wenn in Gesellschaft Erwachsener dies oder jenes Thema auf's
Tapet kommt und dasselbe dann, unbekümmert um die anwesende
Moschuld“, mit einer Deullichkeit ausgeführt wird, daß Einem die
Geduund ausgehen möchte. Nicht jede Rede und Aeußerung, micht
jedes Gespruüch und Urtheil, das für das Ohr Erwachsener passend
ist, schickt sich auch für die Kinder.
Ich bade immer Resprkt vor de m Eczähler, der, bebor eine
jener schlüpfrigen Reden oder über die Grenzen des guten Anstandes
gehende Worte vom Stapel laufen, vorher klüglich das Feld
mustert und mit den Augen fragt: „Sind keineKinderda?“
Ich gehe hiebei nicht von dem frommen Wunsche aus, daß
Derlei uͤnter Estwachsenen gar nicht vorkommen soll, sondern von
der nacklen Thatsache, daß es, und zwar sehr häufiz, vorkommt,
und behaupte: es wird in den Kreisen Erwachsener, sobald sie die
Gegenwart der Kinder nicht derücksichtigen, mehr Uankraut gesät, als
sich Mancher träumen laßt. Wo ich solche unangemessenen und
—VVVV Kinder hören muß,
sommt mit's immer vor, wie wenn ein roher Babe in der milden
Frühlingszeit durch den Garten geht und gefühllos Knospen,
Blüthen und zarte Sprößlinge abschlägt. „Du Wüstling, du!“
würde Jeder sagen, der ihm zusäte. Aber — und das konnst
du vielleicht heute oder morgen schon sehen oder hören — wenn
die Allen und Erwachseuen in der oder jener Gesellschaft beisa mmen
siad, da geht dte Zunge spazieren, das fließt, was anstößig ist, da
dirb Ungewaschenes mit Glanz aufgeführt, da werd mit geistreich
sein sollendem Witz und Spott über Sitte, Zucht, Ordnung und
Anstand hinweggesezt, da wird, was Jedem heilig sein soll, wie
ein Ammenmärchen dehandelt und — Niemand siebt den roihbäci—
gen Jungen oder das blondlockige Mädchen hintendran, und doch
ist gerade an diesen eben ein schweres Verbrechen begangen worden.
Die frivolen Reden waren ebenso viele Todesstreiche gegen kindliche
Gefühle und Regungen, gegen die frisch aufkeimende Ehrfurcht vor
dem sitilich Reinen und Wohlanständigen.
Dise Kinder sind da!' das sollte manche leichifertige
Rede ersticken und Schimpf⸗-, Schelte und unfläthige Worte unge⸗
redet lassen. Gerade in dem Artikel ist das Wort am Platz: was
anus dem Munde geht, das macht den Menschen unrein.
Wie viele Eltern, wie viele Erwachsene beg'eßen in dem
Punkte ihre Kinder mit einer Fluth von Gemeinheiten und wundern
sich hernach und wollen's beklagen, wenn einmal das „Herzblätichen“
ein recht rohes Wort ausstößt. „Ach Gott, wo hat denn das
Kind das her!“ ruft die Mutter verwundert. Nun, das Kind
hat's nicht aus dem Aermel geschüttelt.
Es muß wohdl hart sein für den, der's noch füblt, wenn das
kleine Jalöbchen sich anschickkt, dem Vater ein „Trögelchen“ zu
schnitzen, aber — der Apfel fällt nicht weit vom Stamm und deine
Kinder handeln genau so, wie du's ihnen taalich und stündlich
porlebst.
Hierher gehöͤrt zuch das lang und breit gesponneße Copilel
von der „jünehmenden Rohheit der Jugend.“ Die mit
Uebereifer betriebene Anklage weiß wohl Etwas, aber sie will das
Kind nicht beim rechten Namen nennen. Was hat nicht Alles schon
herhalten müssen, um den Lagerplatz für die große Schuld der
sum Nat'onalunglück gesteigerlen Berdorbenheit der JIn—
gend abzugeben. Gelehrte und ungelehrte Laien sind mit wahrem
Behagen über dieses Thema hergefallen, um — Nechts zu beweisen
und für sich ein Entlaftungsmanual auf, ustellen. Haben sie auch
daran gedacht, daß die Jugend, mit demselden Recht wie das Lamm
zum Wolf, sagen durite: „Das Wosser fließt von Euch zu uns“??
Meine Meinung ist die: Ihr Eltern, ihr Erwachsenen, laßt das
bloße Gerede und Geschreibe! Es —
schmiedete Blitzableiter, die man verschämt auf's eigene Dach auf⸗
pflanzt. Geht in den verunremigten Tempel der Unschuld, in die
Kinderstube und sprecht dort ein reuiges „mea culpa, mea culpa!“
Oder ivollt Ihr die Vaterschaft verleugnen und sagen: unste Kin—
der sind Kinder unster Zeit? Nein, is sind Eure stinder, und
die Art ist genau so wie die Art. Mit dieser Ausrede übertragt
Ihr blos die Schuld auf ein gedachtes Findelhaus, mit dessen
vorsteher Ihr aber noch nicht geredet habt. Nutt Alles nichts!
Die Eltern, die Erwach'enen olle, die räglich vor den Augen der
seindet herumwandelnden, lebenden Muster und Bespiele, die haben
Schuld oder Verdienst, je nachdem. Habt Ihr Eure Schuld gethan,
so is's gut. Habt Ihr sie versäunit und wollt hintenher über die
ungerathenen Früchtchen in Klagen aus brecheu, so steht iht Anwalt
daneben und sagt in bitterster Ironee: „Dem Alten gerad' wie aus
dem Gesicht geschnitlen !“
Was die kleine Kinderwelt im Rücken der Tischgtesellschaften,
in der Magd- und Gesindestude, im Kenderwägelchen und auf dem
Schoß der „perfecien“ Magd, an öffentlichen Piätzen, in E sen⸗
bahnen und Wirthshäusern — aber iwmer nur von älteren und
erwachsegen Personen — ihre Jugendzeit über sieht, hört, in sich
aufnimmt, das bringt sie getreulich ihten „Meistern“ in Wieder⸗
dorlage. Die Ferwachsene Menschheit“ will deese Ausflusse gar nicht
As ihr Produkl arerkennen. Sie nennt das in zweter und ver⸗
nehrter Auflage erschienene eigene Werk: „Rohheit der Juzend“
ind schieht es einem fremden Verleger unter.
Die Kinder find da! Mögten das die Eltern be—
onders auch dann beherzigen, wenn sie Gelegenheit nehmen, üder
Schule und Lehrer, über Kirche und Geistliche zu sprechen. Ein
ibfälliges Urtheil, e ine ungeredte Kritik, eime verächtliche Be⸗
nerkung vor den Ohren eines Kindes, und du kannst sicher darauf
ählen, die Wirksamkeit des Lehrers auf lange Zeit mit Erfolg
intergraben zu haben. Die Lehrer sind ja keine Heiligen, und
infehlbar sind sie auch nicht. Aber müssen denn absolut die Kin⸗
der dabei sein, wenn du Grund hast deine Unzufriedenheit auszu⸗
»rechen; dieselbeu Kinder, diee morgen wieder sich dem also
Herunterzesttzten“ vertrauensvoll, mit ganzer Seele und mit
Janzem Gemüthe hingeben sollen?
Und wenn du auch nicht selbst ein Freund von des Pfarrers
angen Predigten bist, es ist darum noch kein Gebot fur dich, über
irchliches Wesen, Sitten und Gebräuche, über Religion und reli—
ziöse Dinge in Gegenwart deiner Kinder zu witzeln und zu spötleln.
3 ist recht, daß der Verständige verständig sieht, aber laß
nir des Kindes kindlich Gemüth! Das gereifte Herz hat
eine Weihestunden in anderer Weise, warum aber willst du die
der Kinder frevelhaft zerstören und ihr Heiligtzum schänden?
Eins scheckt sich nicht für Alle! Möchte jeder Erwachsene das
zeherzigen. Was du ganz qut verdauen kannst, bringt deinem
Zinde den Erstickunggßtod, und was deinen alten, wetterharten
Muskeln Auregung und neuen Reiz gibt, ist füe die Kleinen —
Hift. Sei darum iecht behutsant in allem Thun und Reden, wenn
zu unter der zarten Jugend lebst, und laß dir immer Maß und
sichtschuur geben von der ernsten Mahnung: „Die Kinder
ind da!“ H. Krebs.
Rermischtes.
F Homburg, 12. Nov. Dem Vernehmen nach sollen sämmt⸗
liche Distrikts-Straßenalleen in den Distrikten Homburg, Lendftohl
und Waldmoher vollständig mit Obftbäumen bepflanzt werden.
FKirchheimbolanden, 11. Nov. Nädhsttommendes
Frühjahr, nämtich am 30., 31. März und 1. April, an welchem
Tage zugleich die Verloosung stat'findet, wird in unserer Stadt
die 2. allzemeine pfäl,ische Geflügel- urd Vogel-Ausstellung abge⸗
hzalten. Die Ausstellung umfaß!, wie zu Kaiserslautern, 7 Gruppen:
) Häühnervogel, 2) Tauben, 8) Wasseroözel, 4) Sings und Zier—
»ögel, 5) Produlte der Geflügelzucht, gemästete Thiere, Federn,
Fir ꝛe. 8) Lehr; und Uszerrichtsmittel, als die einschlägge Lite—
ratur, Modelle, graphische Darstellungen, Statistik, Vogelschutz
1. s. w., 7) Gerathe, Ukensilien und Futterstoffe, Trink⸗ und
Futtergeschitr, zääfige und dergleichen. Die Localitäten hiesür bilden
die Turnhalle und die Chormann'schen Käumlichkeiten.
F In Ludwigshafen wird die Wiedereinführung des
Octroi und Pflastergelsdes angeregt. Man ist dort zu der Einficht
jekommen, daß die Aufhebuug des Ocktroi die erwarltete Herab⸗
ninderung der Preise nicht im Gefolge hatte.
F Speier, 12. Nov. Gestern hat im Saale des Wittels
zucher Hoses dahier die Prüfung der zu einjährigem Militärdienste
Udspirirenden ihrcn Ansang genommen. Bon 26 zugzelaffenen
xẽxaminanden haben sich 23 der Prüfung unterzogen. Für den
eutschen Auisatz waten folgende Themata gegeben; 1) Ein treuer
Freund, drei starke Brücken, in Freud', in Leid und hintemm
stücken. 2) Wer übder Langweile klagt, klazt sich selbst an. 8)
xine halbe Stunde auf eipem Bergesgipfel dei günstiger Fernsicht,
der: eine halbe Stunde am Bahnhofe einer größeren Sitadt.
In Wiesbaden, hatte ein Bürstenfabrikant 200 N.
n Scheinen, die in einer Blechbüchse eingeschlossen waren, im Ofen
erwahrt. Beim Eintritt der kalten Witterung machte er Feuer im
Dfen, ohne an das Geld zu denken. Als das Feuer hellauf brannte,
iel ihm die Blechtüchse ein, aber zu spöt, denn die Markscheine
varen verlohlt.
4 Ein Rheiländer, der seine Hochzeitsreise nach Konflanlinopel
Jemacht hatte, wollte seinem Freunde für seine Waffensammlung
ine ächte Damascenerk!'nge mitbringen. Man fühcte ihn in einen
Bazar, wo ein alter Muselmann in orientalischer Grandezza kauerte.
Vor ihm lagen auf rothem Seidenteppich die berühmten Klingen
der Siol, des Orients. Der Käufer meinte einem Reisebekannten
Jeçenüber: „Die Klingen sind gewiß sehr schön, aber ich glaube.
ie könnte ich zu Hause in Soungen eben so qut kaufen.“ Wir
estaunte et, als durch die heimathlichen Laate geweckt, der Türlt
mit einem Male lebendig wurde und die gewichtigen Worten sprach
ẽt sin ut Soling!
FDufsseldorf, 2. Nob. Der Schauplatz einer unfte
vill'g komischen Scene war gestern Abend der Perton des Bergisch
Marlischen Bahnhofes. Gegen 99. Uhr standen zwei Züge got
ast gleichze ligen Absahrt bereit, und die Passagiere hatlen schon
Platz genommen. Ein Herr nur war aus dem einen Zuge wiede
Frausdestiegen, um sic beim Scbaffnet irgendwelche AÄuslunlleza