St. Ingberler Anzeiger.
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MA 182. Sonntag, den 17. November 1878.
Deutsches Reich.
München, 18. Nob. Trüde Zeitungen zu lefen, macht
kein Vergnügen, trübe Zeitungen zu schreiben, aber noch viel weniger.
Daß das bayerische Staatsbudgel vor einem dedenklichen, nicht eben
tleinen Deßeit steht, ist von den schlimmen Neuigkeilen die neueste
und schlimmste. Das Reich will neue Steuern einführen, die
Einzelstaaten sehen fich in die Nothwendigkeit versetzi, ihre Einnahmen
zu vermehren, aber die Masse der Steuerzahler, welche zu den alien
auch neue Lasten tragen soll, befindet uͤch in derselben Lage wie
Reich und Einzelstaat: auch ihr Budget hat mit einem Deficit zu
kaämpfen in Folge der geschäftlichen Krisis, die alle Welt bedrüdl.
Unter solchen Umständen möhte wohl Niemand gern Finanzminister
sein. Denn wenn auch hie und da von Steuerreformen gespro hen
vird, im Grunde genommen handelt es sich do h überall nur um
Steuervermehrungen, und daß letztere nicht gern gesehen, nirgends
mit Freuden begrüßt werden, ist eine alte Sache. Man spricht u.
A. von der Einführung einer Branntweinsteuer, gegen die sich aller⸗
dings an sich nichts einwenden ließe — abet wird deren voraus—
sichtlich geringer Ertrag genügen ẽ Wir glauben nicht. Mache man
sich darum auf Steuervermehrungen und Steuererhöhungen gefaßt
— es muß das doch einmal klar herausgesagt werden.(Pf. 4.)
—Aus München, 18. Novemsber schreibt man dem „Frl.
Nur.“:: Der Gesetzgebungsausschnß der Kammer der Abgeordneten
erledigte heute den zurückgestellten Art. 42 des Ausführungsgesetzes
zur Civilproceßordnung, indem er dem Antrage Durrschmidt ent-
sprechend die Verjährungsfrist für das Anfechtungsrecht von Hand⸗
sungen des Schuldners außerhalb des Concurses von 10 àauf 8
Jahre herabsetzte. Der gestern zurückgestellte Att. 68 — Kraftlos⸗
erklärung von Utlunden — gelangte unverandert zur Annahme,
jugleich aber auch ein Antrag des Abg. Frankenburger, wonach an
die Krone die Bitte zu stellen ist, daß die Fragen der Amoriist?⸗
darleit der auf den Inhaber iautenden Obligalionen und Actien
erwogen und edentuell dem Landtage eine entsprechende Geseßesvor⸗
age gemacht werde. Der 5. Abschnitt — Bestimmungen für die
Pialz — wurde im Wesentlichen uͤnderändert angenommen. Leb.
hafter Streit entspann sich über Art 220, welcher die Bestimmung
der rechtsrheinischen Gesetzgebung, daß über alle das Eigenthum un⸗
beweglicher Sachen betreffenden Vertrage bei Strafe der Nichtigkeil
Rotariatsurlunden zu errichten sind, auch auf die Pfalz überträgt. Die
beiden Pfälzer Schmidt und Horn bekampfien sich gegen'eitig, indem
der Erstere diese Neuerung als unannehmbar, der Andere füͤr er⸗
wünscht und zwedmäßig erklärte. Nach langem Hin⸗ anr Herreden
zog Schmidt seinen Antrag zurück.
Der Erzbischof von Bamberg ist nach einer roͤmischen Corre⸗
ipondenz der K. Z. Ueberbringer kines Bricfes des Papftes an den
König von Baiern gewesen, worin der Papst seinen Dank aus An⸗
laß der glucklich erledigten Angelegenheit der Besetzung der vakan⸗
len bischöflichen Stühle ausspricht.
Der Dundesrath beschioß am Freitag die Wiederherstellung
— Zündhoͤlzer.
—A Auswärtigen Blättern wird von
Berlin gemeldet: das Defizit des preuß schen Etats pro 1879/80
etrage 78 Millionen Mark, wovon 70 Millionen durch eine An⸗
leihe gededt werden sollen. Seinen Haupigrund habe das Defijzit
in den geringen Einnahmen der Siaatsbahnen. Verschiedene An⸗
ãufe von Privatbahnen werden demnächst das Loch noch detgrößern.
Ausland.
In rußsfischen Kreisen wird jet von Ge nif aus eine kleine
wussisch geschtiebene Broschure don N. Dr agomanoff unter
dem Titel: „Was haben wir exlämpfl ?“ geheimnißvoll zu verbreiten
gefucht. Die Broschüre ist haupisächlich fur die Verbreitung unter
der tussischen Armee bestimm. Der Uutor sucht nachzuweisen, wie
hlecht die russische Poliut gegenwärtig geleitet werde und welche
Mifßersolge der leßte Krieg dem Cyarenreiche eingetragen. An einer
Stelle des Pamphlets heißt es vom Dreitaiservunde, „Alle Dre
sind Nemzu“ (Deutsche), — die Haupt⸗Pointe der Schrift gipfell
n folgendem Satze: „Rach dem Befreiungskriege im Jahre 1814
ebrte die rulsische Aemeer aus Euroba zurück, wo sie Gelegenheilt
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als bei uns, in Rußland, und die Folge davon war — der
Dezember⸗Aufstand im Jahre 1825 in Petersburg. Auch den jüngsten
Feldzug nach der Tuürkei wußte sich der russische Soldat in eben
dieser Weise zu Nutzzen zu machen. Er hat gesehen, daß es in den
Ländern, die er befreien sollte, troßdem besser bestellt war, als in
seiner russischen Heimath. Mag eer daher wissen, was er zu thun
hat, wenn ihm nunmehr kommandirt wird, auf seine bdürgerlichen
Brüder zu schießen.“
Vermischtes.
fKaiserslautern, 13. Nov. (Jur Warnung.) Der Kai
sersl. Ztg.“ wird geschrieben: „Unter den Nahrungsmitteln, welch
den Kindern als sheilweiser Ersaz der Muttermilch dienen können,
ist Nestle's Kindermehl sicher eines der vorzüglichsten. Da indessen
in letzter Zeit mehrmals Originalbüchsen mit sauerem Kindermehl im
dandel vorgelommen sind, dieses sauere Mehl aber den Kindern
Abweichen verursacht, also unter Umständen sehr schädlich wirken
ann, so machen wir sowohl Verkäufer als Kaufer, beide in ihrem
igenen Interesse, darauf aufmerkam, sich vor Abgabe, beziehungs⸗
veise Aunahme sauren Kindermehls zu hüten. Die beste Vorsichts⸗
naßregel ist, die Büchse vor den Augen des Verkäufers und des
äufers zu öffnen und sich durch den Geruch von der Güte des
Mehls zu üderzeugen. Riecht es läseartig, so ist es unbedingt zu
ꝛerwerfen. Der Verkäufer soll die Büchse dffnen, um sich vor
Strafe zu schützen, der Kaufer soll darauf dringen, daß die Buchse
por seinen Augen gedffnet wirb, um sein Kind vor Schaden ju
bewahren. —
Kaiferslautern, 18. Nov. Der Tischlerverein da⸗
hier wurde heute vom Bezirksamt aufgelbst.
rLandau, 15. Nov. Im Postwagen des von Neustadt
lommenden Naqsschnellzuges war in vergangener Nacht Feuer aus⸗
gebrochen. Die betreffenden Postbeamten warfen die in Brand ge⸗
rathenen Papiere ꝛe. aus dem Wagen, wodurch einer weiteren Aus⸗
dehnung des Feuers Schranken gesezt wurden. Wie groß der an⸗
gerichtete Schaden ist, konnten wir noch nicht erfahren. (Eilb.)
t Offenbach, 12. Nov. Heute wurbe hier ein Siro⸗
mer wegen Beltelns zur Haft gebracht, der nicht weniger als 600
Mart in Gold und eine nicht unerhe diiche Summe in italienischen
Coubons bei sich führte.
FSpeyer, 14. Now. Von den 23 jungen Leuten, welche
sich der in den letzten Tagen dahier abgehaltenen Prüfung zum
Einjährige Freiwilligen Milidardienst unterzogen, haben dieselbe 8
bestanden, 15 mußten als ungenügend vorbereitet zurückgewiesen
werden (pf. 3)
T.Speyer, 14. Nov. Die dieslährige Hauptversammlung
des pfaͤlzischen Sangerbundes wird Sonntaz, den 24. November,
in der Bauer'schen Wirthschaft zu Haardt abgehalten. Die Tages⸗
ordnung enthält: 1. die Entgegennahme des Jahresberichtes, 2. die
Abhaltung des Sängerfestes, 3. die Bescheidung der Rechnungen
und 4. die Festsehzung des Voranschlageeä8. (Sp. Z.)
7Warzburg, 12. Nov. Herr Dr. Welp Professor der
Augenheilkunde wurde heute Morgen iodt im Belit⸗ gefunden.
föFrantfurt, 18. Noo. Ende dieses oder Anfang kom⸗
menden Monats findet hier die Zusammenkunft der Delegirten von
fämmtlichen Krieger⸗Vereinen Deutschlande statt. Bezweckt wird
die Schließung eines allgemeinen Verbandes unter einem bom Kaise t
zu ernennenden Protector.
7 In Frankfurt a. M. ist der „Schreiner⸗Gesangberein“,
der „Arbeiter⸗Sängerbund des Maingaues“, der Gesangverein
„Alpenröschen“?, der Gesangverein „Freundschaftsbund“, der Ge⸗
jangverein der Spengler, der Gesangberein „Tonkunst“, der Gesang⸗
verein „Lassalliana?, der „Dramatische Elub Herwegh“ und die
doctige Mitgliedschaft des „Allgemeinen deutschen Schneidervereins“
von der lgl. Regierung zu Wiesbaden auf Gtund des Socialisten⸗
gesetzes verboten worden.
Große Heiterkeit rief dieser Tage ein Zwischenfall in der
badischen zweiten Kammer berbor. Mag dehattitie über die Aule-