Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
Der St. Jugberter Anzeiger und das (Anial wo heutlich) mit denHuvkblatte verbundene Unterhaltungsblatt. (Sonntags mit illustrirter VRei 
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M 158. *Sonntag, den 63. Oktober — 1878. 
Deutsches Reich. 
München, 3. Okt. Prinz Wopoid reist mit dem heutigen 
Abendschnellzuge nach Betlin, einer Eintadang des Kaisers folgend. 
München, 3. Ott. Seit eimer langen Neihe von Jahren 
war der Einttitt von Dreijährig -Freiw-lligen, welche auf Avancement 
zum Unkteroffiziere dienen, in die Armee nicht so zahlreich, wie am 
diesmaligen l. Oltober. Als Erklärung hierfür muß einerseits die 
verbesserte pekumäre Siellung diefer Chargen und der Mangel an 
Unteroffizieren, sow'e auderseils der Umstand angesehen werden, daß 
die Nachfrage von Arbeitnehmera eine geringe ish. 
Durch das Socialistengeseß können auch die eingetragenen Ge⸗ 
nossenschaften als da sind Spare, Credite und Vorschuß ⸗Vereine 
u. s. w. in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Subcommission 
für das Socialistengesetz stellte in der vorgestrigen Sitzung den 
Antrag, bezuglich des Verbots der Genossenschastliche Kassen fol⸗ 
gende Bestimmungen in das Geseß aufzunehm u 
8 la. Die Vorschriften des 8 1 finden' auf Verdindungen 
jedet Art Anwendung. Jedoch sind eingetragene Genossenschafien 
Gesetz vom 4. Juli 1868). registrirte Gesellschaften (Gesetz vom 
23. Juni 1873) eingeschriebene Hülfskafsen (Gesetz dom 7. April 
1876) und andere selbständige Kassenvereine, weiche nach ihren 
Statuten die gegenseitige Unterstützung ihrer Mitglieder be,wecken. 
junächst nicht zu verdieten, sondern unter eine außerordentliche 
staatliche Kontrole zu stellen. 
.Diemit der Kontrole betraute Behdide ist befugt: 1) allen 
Sitzungen und Versammlungen des Vereins beizuwohnen; 2) Gene⸗ 
ralpersammlungen einzubernfen und zu leiten; 8) die Bücher, 
Schristen und Kassendestände einzuschen, sowie Auskunst über die 
Verhälmisse des Vereins zu fordern; 4) die Ausführung von Be— 
schlüssen, welche zur Förderung der im ze1, Absatz 2 bezeichneten 
Bestrebungen geeignet sind, zu untersagen; 5) mit der Wahrneh⸗ 
mung der Obliegenheiten des Vorstandez oder anderer leitenden 
Organe des Vereins geeignete Personen zu betrauen; 6) die Kassen 
in Verwahrung und Verwaltung zu nehmen. 
— Wird durch die Generalversammlung, den Vorstand oder ein 
anderes leitendes Organ des Vereins den von der Centralbehörde 
innerhalb ihrer Befugnisse erlassenen Anordnungen zuwider gehandelt, 
oder treten in dem Vereine die im g 1, Absatz 2bezeichneien Be— 
trebungen auch nach Einleitung der Konttole zu Tage, so tann 
der Verein verboten werden. — 
13. Aut Grund des Verbets sind die Vereinskasse, sowie 
alle für Zwecke des Vereins bestimmten Gegenstände durch die Be— 
hörde in Bejchlag zu nehmen. “— 
Nachdem das Verbot endgültig geworden ist, hat die von der 
Landespolizeibe doͤrde zu bezeichnende Verwaltungebehoͤrde die Ab⸗ 
wicllung der Geschäfte des Vereins (Liquidation) geeigneten Personen 
zu Ubertragen und zu überwachen, auch die Namen der Liquidaloren 
belannt zu machen. W 
ie, An die Stelle des in den Gesetzen oder Statuten vorgesehenen 
Beschlusses der General-Versammlung tritt der Beschluß der Ver⸗ 
waltungsbehzrde. Das liquidirte Vereinsvermoͤgen ist nach Maß⸗ 
gabe der Vereinssiatuten, bezw. der allgemeinen geseßlichen Bestim⸗ 
mungen zu verwenden, unbeschadet der Rechtsanspruͤche der ehemaligen 
Vereinsmitglieder odet Dritier an das chemal ge Vereinsvermögen. 
Der Zeitpunkt, in welchem das Verbot endgültig wird, ist alß 
der Zeiipunkt der Auflosung oder Schließung des Vexeins dr 
Kasse) anzusehen. Gegen die Anordnungen der Behörden finde 
nur die Beschwerde an die Aufsichlsbehötden statftftt. 
Entsprechend diesem Antrage sind im Abs. 1 der 88 2 und 
Ehinter dem Wort Verbot? eingeschaltet die Worte „und die 
Anordnung der Kontroler 
, In der Kommission stellle der Abg. Lasker den Anirag, die 
Worte „Eingetragene Genossenschaften? und registririe Gesellschafien“ 
mit den dazu gehörigen Eitaten zu streichen, weil der Entwurf eine 
droße Beunruhigung unterden Hunderttausenden von Genossen⸗ 
schaften hervorrufen werde. Troß dieses gewiß sehr berechtigten 
Kinwandes wurde der FeIla in der Fassung der Subcommission 
angenommen. 5 
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Es wird sigh nun zeigen, ob die Credit⸗SGenossenschaften diefe 
polizeiliche Beaufsichtigung widerstandslot über sich werden ergehen 
laffen, oder od sie die allerdings nur kurz zugemefsene Zeit bis zu 
den Berathungen im Reichsstag benützen werden, um gegen diese 
Eingr'ffe, wodurch ihre gapze Selbsiständigkeit vernicdtet wird, 
protestiren werden. 
—Frankfsart, 2. Ockh. Der unter der Leitung Sonne⸗ 
mann's stehende demoltatische Verein hielt gestern eine Versammlung, 
aus deren Verhandlungen hervorgeht, daß die letzte Reichstagswahl 
dem Verein 8400 Mark Koften verursacht hat. (S. Mj) 
Die frühere Kaiserin Eugenie, welche sich betanitlich zur Zeit 
jn Arenenberg aufhält, soll dort Snen sehr regen Verkehr mit her⸗ 
vorragenden Franzosen unterhalten; Wuͤnsche und Hoffnungen beim 
Regierungswechfel 1880 sollen dabei einen lebhaften AÄntheil haben. 
AD 
ardinal v. Bonnechose, mehrere Tage Gast auf dem Arenenberg. 
Vermischtes. 
fZweibrücken, 28. Sept. (Schwurgerichi.) Verhandlung gegen 
Michgel Götz, 56 Jahre alt, früher Steiubrecher, jetzt ohne Gewerbe, 
on Godramstein, angeklagt des Todtschlags, vertheidigt von Rechtscandidat 
donig. Der Angellagte hatie bis vor zwei Jahren durch Ausbeuit eines 
dalksteinbruches auf einem ihm gehörigen Grundftuͤde auf Godramfteiner Ge⸗ 
narlung einem erheblichen Verbienst. Im Sommer 1876 wnrde er durch 
jerabfatgende Stein⸗ und Erdmassen in diesem Bruche —QWo — 
dadigt, daß er mehrere Monate krank lag und in Folge geminderter Ar⸗ 
eitsfahigleit sein Geschaft als Steinbrecher: aufgeben mußte. Dieses herbe 
ßgeschick erzeugte: bei ihm Mißmuth und Lebensüberdrnß, der fich öfter in 
elbstmordgedanea Außerte. Tox zwei Jahren halle auch der Tagner Ge⸗ 
rg Knerr von Godramstein auf einem neben der erwahnten Kallsteingrube 
»es Angellagten gelegenen Grundstucke eine solche erbffnet. veide RNachbarn 
eriethen bald in Sireit, der durch Uebergreifen des Knerr auf das Gtund⸗ 
tück des Angeklagten veranlaßt wurde. Zwischen beiden Rachbarn gab es 
run, so oft beide mit ihren Ehefrauen ju gleicher Zeit auf ihren Grund⸗ 
dücken waren, Dispute, die nicht seiten zu Schimpfereien führien. Dies war 
—X abhin der Fall. Wegen einer ganz 
eringfügigen Ursache geriethen beide Eheleute in Streu. Auf eine Aeußerung 
»er Frau des Angeklagten erwiderie Knerr, «wenn sie das sagen koͤnne, sei 
ie eine „Lügensagerin“, oder „eine schlechte Fraut. Daraufhin ging der 
Ingeklagte einige Schritie zurück und holte, während die beiden Frauen wei⸗ 
er disputirten aus dem zugebundenen Aermel seines am Boden liegenden 
Vammses eine Pistole, ging' mit derselben wieder gegen Knerr vor, und 
euerte mit dem Rufe da“ aus einer Entfernung von 1 bis 2 Schrutten 
inen Schuß gegen denselben ab. Knerr taumelte schwer getrossen nach vor⸗ 
varts und stuürzte zu Boden. Der Angeklagte verlies sofort den Ort der 
That. Knerr blieb noch eine Zeit lang daselost liegen; gegen Abeud wurde 
er nach Hause geschafft, gab aber noch an demselben Abend seinen Geifl auf. 
Lach dem Ergebnifse der Section hatie die Kugel eine große für einen Finger 
eicht durdaangi Wunde auf der linken Seile des Getroffenen vetursacht. 
Die unvermeidliche und rasch eintretende Folge der Verleßung mußte der 
Tod Knerr's sein. Der Angeklagte machte auch aus seiner Thaterschaft gar 
einen Hehl. Wie er selbst angiebt, hatte er die Pistole schon Samstag den 
22. Juni zuvor mit einer Spißlugel geladen und dieselbe nach der That in 
ein nahegelegenes Fruchtfeld geworfen, wo man dieselbe jedoch später nicht 
mehr auffinden bonnte. Der Angeklagte genoß bisher einen guten Ruf und 
st gerichtlich noch nicht bestraft worden. In der heutigen Verhandlung blieb 
er Angeklagte bei seinem früher abgegebenen Geflaͤndniffe stehen. Der lIgl. 
Staats anwalt Scherer hiell die Anklage in jeder Beziehung aufrecht, wobei 
er die Annahme, mildernder Umstande dem Ermessen der Gefchworenen über⸗ 
ließ. Die Vertheidigung, geführt von Rechtscandidat König, versuchte vor 
Xllem den Nachweis daß der Angellagte die Absicht zu loden der ver ihm 
ur Last gelegten That nicht besessen haͤbe. Die Geschworenen sprachen den 
Angeklagten des Todschlags unter Annahme mildernder Umfianbe für schul⸗ 
Iran derselbe in eine Gefangnißstrafe von. drei Jahren veruribeiu 
vurde. 
7Speyer, 83. Oct. Heute Ubend halbs 8 Uhzt hielt der 
neuernannte Vischof der Didcese Speyer unter dem Gelauie der Dom⸗ 
slocken und unter Böllerfalven seinen Einzug in unsere Stadt. Der⸗ 
elbe wurde von einer statllichen Reiterschaar aus hiesiger Stadt und aus 
)en uimnliegenden Törfern begleitet. Die Straßen der Stadh durch 
velche sich der Zug bewegte, waren reich mit Fahnen und Kränzen 
zeziert. Auch der nichtkatholische Theil der Einwohner bewies 
vurch die Schmüchung seinet Häuser die Courtoisie gegen die 
atholischen Mitbürger. Um Dom gewahrte man ebenfalls Fahnen⸗ 
hmuchdabti eine maͤchtige Fahne in den deuilschen Reichsfarben, 
ie zum ersten Mal an dem jüngsten Königsfeft am Dome ausge⸗ 
leckt worden war. Hier angelangt, begab sich Bischof Ebtlet de