Full text: St. Ingberter Anzeiger

Sf. Ingberler AAnzeiger. 
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Samstag, den 8. März 
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Deutsches Reich. 
Dem „Pf. K.“ wird aus Mü nchen geschrieben: Die Kam⸗ 
mer der Reichsräthe bat bekanntlich die Anträge der Abgeordneten⸗ 
kammer, welche die Errichtung von weiteren 8 Amisgerichten bezielten, 
abgelehnt; allein sie hat demungeachtet die für diese 8 Gerichte bon 
der Abgeordnetenkammer als trforderlich erachtete Ginrichtungs Summe 
don zusammen 32000 M. bewilligt und die Abgeordnetenlsammer 
hat hingegen eine Einwendung nicht erhoben. Demzufolge stehen 
der Staatsregierung für den Fall, daß sie sich bei nochmaliger 
Prüfung des Organisationsplanes für die Etrichtung einiger der in 
Rede stehenden Amtsgerichte entscheiden sollte, jedenfalls die hierzu 
erforderlichen finauziellen Mittel zu Gebot. (Die Frage ist also 
für Hornbach und Gollhem noch nicht definitiv erledigt, 
und darf man um so mehr eine günstige Entscheidung hoffen, 
als in Bayern nach dem Organisationsplan der Regierung 30 
Amisgerichte errichtet werden, deren Bevöllkerung nur 5000 bis 
9500 Einwohner beträgt, die also eine geringere Seelenzahl haben, 
als die in Frage gezogenen Amtsgerichte Hornbach und Göllheim.) 
In einem Artikel über den Reichshaushalt und die Finanz— 
reform sagt die „Propinzial-Korrespondenz: Aus der Besprechung 
der Finanzminister in Heidelberg ergab sich in allen deutschen Staa⸗ 
ten das dringende Bedürfniß nach einer beträchtlichen Vermehrung 
der eigenen Einnahmen des Reichs. Es war datrüber keine Mein⸗ 
ungsverschiedenheit vorhanden, daß das System der indirekten Be⸗ 
steuerung, welches ja vom Reich in seinen wesentlichen Theilen be— 
herrscot wird, auszubilden sei zu dem doppelten Zwech: einmal, das 
Reich in seinem Finanzwesen auf eigene Füße zu stellen, und 
andererseijs den einzelnen Staaten die Mittel zu gewähren, um 
diejenigen Riformen in Bezug auf die direlten Staatssteuern und 
die Gemeindesteuern durchzuführen, die sie für sich als ein dringen— 
des Bedürfniß erachten. Es ist, wie gesagt, der dringende Wunsch 
und die Hoffnuug der Regierungen, daß es noch in dieser Session 
gelinge, auf Grund der Vorlagen, die die Regierungen machen 
werden, die Verstandigung in jener Richtung zu erzielen. 
Berhin, 5. März. Der Reichssstag hat heute die Be—⸗ 
rathung des Gesetzenwurfs betr. die Strafgewalt des Reichslags 
fortgesetzt und die Verweisung der Vorlage an eine Kommission 
abgelehnt; sür diese Verweisung stimmten nur die beiden Frtaktionen 
der Rechten. Die 2. Lesung ersolgt alio im Plenum, und zwar 
am Freitag (gestern). 
Das Gerücht einer Boischafterkonferenz in Berlin zur Schlich⸗ 
lung der vom Kongrek ungeldst hinterlassenen Fragen und Schwie⸗ 
rigkeiten taucht vorläufig in Privatnochrichten wieder auf. Ärbeit 
gäbe es für eine solche Konferenz entschieden in Hülle und Fülle, 
manche Ereignisse dürften jedoch den diplomatischen Beschlüssen 
dorauseilen. 
stens theilweisen Ministerkrisis. Der Rüdtritt des französischen 
Ministers des Innern, de Marcere, ist gewiß, der des Finanz⸗ 
ninistene Leon Say nicht ganz unwahrscheinlich. Beide gehören 
dem linken Centrum an und sind deshalb den radikalen Elementen 
der Kammer, welche bei der Vertheilung der Minister-Portefeuilles 
nach dem Sturze Mac Mahons so stiefmütterlich bedacht wurden, 
rin Dorn im Auge. (Es ist eine steile und abschüssige Bahn, auf 
welcher sich die sranzösische Republik bewegt.) 
London, 4. März. Der „Standard“ meldet aus Kopen⸗ 
hagen, daß der König von Schweden seine Vermittelung zwischen 
Preußen und Dänemark in Sachen der nordschleswigschen Frage 
angtboten habe. 
Aus holländischen Kreisen verlautet, daß man in den 
Niederlanden in nicht geringer Verlegenheit ist, wen man mit der 
Würde eines Statthalters des Großherzogthums Luxemburg, zu der 
nach der Verfassung nur ein Prinz des königlichen Hauses zu be⸗ 
rufen ist, belleiden soll, da beide Söhne des Königs das Amt zu 
2bernehmen entweder ablehnen oder nicht für tauglich erachtet 
verden. Unter diesen Umständen ist es nicht verwunderlich, daß 
der Fürst von Wied, der Gemahl der einzigen Tochter des greisen 
Prinzen Friedrich der Niederlande und Sohn einer naussauischen 
Prinzessin, als eventueller Statihalter genannt wird. Für den 
nicht unwahrscheinlichen Fall eines bald gen Aussterbens des Königs⸗ 
jauses haben sehr hochgestellie Niederländer schon allen Ernstes 
zaraa gedacht, den genannien Fürsten, wenn nicht mit der Koͤnigs⸗ 
o doch mit der Erbssatthalterw ünde zu bekleiden und das staatsrecht⸗ 
iche Verhältniß wieder herzustellen, das Jahrhunderte lang unter 
den Oraniern bestand und erst im Wiener Fcieden zu Gunsten 
des Herrscherhauses geändert wurde. 
In Rußland bören die beunruhigenden Erscheinungen nicht 
auf; Erscheinungen wie sie einer Krisis potanzusehen pflegen. 
Vielleicht ist es noch Zeit, den letzteren durch Verleihung einer Ber— 
assung zuvorzukommen; eine Panacre gegen alles bestehende Uebel 
vürde dieselbe freilich auch nicht sein. Der vorgestrige 24jährige 
Bedenltag der Thronbesteigung von Kaiser Alexander DI. muß unter 
iesen Umständen auch abgesehen von der Krärklichtert des bald 
31jährigen Herrschers einen düsteren Charaltet gefragen haben. 
Petersburg, 5. März. Gentral Graf Loria« Melikof 
wneldet aus Astrachan vom 4. d.: Keine Epidemiekranke! Die 
Abschätzung des niederzubrennenden Eigenthums und die Entschädi— 
jung der Eigenthümer dauern fort. 
In Krat au hat die Polizei eine Anzahl Socialisten ver⸗ 
zaftet, wie es heißt wegen socalistischer Agitation. Es befinden 
ich darunter auch einige Zöalinge des dortigen Schullehrer- 
Seminars. 
Eine überraschende Nachticht kommt aus dem Orient, über⸗ 
raschender noch als diejeaige, welche seiner Zeit die Erwerbung 
Typerns durch die Engländer meldete. Frankreich soll in die Reihe 
»er Mitbieter auf den trürkischen Nachloß eingetreten sein and die 
Insel Rhodus erstanden haben! Die „Poutische Korrespondenz“ 
neldet unter Vorbehalt aus Konstantinopel, Frankicich habe mit ber 
Psorte ein finanzielles Uebereinkommen abgesclossen, wonach Rhodus 
in Frankreich vehuss Garanlie für finanzielle Hilfe abgetreten 
verde. Die Pforte trifft bereits Vodkehrungen zur Zurüchiehung 
der Truppen und des Kriegsmaterials von Rhodus. (Die JInseil 
hodus ist 21 Quadratmeilen groß und zählt nabe an 30.000 
kinwohner.) 
Konstantinopel, 5. März. Eine 500 Mann starke 
zriechische Freischaarenbande ist in Tbessalien eingesallen: da die 
Brenzoegend stark mit türkeschen Truppen besetzt ist, so ist ein Um— 
sichgreifen der Insurrection zu besorgen. 
NAusland. 
Wien, 3. März. Als vor eiwa einem Jahr im Reichs⸗ 
rathsabgeordnete: hause das galizische Wuchergesetz berathen wurde, 
äußerse ein Deputirter die Ansicht, wie nützlig es wäre, wenn 
auch Niederösterreich, die Stadt Wien nicht ausgenommen mit 
einem ähnlichen Gesetz bedacht würde. Damals zeigte sich die öf— 
jentliche Meinung noch ziemlich ungehalten darüber, daß man eine 
Parallele zwischen Galizien und der Kaiserstadt an der schoͤnen 
blauen Dorau zu ziehen wage. Hente wehte schon ein anderer 
Wind. Beschränkung der Weqhselsäbigkeit, öffentliche Brandmarknng 
der Wucherer. Stellung derselben unter Polizeiaufsicht, Ausweisung 
der nach Wien nicht zuftändigen Halsabichneider im Interesse der 
offentlichen Sicherheit: solche und ähnliche Wünsche werden laut 
und finden Zustimmung seit dem tragischen Ende des Staatscenstal- 
kassendireckors Imelsli, den, wie er kurz vor seinem Tode einem 
Localblatte schtieb, „Wucherer in den Tod jagten“. Der Fluch, 
welchen Imelsti seinen Feinden vermachte, wird die Gemüther dieser 
Herren erst dann belasten, wenn Frau Justitia Testamentsbol 
streckerin sein darf. 
Paris. An Marcere's Stelle ist der bisherige Handels⸗ 
minister Lepere zum Minister des Innern ernannt worden. 
Versailles ist schon wieder einmal der Zeage einer wenig⸗ 
Bermischtes. 
St. Ingbert, 7. März. Im Monat Februar wur⸗ 
den von hier aus etwa 9000 Kubikme'er Erde und Schloden als 
Füll- und Trockenmaterial nach der Bliesthalbahn gebracht. Als 
ein ganz vorzügliches Material erweisen sich die Schladen die in 
zroßer Menge und leicht am sogenannten Schlackenberge zwischen 
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