Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
Der St. Jugberter Anzeiger und das (2 mal wöchentlich) mit dem Haupiblatte verbundene Unterhaltungsblatt, Sonntagß mil illustrirter BRie⸗ 
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M 23. Saustag, den 8. Februr 1878. 
Deutsches Reich. 
Mäünchen, 3. Febr. „Die Bilanc'rung des bahyerischen 
Budgets für die XIV. Finanzp riode.“ So betitelt sich eine so⸗ 
eben vertheilte Abhaudlung des Abgeordneten Schels, welche gegen⸗ 
uber den Vorschlaägen der Staatsregierung neue Antcäge nebst Mo⸗ 
iben enthält, wie das vorhandene Deficit gedeckt werden soll. Von 
der Ansicht ausgehend, daß das Deficit ein vorübergehendes sei, 
schlägr dir Ab,eordnete Schels primär die Aufnahme einer Anlerhe 
bor.“ Sollte dieser Antrag abgelehnt werden, so beantragt er Er⸗ 
höhung der besteh⸗nden Erbschaftstaxe und bringt zu diesem Zweck 
pbleichzertig zu dem Gesetzentwurf über die Tox und Stempelgefälle 
einen Zusrartikel, aus zwei Paragraphen uand mehreren Unier— 
abtheilungen bestehend, ein. Schels spricht sich in dieser Abhandlung 
mit aller Energie gegen die Echöbung der diretten Sieuern aus, 
ist abder füt Erhöhung der Tax- und Stempelgefälle sow e für Ein⸗ 
jührung des Malzauischlages in der Pfalz. Die gnnze Frage wird 
in der Kammer jedenfalls zu umfassenden Debalten führen. 
München, 4. Febr. Der Finanzausschuß hat u. A. auch 
die Einstellung füt jedes der zwei Jahte der neuen Finanzperiode 
42,900 M. bewilligt für allmäblige Erwerbung und Herstellung 
von Bezirlsamtsgebäuden in der Pfalz. 
Berlin, 3. Febr. Die Ansprache, welche Gtaf Saint⸗ 
Vallier, der neuernannte französische Botschafter in seiner Antritts⸗ 
audienz an den Kaiser richtete, lautete der „Nat.Ztg.“ zufolge: 
Majestät! Indem mir die hohe Aufgabe, —5 bei Ew. 
Kaiserlichen Majestät zu vertreten, anvertraut wurde Mst mir eine 
Ehre erwiesen, deren Werth ich tief fühle, zumal in dieser Audienz, 
in welcher mir gestatte! ist, Ew. Majestät den Wunsch wedhsel⸗ 
seitiger Uebereinstimmung und herzlichen Einvernehmens auszudrücken, 
bon welchem die Regierung der fr. Repudlik dem Deuischen Resche 
gegenüber besrelt ist. Die Gefühle der fr. Regierung entsprecen 
denjenigen der Nation, welche die Wohlthaten eines dauernden 
Friedens nach außen und gesicherter Zu äände im Innern anstrebt. 
Frankreich, ausgestattet mit einer republ kanischen, parlamentarischen, 
freisinnigen und konservativen Verfassung, bekennt in Beziehung zu 
allen Nalionen freundschaftliche Gesinnungen und hofit, bei den 
fremden Herrschern und Regierungen Gesinnungen zu begegnen, 
welche denjenigen ähnlich sind, die es ihnen gegenühder beseelen. 
Ew. Majestät möge mir gestatten, beizufügen, daß, was mich selbst 
anbelangt, meine alten Sympathieen für Deutschland, die innigen 
Verbindungen, welche ich hier bewahrt hade, die Friedensmission, 
mit wilcher mich Herr Thiers 1871 betraut hatte, in Einem Wort: 
meine ganze Vergangenheit mich als Dolmetsch einer freundschaft 
lichen Poltik bezeichnen. Ich din glücklich, daß ich die Ehre habe, 
deu Ausdruck einer solchen an Ew. Maäajestal zu richten. Ich wage 
zu hoffen, daß Ihr hodes Wohlwollen mir ermöglichen wird, die 
mir auvertraute Aufgabe mit Erfolg auszuführen. Ich habe die 
Ehre, Ew. Majestat die Schhreiben zu üderreicen, welche mich bei 
Ihnen deglaubigen. 
De Antwort des Kaisers lautete: 
Herr Botischafter! Die Gedanken, welche Sie ausgedrückt 
haben, stimmen mit weinem Wunsche überein, Frankreich unter die 
befreundeten Nachbarn Deuischlands zählen zu köngen. Durch die 
Wahl Ihrer Person hat der Herr Präsident der Republik bekundet, 
und ich konst tire es mit Genugthuung, wie seht auch er dareuf 
Jalt, die guten Besiehungen zu erhallen und zu betonen, welche 
den Interessen beider Lander entsprechen unb zu deren Begründung 
Sie bereis in einer schwierigen Epoche beitragen konnten. Seilen 
Sie im voraus, Herr Botschafter, der Mitwirkung meiner Regierung 
versichett in Allem, was die Beziehungen guter Nachbarschafi 
zwischen dem Deuischen Reiche und der fr. Republik erhalten und 
befestigen fann. 
Berbhin, 6. Febt. Die Erdffnung des Reichstages fand 
lutz nach 2 Uyr im weißen Saale des koͤniglichen Schlosses statt. 
Etwa 50 Reichstagßabgeordnete waren anwesend. Der Bundesrath 
itat urter Führung des Vicebrasidenten des preußischen Ministeriums. 
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Tamphausen ein und ffellte sich links von dem verhüllten Throne 
auf. Am Schluß der von Camphaufen verlesenen Thronrede er⸗ 
önte Beifall; der Minister erklärte die Session für eröff et, worauf 
9. Forckenbeck ein dreimaliges Hoch auf den Kaiser ausbrachte. 
Die erste Sitzung des Reichsstages begann gegen 8 Uhr 20 
Minuten v. Forckenbeck fung rie wiederum vorläufig als Präsident. 
fingegangen sind: Die Rechtdanwaltsordnung, die Rechnungen der 
Oberrechnungskammer. Casse pro 1875, die Gesetzentwürfe betr. den 
Spielfartenstempel und die Aufnahme einer Anleihe, sowie der ge⸗ 
ammie Reichshaushaltsetat nebst Aulagen; die Ankündi ung der 
etzzenannten Vorlage wurde mit Beifall aufgenomnmen. Der Nauens⸗ 
zufruf ergab 216 Anwesende, also die Beschlußfähigkeit des Hauses. 
dächste Sitzung morgen 2 Uhr Nachmittags. Tagesordrung: Präst 
dentenwahl. 
Gegen die Tabaksteuererhöhung hat im Bundesrath u. A. 
zuch Mecklenburg gestimmt, das sonst mit Preußen durch Dick und 
Ddünn geht. Der buaherisch-badische Antrag auf nur mäßige Ers 
öhung fiel hauptsächlich auf die enerzische Bekämpfung von Seiten 
Preußens. — Der würtembergische Tabak nonopolantrag ist dem 
Bundesrathsausschusfse mit dem Auftrage überwiesen worden, sich 
zuch noch über weilere Steuerprojelte zu äußern. 
Der preaßische Antheil an den Ersparnissen aus den von 
Frankreich für die deutschen Okkupationstruppen gezahlten Verpfle⸗ 
zungsgeldern soll, wie solgt, verwendet wetden: Zur Bildung eines 
Barantiefonds der Lebensversicherungsanstalt für die Aemee und 
Narine 3 000,000 M.; zur Bildung eines UÜnlerstützungssonds 
ür altive Oifiziere und Oifiziersasp rantken 1500,000 M.; zur 
Inldung eines Unterstützungsffonds für Unteroffiziere 7,218,300 
M.; als Kapitalfonds für Zwecke des Kadettenkorps 2.550 000 
N.; Zuschuß süt das Potsdamer Militärwe senhaus und das 
dnaben⸗Erziehungs⸗Institut zu Aunaberg 8,013,200 M.; zur 
herrichtung und Ausstattung von Dienstwohnungen für Generäle 
ind von OifiziersSpe seanstalten 2,620.000 M. Zusammen 
9.,799,100 M. 
Cannstatt, 4. Febr. Um der wachsenden Noth der 
irbeitenden Classe möglichst zu helfen, hat sich nunmehr eine Anzahl 
siesi er Herren und Frauen vereinigt, eine Supprenanstalt zu er⸗ 
ichten, in welscher für 10 Pf. eine guie Portion Suppe zu haben 
ein wird. Die Stadt wird die Localtäten dazu hergeben und 
ie Frauen des Vereins werden adwech langsweise die tägliche Auf⸗ 
icht der Anstalt übernehmen. Den reisenden Handwerksburschen 
vird statt des Stadtgeldgeschents Nohrung gegeben werden. Ob 
nan hierdurch von der immer mehr uberhand nehmenden Last der 
Bettler erlöst wird, mag zu bezweißeln sein, denn diese wellen nicht 
olos essen, sondern auch und hauptsächlich trinken. Die Arresie 
ind immer so voll von Bettlern und Landstreichern ꝛc., daß die Be⸗ 
hörden kaum medht wissen, wo sie dieielben unterdringen sollen. 
(S. M.) 
Straßburg, 5. Fibr. Wie der hiesige Korrespndent 
der „Karlst. Itg.“ vernimmt, werden im Reichstage drei Projekte 
zu Eisenbahn-Neubauten im Reichslande vorgelegt werden. Die— 
eben betreffen die Linien Carlingen Diedenhofen, Chateau Salins⸗ 
Saarolben und eine direkte Verbindung der aus der bohyer'schen 
Rheinpfalz in Saargemünd einmündender Bahn mit der Linie 
Zaargemünd⸗ Saarburg. Dee letztgenannte Verbindungsbahn hat 
ich als Folge der beschräukten Bahnhofaulagen in Saargemünd 
erausgestellt. 
Aussland. 
Wien, 6. Febr. Briechenland erklärte, daß es die Feind⸗ 
eligleiten einstellen wolle, nachdem Rußland und Oesterrisch die 
Zusage gegeben, Griechenlands Interessen auf der Conferenz zu be⸗ 
ücsichtigen. 
Wien, 7. Fedr. Auch das „Telegrophendorre pondenp 
urcau“ meldet, daß die formelle zustimmende Antwort Rußlaunde 
auf den Conferenzvorschlag heute hier eingetroffen. Rußland solle