch Ankauf
zon Grundstücken, deren Werth er überschätzt hätte, erwachsen seien.
f.Mannunbeim, 28. Aug. Nacqh einer hierhergelangten
Nachricht sind zwei der unlängst durchgebraunten Kaufmann slehrlinge
in Brafilien verhaftet worden und steht deren Auslieferung in
Aussicht.
fAus Bahern, 26. August. In München hat ein
Schneidermeister seine eigene Frau wegen Beleidigung des deutschen
kaisers Jdenuncirt.
rIn Schönberg hat am letzlen Sonntag der Hjährige
Znabe des Schubmachers Bogner seinen Gjährigen Bruder erschossen.
Die Kinder spielten auf dem Dachboden mit einen alten, verrosteten
darabiner, ohne zu ahnen, daß derfelbe geladen sei. Mit einem
'ogenannten Papierkapsel entlud der Aeltere den Schuß, welcher
»en Jüngeren in den Unlerleib traf und dessen sofortigen Tod zur
Folge halte.
In Bezug auf das Erdbeben geht der „K. Zig.“ aus
Lltenessen von einem Grubendireklor folgende interessante
Mittheilung zu: „Am Wontag früh fuhren in drei hiesigen Berg⸗
verken geger 1100 Beamte umd Arbeiter an. Diefelben waren
vährend des Vormittags in einer Tiefe von mehr als 300 mthatig.
Uls dieselben Nachmittags 2 Uhr zu Tage fuhren, hatte kein einziger
pon ihnen etwas von dem Erdbeben bemerki.“ Wie die vorstehende
Potiz nur von den Wahrnehmungen spricht, welche in der Tiefe der
Erde über die Naturerscheinung gemacht wurden, so enthält die
olgende Einiges über die Beobachtungen, welches in einer Höhe von
23 m auf den Baugerüsten der Domthürme stattfanden. Die da⸗
elbst beschäftigten Arbeiter bemerkten deutlich das Schwanken der
Berüste und wurden sämmilich von einem jähen Schrecken befallen,
s überkam sie ein Gefühl, als ob sie ein heftiger Schwindel ergriffe,
ind sie glaubten nicht anders, als die Domthürme würden umer
hnen zusammenbrechen. Auf dem 47 m hohen Gewölbe des Chores
verden für Löschzwecke große Behälter mit Wasser bereit gehalten,
etzteres wurde durch die Heftigkeit der Schwankungen aus diesen
zinausgeschleudert. Mehrere im Gotteshause selbst anwesende Personen
vollen deutlich ein Wanken des ganzen kolossalen Baues beobachtet
jaben. Dieser hat glücklicherweise keinerlei Beschädigung erlitten.
Schuljze⸗Delitzsch, der jüngst so erkrankte, daß er dem Ver⸗
handstag der deutschen Erwerbsgenossenschaften in Eisenach nicht bei⸗
wohnen konnte, befindet sich auf dem Weg der Besserung. Er wurde
gestern siebzig Jahre alt.
F Der unlängst verstorbene Dr. Olio Markwald hat,
vie bie „Hamb. Nachr.“ miltheilen, von seinem 900,000 M. be—
ragenden Vermögen 30,000 M. dem Abgeordneten Lasker vermacht
ind zwar zur Verwendung im Interesse der liberalen Partei. In
durzem soll das Nähere veröffentlicht werden.
k Ein Dekret des Vräsidenten der französischen Republik vom