„ngberler nzeiger.
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1878.
A 189. Samstag, den 830. November
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Deutsches Reich.
München, 26. Nov. In der heutigen Sitzung des Ge—
setzgebuungsausschusses kam die Titelfrage zur Sprache. Hienah
ollen alle Richter, die bei den Amtsgerichten angestellt sind, einfach
„Amtsrichter“ heißen, ohne daß „Oberamtsrichter“ ausgeschieden
werden. Die Richter der Landgerichte sollen aber nicht „Landrichter“
vie in Preußen, sondern „Landgerichtsräthe“ heißen, da man bei
uns zu iange gewohnt ist unter „Landrichter“ den Richter der un⸗
lersten Insianz zu verstehen. Zu Art. 34 wurde ein von der kgul.
Staatsregierung eingebrachter An'rag einstimmig angenommen,
velcher den Zweck hat, in Beziehung auf die Adurtheilung der
Preßdelikte durch die Geschwornen das gelteude bayerische Recht
unberührt zu belassen, und also jene Preßreate von der Aburtheil⸗
ung durch Geschworne auch in Zukunft auszuschließen bei denen
zes sich um einfache Beleidigungen nach 8 1885 des Strafgesetzbuches
handeit. Dagegen wurde von der Staatsregierung anerkannt, daß
hie Zuständigkeü der Geschworenen, wie sie bisher bestanden, unbe⸗
rührt bleiben soll. Im übrigen wurden die Titel III (Amtsge⸗
richte), IV (Schöffengerichte), V(Landgerichte), VI (Schwurgerichte),
VII (Oberlandesgerichte), VIII (Oberstes Landgericht) bis zu Art.
19 mit unwesentlichen Aenderungen nach dem Entwurf ange⸗
nommen.
Berlin, 26. Norp. Im Abgeordnetenhause fand heule
»or vollen Tribünen die Berathung über die Interpellation der
Abg. v. Schorlemer und Genossen statt. Gegen die Interpellatton
sptach namentlich Abg. Meyer (Breslau). Hundt v. Hafften führte
u. A. aus, daß der Wucher da am meislen grassire, wo Ultra⸗
montanismus und Polonismus sich die Hände reichen und der
Wunderschwindel zu Hause sei. Windthorst Gielefeld) erklärte,
»aß die schmutzige klerita!e Lotalpreffe die Wuchergesetze bearbeite,
um gegen die Juden loszuziehen; es wäre daher aufrichtiger ge⸗
vesen, wenn v. Schorlemer in seiner Interpellation vor dem Worte
Wucher das Wort „jüdischen“ kingeschaltit hätte. Diese Bemerk⸗
ung gab dem Abg. Schröder-Lippftadt Veranlassung, schwere An—
lagen gegen die Juden zu erheben, denen es zur Gewohnheit gee
vorden, Wuchergeschäfte zu treiben und die wegen ihrer Ausschlach⸗
lung der Bauern durch königliche Kabinetsordres zur Einschräukung
hrer Gewerbe angehalten wurden. Herr Schröder sprach von
Gernichtung dieser Rotte Korah, oft vom Biisall seiner Freunde
interbrochen; die linke Seite des Hauses wurde unruhig. Der
Abg. Dohrn eilte auf die Rednertribüne und rief dem Abg. Schrö⸗
ver unter dem lauten Widerspruch des Centrums zu: „Sind Sie
nit Ihrer Judenheße denn noch nicht fertig?“ Die Freunde der
Interpellation wiederholten oft getörte Sätze. Es sprachen ferner
rür die Beseitigung der Wucherfreiheit v. Peyer-Arnswalde, der
seine Rede damit schloß: D'e Freiconservativen würden doch manch—
nal Minister, die Nationalliberalen nie; Reichen perger unter Ver⸗
veisung auf das kanonische Recht, v. Wedell Malchow. Sehr ge⸗
paunt war man auf die Erkiärungen der Staatsregierung, die sich
mn überaus gewundenen Redentatten bewegten. Bemerkenswerth
war u. A. die Ecklaͤrung des Justizministers, es seien weder an
»zas Justiz- noch an das Handelsministerium irgendwelche Anträge
und Pet ionen um Aufhebung des Reichsgesetzes gelangt. Das
zier und eine halbe Stunde waährende Redeturner war sehr heiß
ind namentlich ergab es viele perfönliche Bemerkungen. Morgen
vird das Haus in die erste Lesung des Staatshaushaltsetats ein⸗
reten.
Berlin, 27. Nov. Der „Nordd. Allgem. Zig.“ zufolge
Jenehmigte der Kronprinz als Protektor der Kaiser-Wilhelm-Spende
zie Bildung einer aus angesehenen, theils mit den Arbeiterverhält⸗
nissen, theis mit dem Versicherungswesen besonders vertrauten Per⸗
onen bestchenden Kommission, welche über die Nutzbarmachung der
jesammeiten Gelder berathen wird. Zum Vorsiteuden dicser Kom—
nission hat der Kronprinz dea Feldmarschall Grafen Moltke ernannt,
mit der Ermächtigung, sich seinen Stellvertreter zu substituiren. Zu
Mitgliedern der Kommission wurden ernannt Bürgermeister Dunker,
Delbruck, Gneist, Schulze⸗-Delitzsch, Sombart, Engel, Stumm,
Boͤhmert (Dresden), Justizrrach Stämmler, Heyne (Leipzig), Fabri⸗
ktant Winenstein (Barmen), Prof. Dingler (Karlsruhe), Rechtsan⸗
valt Hoͤlder (Stuttgart), v. Cramer⸗Kleit (Nürnberg), Bantdireltor
„Scdhauß (München), Rechtsanwalt Freytag (Augsburg), Fabrik⸗
zesitzer Schlumberger (Mülhausea); ferner zu Reserenten für bez.
Ressorts Geh. Rath Neberding für das Reichskanzleramt, Geh.
Raih Lohmann für das Handelsministerium, die Geh. Räthe
Kibbeck und Forch für das Ministerium des Innern. Die Mit⸗
lieder der Kommission sind zu einer ersten Beralhung auf den
3. Dez. in das Herrenhaus eingeladen.
Der Entwurf einheitlicher Normen für die Instruktion der zur
Beaufsichtigung des Fabrilwesens berusenen besonderen Beamten,
)essen Fertigstellung seit einiger Zeit erwartet wurde, ist nuunmehr
denn Bundesrathe zur Beschlußfassung vorgelegt worden. Der
skcichskanzler schiägt vor, daß der Bundesrath bei der Beschluß
assung zugleich feststellen wolle, daß als Aufsichtsbeamten in der
Kegel nur Personen mit wissenschaftlicher Vorbildung angestellt
verden sollen, melche entweder eine höhere technische Lehranstalt ab⸗
olvert und bereits einige Zeit als technische Beamte oͤffentlich oder
ztivatim thätig gewesen sind, oder welche mehrere Jahre eine
srößere gewerbliche Anlaçe mit technischem Betriebe selbst geleitet
aben, sowie ferner, daß für die unter Aufsicht der Bergpolizei⸗
Fehörden stehenden Anlagen die Bergrebierbeamten als Au'sichtsbe—
mie berufen werden sollen und den Bergpolizeibehbrden überlassen
leibe, die etwa nöthigen Instruktionen unter Berücksichtigung der
om Bundesrath füc die Aufsichtsbeamten im Allgemeinen festge⸗
tellten Normen zu erlheilen.
Es mird mitgetheilt, dak der sich fühlbar machende Mangel
m Silbermünzen die Regierang des Königreichs Sachsen veran⸗
aßt habe, im Bundesrathe eine nicht unbedeutende Bermehrung der
Silbermünzen in Vorschlag zu bringen. Diese Vermehrung würde
rst nach einer Abänderung des Münzgesetzes zulässig sein, welches
elannibich festsetzt, daß für den Kopf der Bevölkerung nur höch—
tens 10 Mark an Silbergeld ausgeprägt werden sollen. Dieser
Zetrag ist jetzt ungefähr erreicht, und es soll deßhalb z. B. in den
zreußischen Münzstätten im nächsten Jahre kein Silber ausgrprägt
verden. Sachsen hat schon einmal im vorigen Jahre den Antrag
zestellt, den Satz von 10 Mark auf 15 Mark zu erhöhen, ist aber
hamit im Bundesrath nicht durchgegangen. Auch jctzt wird wahr⸗
cheinlich wieder ebenso entschieden werden, zumal es feststeht, daß
neben den Reichssicbermünzen noch etwa 400 Millionen Mark in
eutschen Silberthalern und 90 Miillionen Mark in österreichischen
Thalern im Reichsgebiete im Umlaufe sind.
Ausland.
Madrid, 26. Nov. Das Journal „Epoca“ äußert hin⸗
htlich der Aufnahme von Mitgl'edern det Internationale in der
S„chweiz: „Europa kann nicht dulden, daß das Asylrecht für die
5ztraflosigkeit der Vershwörer gegen die sociale Organisation ver⸗
verthet wird; die Schweiz muß begreifen, daß diese Sachlage große
Befahcen hervorbringen kann.“
Rom, 26. Nov. Von den bei dem Bomden-Altentate in
Florenz Verwundeten siud zwei weitere Personen gestorben.
Vermischtes.
F Eine Beilage zu Nre. 65 des Kreisamtsblattes enthält die
wischen der k. Kreisregierung und dem Confistorium vereinbarte
Instruction für die Ertheilung des protestantischen Religionsunter⸗
richts in den deutschen Schulen der Pfal z. Wir heben hervor,
zaß diese Instructien besonderes Gewicht darauf legt, daß bei dem
Keligionsunterricht nicht ein bloser Mechanisnus und blos gedächt⸗
iißmäßize Auffassung Platz greife, sondern wirkliches Verständniß
ermittelt werde; es soll daher nichts auswendig gelernt werden,
voas nicht vorher wiederholt und gut gelesen und, der Fassungs⸗
raft der Kinder entsprechend, erklärt worden ist. Was insbeson⸗
yere die biblische Gesschichte belrifft, so soll, einzelne genau bezeich⸗
nete Aussprüche und Weissagurgen abgercchnet, nicht förmlich aus⸗
vendig gelernt werden, dem Auswendiglernen von Liedern fsoll erst
viederholles Lesen und Erklären in der Schule vorangehen, im
ratechismus sollen vorzüglich die Bibelsprüche nach vorangegangener